Wer die jährlichen Leipziger Bürgerumfragen liest, der merkt nicht nur, dass verschiedene Alterskohorten in völlig verschiedenen Welten leben und deshalb völlig unterschiedliche Probleme als wichtig wahrnehmen. Der kann auch nachlesen, warum eigentlich junge Leute zwischen 18 und 25 nach Leipzig kommen und hier versuchen, einen Berufsstart zu wagen.

Das steckt nämlich in der Befragung zu den Zufriedenheitswerten. Auf den ersten Blick sieht das aus, als würden die Leipziger die Stadt vor allem wegen der Grünanlagen und Parks (76 Prozent), der Naherholungsgebiete (74 Prozent) und der Gewässer (61 Prozent) toll finden.

Wobei man bei all diesen Werten hinzufügen muss: Sie haben sich 2018 durchgehend verschlechtert – vielleicht, weil die lange Dürre alle diese Kleinode massiv gestresst hat: Wiesen verdorrten, selbst der Auwald zeigte Dürresymptome und die Flüsse führten monatelang Niedrigwasser. Was übrigens jetzt schon wieder der Fall ist. Der Winter hat das Wasserminus aus dem Vorjahr nicht ausgeglichen. Wenn das so weitergeht und nicht noch heftige Regenfälle kommen, erlebt Leipzig das zweite Dürrejahr in Folge.

Am stärksten sind die Zufriedenheitswerte bei „Zustand der Gewässer“ gefallen – von 70 auf 61 Prozent. Denn parallel erlebten die Leipziger ja, wie sich die flachen Gewässer in regelrechte Algenlandschaften verwandelten, besonders das Elsterbecken und der Lindenauer Hafen.

Und eher keine Überraschung ist, wenn gerade die Einschätzung der jungen Leipziger (18 bis 25 Jahre) bei diesem Thema deutlich niedriger lag. Ihr Zufriedenheitswert bei den Gewässern lag gerade einmal bei 46 Prozent. Für sie war also der Aufenthalt am oder auf dem Wasser wesentlich unangenehmer als der in Grünanlagen und Parks, mit denen sich 77 Prozent zufrieden zeigen – trotz vertrockneter Rasenflächen. In gewisser Weise ist das auch eine Wertschätzung für die Mitarbeiter des Amtes für Stadtgrün.

Aber die Befragung nach der Zufriedenheit zeigt eben auch, dass die Parks zwar dazugehören. Aber die jungen Leute kommen nach Leipzig (oder bleiben hier), weil das „Angebot an Arbeitsplätzen“ hohe Zustimmung erfährt: 79 Prozent. Und nicht weit dahinter liegt das „Angebot an Ausbildungsplätzen, Lehrstellen“ mit 72 Prozent. Für die jungen Leute geht also die grüne Freizeiterholung einher mit dem guten Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsstellen.

Auch beim Angebot von Jugendfreizeiteinrichtungen ist die Zustimmung der jungen Leute mit 58 Prozent deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt (28 Prozent). Wobei natürlich auch 58 Prozent Fragen aufwerfen: Für die restlichen 42 Prozent fehlt es also an solchen Angeboten oder sie finden nicht die richtigen oder nicht genug.

Wobei auch bei den ausgewählten Gruppen der Eltern mit Kindern und den älteren Leipzigern (über 55 Jahre) deutlich wird, welche wichtige Rolle die Grünanlagen und die Naherholungsgebiete spielen. Sie rangieren in allen Gruppen an der Spitze. Das Problem auch bei dieser Befragung: Die Fragebogenausfüller haben nur den vorgegebenen Kanon zum Ankreuzen. Manche Themen, die unter den Problemen der Leipziger auftauchen, würde man sich eigentlich auch hier wünschen zum Vergleich. Etwa beim „Angebot an Kindertagesstätten“. Die Eltern mit Kindern sehen ja hier bekanntlich mit 47 Prozent das größte Problem der Stadt, hingegen sind 12 Prozent der Eltern mit dem Angebot zufrieden.

Oder das Thema „Kriminalität, Sicherheit“, bei den älteren Leipzigern mit 60 Prozent das größte Problem, hingegen nur 6 Prozent sind mit der öffentlichen Sicherheit zufrieden.

So eine Vergleichsmöglichkeit würde man sich zum Beispiel beim Öffentlichen Nahverkehr wünschen, den 19 Prozent der Leipziger als Problem sehen. Wie hoch aber ist die Zufriedenheit mit dem ÖPNV-Angebot? Gerade bei den jungen Leuten ist ja die Unzufriedenheit mit dem ÖPNV-Angebot mit 27 Prozent am größten. Und gerade das letzte Jahr hat ja gezeigt, wie die Unzufriedenheit mit dem ÖPNV insgesamt gewachsen ist. Er genügt augenscheinlich nicht mehr den veränderten Mobilitätsbedürfnissen gerade der jungen Leipziger. Denn hier entscheidet sich auch, ob man ein Arbeitsleben ohne Auto gestalten kann – oder ob es die Lücken im Nahverkehrsangebot praktisch unmöglich machen.

Die größten Probleme Leipzigs aus Sicht der befragten Bürger

Die größten Probleme Leipzigs aus Sicht der befragten Bürger

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar