Am Montag, 15. April, konnten Ulrich Hörning, Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung, und Peter Dütthorn, Amtierender Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen, gleich zwei neue Publikationen aus dem Amt für Statistik und Wahlen vorstellen – zwei sehr schlanke Publikationen. Denn eigentlich steckt das Amt ja längst bis zur Halskrause in der Vorbereitung der Wahlen, von denen zwei – die Kommunal- und die Europawahl – ja schon am 26. Mai stattfinden. Aber die schmalen Hefte sind trotzdem voller harter Fakten.

Die Grafik mit den persönlichen Nettoeinkommen macht es relativ gut sichtbar. Bis 2011 war das Leben in einer Wirtschaftswelt mit Niedrigeinkommen für die meisten Leipziger der Normalzustand. Die meisten hatten zwar Arbeit – aber richtig gut verdient haben nur die Allerwenigsten.

Aber seitdem hat sich etwas Gravierendes verändert, heißt es jetzt in der am Montag, 15. April, vorgestellten Schnellauswertung zur „Bürgerumfrage 2018“. „Im Zeitvergleich 2010 bis 2018 hat sich der Anteil einkommensstarker Haushalte um 10 Prozentpunkte erhöht und der Anteil einkommensschwacher Haushalte um 12 Prozent verringert.“

Was eben auch bedeutet, dass viele zuvor einkommensschwache Leipziger in besser bezahlte Jobs kommen konnten und gleichzeitig auch viele neue, gut bezahlte Jobs entstanden. Allen voran in der Kommunikationsbranche.

Der in der Grafik abgebildete Median zeigt, wo jeweils das mittelste aller Einkommen lag, also jenes Einkommen, bei dem die Hälfte aller erfassten Einkommen drunter lag und die andere Hälfte drüber. Es ist nicht der Durchschnitt der Einkommen, das muss man beachten. Aber es zeigt eben doch, wie sich das Einkommensniveau seit 2010 stetig erhöhte – von damals gerade einmal 1.050 Euro netto im Monat auf mittlerweile 1.384 Euro. Noch immer verdienen Frauen im Median 280 Euro weniger im Monat. Eine wirklich gerechte Stadt ist Leipzig nicht.

Aber da die gestiegenen Einkommen eben auch Paaren mit und ohne Kinder zugute kommen, entspannt das eben auch die finanzielle Lage für Frauen.

Die Wirkung sieht man in der abgefragten Einschätzung einmal zur eigenen wirtschaftlichen Lage und dazu im Vergleich zur Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Stadt.

Und die Grafik überm Artikel (siehe oben) zeigt eben, wie sehr beide auseinanderklafften, damals, als die Finanzkrise auch das Wirtschaftsklima in der Stadt noch bedrückte. Da schätzten zwar schon fast die Hälfte der Befragten ihre wirtschaftliche Situation als gut bis sehr gut ein, aber die meisten trauten der Stadt insgesamt nicht zu, dass sie sich noch einmal wirtschaftlich so mausern würde.

Das brauchte wirklich erst einige Jahre, in denen mehr Leipziger das Glück hatten, eine bessere Bezahlung oder gleich einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu bekommen. Und gleichzeitig brauchte es mehr positive Nachrichten über die Wirtschaftsentwicklung in Leipzig – bis hin zu steigenden Beschäftigtenzahlen und steigenden Steuereinnahmen. Schockiert und deprimiert sind Menschen schnell. Dramatische Katastrophen nehmen sie sofort zur Kenntnis.

Aber zu akzeptieren, dass eine Stadt tatsächlich aus der Bredouille kam, das dauerte. Und je mehr solcher Nachrichten es gab, je steiler stieg auch die Kurve zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Stadt an. 2018 ist deshalb tatsächlich ein besonderes Jahr, weil die Einschätzung zur Situation der Stadt mit 59 Prozent positiver Bewertungen erstmals fast deckungsgleich war mit der Einschätzung der persönlichen Situation mit 60 Prozent.

Die Mehrheit der Leipziger sehen ihre Stadt seit 2015 auf einem guten Weg, auch wenn die für Leipzig spürbar entspannende Einkommensentwicklung im Deutschlandvergleich eher noch hinterherhinkt.

„Das ist und bleibt nun einmal unser Problem“, sagt Hörning, „dass in Leipzig die großen Konzernzentralen fehlen.“ Denn wo die stehen, ist das Einkommensniveau – siehe München – deutlich höher. Dazu kommen wir noch.

Denn mit dem Aufschwung der Stadt passiert noch etwas anderes. Das konnte niemand übersehen: Der Wohnungsleerstand schmolz von einem riesigen Überangebot quasi auf Null. Mittlerweile sind gerade bezahlbare Wohnungen für Singles und Familien rar geworden. Und die Wohnungen, die neu gebaut werden, sind deutlich teurer als der Bestand. Was dann im Lauf der Jahre auch die Durchschnittsmieten im Bestand steigen lässt.

Lagen die 2010 noch bei 5,12 Euro kalt je Quadratmeter, so zogen sie seit 2014 spürbar an – erst auf 5,39 Euro, 2017 dann auf 5,62 Euro und 2018 nun auf 5,88 Euro je Quadratmeter. Das bekommen auch die Leipziger mit den höheren Einkommen zu spüren, denn damit zieht auch die Mietbelastung wieder an. Die lag 2012 schon mal bei 34 Prozent, sank dann – aufgrund steigender Einkommen – auf 30 Prozent. „Aber 2018 ist die Mietbelastung wieder auf 34 Prozent gestiegen“, sagt Hörning, „trotz gestiegener Einkommen.“

Und er betont: „Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Leipzigerinnen und Leipziger sind in ihrer Stadt zufrieden. Die Zahlen zeigen auch, dass dies nicht unwesentlich mit der eigenen Arbeit und dem verfügbaren Einkommen zusammenhängt. Allen Akteuren muss es daher Ansporn sein, weiterhin ein hohes und steigendes Maß an Beschäftigung und stetig – gern auch schneller – steigende Einkommen im Blick zu haben. Gleichsam müssen wir gezielt an den aus Bürgersicht vorhandenen Problemen weiterarbeiten.“

Es sieht also ganz danach aus, dass die Einkommenssteigerung für viele Leipziger nicht hoch genug sind, um die steigenden Wohnkosten aufzufangen.

Was logischerweise die Sicht auf die Probleme der Stadt deutlich verschiebt.

Dazu kommen wir im nächsten Beitrag zur Bürgerumfrage 2018.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar