Die Arbeitsagentur Sachsen nimmt es noch recht gelassen, was da gerade auf dem sächsischen Ausbildungsmarkt passiert. Von Oktober 2018 bis März 2019 haben in Sachsen insgesamt rund 16.000 Jugendliche auch mit Unterstützung der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz gesucht. Im gleichen Zeitraum haben die sächsischen Unternehmen über 17.300 Berufsausbildungsstellen gemeldet. Von den bisher gemeldeten Ausbildungsstellen sind noch 12.000 frei. Eine gute Nachricht?
Zumindest eine, die nachdenklich macht.
„Auf dem Ausbildungsmarkt haben die Jugendlichen momentan die besseren Karten. Schon heute fehlen rein rechnerisch 1.700 Ausbildungsbewerber, um alle Lehrstellen besetzen zu können. Das freut mich für die Bewerber. Jedoch finde ich es schade, wenn Betriebe immer häufiger ausbilden wollen oder uns ihre Lehrstellen melden und uns für die Vermittlung die geeigneten Jugendlichen fehlen“, meinte Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Halbjahresbilanz auf dem Ausbildungsmarkt am 29.März im Dresdner Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasium.
„Daher ist es wichtig, auch Bewerber für eine Ausbildung zu begeistern, die in erster Linie nicht direkt im Fokus stehen. Dabei denke ich an einen Teil der Abiturienten, an Studienabbrecher und junge Erwachsene ohne Berufsabschluss. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle an einer Ausbildung interessierten jungen Menschen bei der Berufsberatung melden. Nur dann können wir die Lehrstellen möglichst passgenau vermitteln und dabei helfen, dass kein Jugendlicher verloren geht und möglichst viele Ausbildungsplätze passend besetzt werden.“
Das Ausbildungsjahr beginnt immer im Oktober eines Jahres. Seit Oktober 2018 haben sich in Sachsen insgesamt 15.965 Mädchen und Jungen in den Agenturen für Arbeit gemeldet und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz beraten lassen. Das sind 893 oder 5,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig wurden den sächsischen Arbeitsagenturen 17.363 Ausbildungsstellen gemeldet. Das sind 260 oder 1,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Aktuell sind noch 10.229 Schüler auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Demgegenüber stehen 11.948 freie Ausbildungsstellen. Damit gibt es rein rechnerisch für jeden Bewerber mindestens eine freie Ausbildungsstelle.
„Dass es mehr Ausbildungsstellen als Bewerber gibt, ist auf die gute Arbeitsmarktlage zurückzuführen – weil Jugendliche ihr Glück zuerst alleine in die Hand nehmen – und andererseits auf den Trend zu höherwertigen Schulabschlüssen sowie die hohe Studierneigung“, erklärte Hansen.
Während Bewerber zwischen den vielen Angeboten wählen können, müssten Betriebe bei der Bewerberrekrutierung zunehmend kreativer werden, findet die Arbeitsagentur.
„Personalentscheider wissen, dass die Quelle für Fachkräfte die Ausbildung im Betrieb ist. Deshalb werden bei der Suche nach den besten Bewerbern die Unternehmer am erfolgreichsten sein, die mit attraktiven Ausbildungsbedingungen werben und dabei kreative Wege gehen. Auch an der Frage einer guten Ausbildungsvergütung kommt man nicht vorbei. Zusätzlich sollten Personalentscheider den Fokus weiter auf die Stärken und Talente der Bewerber richten und Bewerber, wegen einer schlechteren Schulnote auf dem Bewerbungszeugnis, von vornherein nicht ausschließen“, appelliert Hansen.
Jeder Jugendliche, der noch keine Ausbildung hat, sollte seinen Berufsberater bei der Suche nach einer Ausbildung einbinden, so die Arbeitsagentur. Denn für die Ausbildungsbewerber sei es nicht immer leicht, sich für den richtigen Beruf zu entscheiden. Die Berufsberater würden den regionalen Arbeitsmarkt, aktuelle Trends, Berufe und deren Zukunftschancen kennen. Das, kombiniert mit den Talenten und Interessen der Jugendlichen, bildet eine gute Grundlage bei der Berufswahl.
Und bevor wir diese Schönmalerei weiter zitieren, öffnen wir einfach die Tabelle mit dem Regionalvergleich (siehe oben).
Leipzigs Arbeitsagentur hatte ja schon eindeutige Zahlen geliefert: auf 2.189 Bewerber kommen hier 2.360 unbesetzte Stellen. Die Bewerberzahl sank gegenüber dem Vorjahr um 29, dafür schnellte die Zahl offener Ausbildungsstellen um 293 in die Höhe.
Die Bewerberzahlen gingen in allen Landkreisen zurück, am stärksten in Meißen mit 14,6 Prozent. Was natürlich auch heißen kann, dass sich viele junge Leute schon selbst eine Ausbildungsstelle besorgt haben, ohne beim Amt nachzufragen. Aber noch gewichtiger ist die Tatsache, dass die Zahl der Schulabgänger in den Landkreisen sinkt. Der demografische Effekt schlägt voll durch.
Und wer genauer hinschaut sieht: Der Prozess beschleunigt sich noch. Denn ausgerechnet in den Landkreisen, die sowieso schon massiv Bevölkerung verloren haben, reicht das Lehrstellenangebot nicht einmal mehr aus, die noch suchenden Jugendlichen zu versorgen.
Exemplarisch dafür ist der Landkreis Görlitz, wo auf 1.222 Bewerber (5,2 Prozent weniger als im Vorjahr) nur 926 als frei gemeldete Stellen kommen (minus 8,6 Prozent). Da muss man nicht lange überlegen: Die jungen Leute, die nichts finden, werden abwandern. Zum Beispiel nach Dresden, wo auf 1.667 Bewerber 2.145 gemeldete Ausbildungsstellen kommen. Die Zahl der frei gemeldeten Stellen ist um satte 4,7 Prozent gestiegen.
Dasselbe trifft auf die Sächsische Schweiz/Osterzgebirge zu, wo auf 1.035 Bewerber nur 905 gemeldete Stellen kommen, oder Mittelsachsen, wo das Verhältnis 1.403 zu 1.323 beträgt. Diese Landkreise sind die heißesten Kandidaten darauf, in den nächsten Jahren noch mehr junge Einwohner zu verlieren. Wobei gerade in Meißen sowieso schon die Bewerberzahl am stärksten zurückging – um 14,9 Prozent.
Am schwierigsten finden Ausbildungsbetriebe mittlerweile im Vogtlandkreis Bewerber für freie Plätze. Das Verhältnis von unbesetzten Stellen und freien Bewerbern beträgt dort 1,61 zu 1. In Leipzig liegt der Wert bei 1,04 zu 1.
Und wer noch ein wenig tiefer eintaucht in die Tabellen, stolpert auch noch über eine andere Zahl. Die Zahl der Bewerber mit deutschem Pass um freie Ausbildungsstellen ging sachsenweit von 15.827 auf 14.823 zurück. Binnen eines Jahres stehen also 1.004 junge Menschen weniger dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung. Und das kann auch durch die jungen Ausländer nicht ausgeglichen werden, die in Sachsen eine Ausbildung beginnen können. Deren Zahl stieg nämlich nur von 1.009 auf 1.121, das sind gerade einmal 121 mehr als im Vorjahr.
Sachsen hat also ein richtig sattes demografisches Problem. Und die Ausbildungsstatistik zeigt, dass es aufs Engste mit seinen wirtschaftlichen Problemen zu tun hat. Gerade da, wo die Bevölkerung eh schon am stärksten schmilzt, werden auch noch deutlich weniger Ausbildungsplätze angeboten, sodass viele junge Leute erst recht zum Abwandern gezwungen werden.
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Landkreise verlieren Bevölkerung, Städte gewinnen diese. Insgesamt nimmt die Zahl der Arbeitskräfte ab. Womit auch die Nachfrage nach erbrachten Leistungen sinkt. Gleichzeitig steigt die Produktivität, die Digitalisierung nimmt zu.
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