Zu unserem Beitrag „Sozialdezernat lehnt ein 20-Euro-Sozialticket aus Kostengründen ab“ vom 26. Januar schrieb uns L-IZ-Leser Rewert Hoffer: „Zu den von Ihnen veröffentlichten Zahlen, die auf der Bürgerumfrage 2017 beruhen, habe ich allerdings eine Frage. Sie schreiben: ‚Liegt der Pkw-Besatz in Haushalten bis 1.100 Euro Einkommen deutlich unter 20 Prozent, steigt er danach mit wachsendem Einkommen kontinuierlich an, um ab 2.300 Euro die 70-Prozent-Marke zu überschreiten, ab 2.600 Euro die 80-Prozent-Marke und ab 3.200 Euro die 90-Prozent-Marke.‘ – Ich konnte diese Zahlen den Ergebnissen der Bürgerumfrage nicht entnehmen.“
„In der Tabelle 4.1 auf Seite 61 steht dort, dass 27 % der Haushalte bis zu einem Einkommen von 1.100 Euro einen PKW besitzen, also liegt der PKW-Besitz in diesen Haushalten bei etwa einem Viertel und nicht bei „deutlich unter 20 %“ wie Sie schreiben. Beziehen Sie sich auf andere Quellen oder habe ich vielleicht etwas falsch verstanden?“
Den Widerspruch konnten wir so einfach auch nicht auflösen. Die Zahlen stehen tatsächlich so in der Tabelle. Zwei Seiten später findet man dann freilich eine Grafik, in der der Besitz von Fahrrädern und Pkw nach Haushaltseinkommen grafisch dargestellt wurde. Dort wurden tatsächlich für Einkommen unter 1.100 Euro deutlich niedrigere Werte für Pkw-Besitz gezeigt.
Deswegen haben wir direkt im Amt für Statistik und Wahlen angefragt.
Dr. Andrea Schultz, Abteilungsleiterin Stadtforschung, hat uns geantwortet.
„Die optische Diskrepanz ist eine Folge der Glättungsfunktion, die in Abb. 4-3 über die Daten gelegt wurde“, schreibt sie uns. „Da hier einzelne Einkommensgruppen dargestellt sind, sind die Ergebnisse nicht so stabil wie bei größer aggregierten Gruppen. Gerade in den unteren Einkommensklassen sind die Fallzahlen zu gering, um hier Einzelausweisungen vorzunehmen. Um dennoch den erwiesenen Zusammenhang zwischen Pkw-Ausstattung und Einkommen grafisch darzustellen, haben wir die Werte geglättet. Die Glättung hat nun für den Ausstattungsgrad mit Pkw in der Gruppe 900 bis 1.100 Euro ungünstige Ergebnisse produziert. Das ist uns auch erst durch Ihren Hinweis aufgefallen. Hier hätten wir an der Glättung nochmals nachjustieren müssen.“
Sie hat uns auch die Grafik geschickt, in der die nicht-geglätteten Daten eingezeichnet sind, uns aber gebeten, sie nicht zu veröffentlichen. Da fällt dann auf, dass ab Einkommen von 1.300 Euro die Linien ungeglättet und geglättet fast deckungsgleich sind. Was an dem von Andrea Schultz genannten Effekt liegt: Leipziger mit höherem Einkommen antworten zahlreicher auf die Bürgerumfragen der Stadt. Die Leipziger mit niedrigen Einkommen, niedrigerer Bildung und prekärerem Lebensstandard antworten seltener.
Sie werden von den Bürgerumfragen also viel schlechter erfasst. Deswegen stehen hinter den Angaben zu den Haushalten mit sehr geringem Einkommen auch deutlich weniger Befragte, die ihren Umfragebogen auch ausgefüllt haben. Die Kurven sind also viel unruhiger, weil dann schon wenige Fragebögen genügen, um die Werte steigen oder fallen zu lassen.
Was dann der Hauptgrund für die Glättung war, die im Grunde den in der Tabelle angegebenen Wert von 28 % Pkw-Besitz bei Einkommen zwischen 900 und 1.100 ausgleicht mit zum Teil Angaben von null Pkw-Besitz in einigen der noch niedrigeren Einkommensgruppen, während ein Sprung in der Statistik darauf hindeutet, dass eventuell die Studierenden und Auszubildenden dann trotz noch niedrigerer Einkünfte dennoch zu einem erheblichen Anteil über Pkw verfügen – möglicherweise durch Eltern oder Großeltern gesponsert, wie es so schön heißt.
Das heißt: Die geglätteten Kurven zeigen auch ein wenig das Dilemma, in dem Leipzigs Statistiker stecken, wenn sie tatsächlich belastbare Zahlen über all die Haushalte bekommen wollen, die mit maximal 1.100 Euro über den Monat kommen müssen.
Sozialdezernat lehnt ein 20-Euro-Sozialticket aus Kostengründen ab
Sozialdezernat lehnt ein 20-Euro-Sozialticket aus Kostengründen ab
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