Seit 30, 40 Jahren herrscht das Trommelfeuer der Superreichen, haben sie Volkswirtschaft um Volkswirtschaft sturmreif geschossen und immer bedrängtere Regierungen dazu gebracht, die Spitzen- und Vermögenssteuern zu senken, einige Steuern gar abzuschaffen. Das Ergebnis ist genau das, was Oxfam pünktlich zum Weltwirtschaftsforum in Davos melden kann: Die Umverteilung des Reichtums von den Armen zu den Superreichen hat sich 2018 sogar noch beschleunigt.

Die Vermögen der Milliardäre sind im vergangenen Jahr um zwölf Prozent (durchschnittlich 2,5 Milliarden US-Dollar pro Tag) gestiegen, während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung Einbußen von 11 Prozent (durchschnittlich 500 Millionen US-Dollar pro Tag) erlitten hat. Das geht aus dem Bericht „Public Good or Private Wealth“ hervor, den die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht.

Dem Bericht zufolge können öffentliche Angebote in den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung wesentlich dazu beitragen, Armut und Ungleichheit zu verringern. Doch diese Angebote sind weltweit dramatisch unterfinanziert. Oxfam fordert deshalb Investitionen in öffentliche Bildungs- und Gesundheitsversorgung sowie eine stärkere und effektivere Besteuerung von Konzernen und Vermögenden.

Der Bericht „Public Good or Private Wealth“ zeigt den Zusammenhang zwischen den horrenden Vermögenszuwächsen der Reichsten und der Unterfinanzierung bei öffentlichen Angeboten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherung auf und macht deutlich, warum darunter insbesondere Frauen und Mädchen leiden:

– In den zehn Jahren seit der Finanzkrise hat sich die Zahl der Milliardär/-innen weltweit nahezu verdoppelt. Allein im vergangenen Jahr ist ihr Vermögen um rund 900 Milliarden US-Dollar gewachsen – das sind 2,5 Milliarden Dollar pro Tag.

– Gleichzeitig können sich immer weniger Menschen aus extremer Armut befreien: Das Tempo, in dem extreme Armut abnimmt, hat sich seit 2013 halbiert. In Teilen Afrikas steigt die extreme Armut sogar wieder an.

– Soziale Ungleichheit trifft vor allem Frauen und Mädchen: Im weltweiten Durchschnitt besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Dafür beziehen Frauen um 23 Prozent niedrigere Gehälter und tragen die Last der Mängel im Gesundheits- und Bildungsbereich. Pro Jahr leisten sie unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit im Wert von zehn Billionen US-Dollar – das entspricht etwa dem 38-fachen Jahresumsatz des VW-Konzerns.

– Regierungen weltweit haben Konzerne und Vermögende mit dicken Steuergeschenken beglückt. In reichen Ländern sind beispielsweise zwischen 1970 und 2013 die Spitzensteuersätze auf Einkommen von durchschnittlich 62 auf 38 Prozent gefallen. In einigen Ländern, darunter Großbritannien und Brasilien, wenden die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung einen höheren Anteil ihres Einkommens für Steuern auf als die reichsten zehn Prozent.

– Investitionen in gebührenfreie Bildungs- und Gesundheitsangebote sind das beste Mittel gegen soziale Ungleichheit: Eine vergleichende Betrachtung von 78 Staaten zeigt, dass in neun von zehn Ländern die öffentlichen Bildungsausgaben pro Kind das Einkommen der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung übersteigen – zum Teil um ein Vielfaches.

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Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland, kommentiert das so: „Während die Superreichen ihr Vermögen in Lichtgeschwindigkeit vermehren, geht es für die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung wirtschaftlich bergab. Konzerne und Superreiche können sich weiterhin in vielen Ländern um ihren gerechten Steuerbeitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens drücken. Dieses Geld fehlt, um in öffentliche Bildungs- und Gesundheitssysteme zu investieren. Aber extreme Ungleichheit ist kein Naturgesetz. Sie ist die Folge einer verfehlten Politik – und diese Politik müssen wir im Jahr der Europawahl verändern.“

Die Forderungen von Oxfam an die Bundesregierung sowie die EU:

– Investitionen in soziale Gerechtigkeit zu erhöhen. Gebührenfreie öffentliche Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherungsnetze sind unverzichtbar im Kampf gegen Ungleichheit und einer der wichtigsten Ansatzpunkte für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Um diese zu finanzieren, brauchen Staaten finanziellen Spielraum. Deswegen müssen die Mittel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zur Unterstützung öffentlicher Bildungs-, Gesundheits- und sozialer Sicherungssysteme deutlich erhöht werden. Das gilt auch für das EU-Budget 2021 bis 2027.

– Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen. In der Entwicklungszusammenarbeit müssen Frauenrechte global gestärkt und Frauenorganisationen besser gefördert werden. In Deutschland und der EU gehören Frauen benachteiligende Regelungen im Steuer- und Arbeitsrecht abgeschafft. Zudem sind Anreize und bessere öffentliche Angebote erforderlich, die zu einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Pflege-, Sorge- und Erziehungsarbeit beitragen.

– Kindergärten, Schulen, Gesundheitszentren und Betreuungseinrichtungen müssen ausgebaut und die dort Beschäftigten angemessen bezahlt werden.

– Konzerne und Vermögende angemessen zu besteuern und Steuervermeidung zu stoppen. Damit in soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung investiert werden kann, müssen Konzerne und Superreiche ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Staaten können dazu beitragen, indem sie von Superreichen ihren fairen Beitrag einfordern. Mit schwarzen Listen und wirksamen Sanktionen können sie gegen Steueroasen vorgehen und so Steuervermeidung unterbinden. Zudem müssen sie Konzerne angemessen besteuern – etwa mit europa- und weltweiten Mindeststeuersätzen. Dafür braucht es Transparenz – etwa durch öffentliche länderbezogene Berichterstattung von Konzernen über erzielte Gewinne und darauf gezahlte Steuern.

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Die Situation in Deutschland: Die deutschen Milliardär/-innen konnten ihr Vermögen im vergangenen Jahr um 20 Prozent steigern. Das reichste Prozent der Deutschen verfügt über ebenso viel Vermögen wie die 87 ärmeren Prozent der deutschen Bevölkerung. Im europäischen und internationalen Vergleich zählt Deutschland zu den Industrienationen mit der größten Vermögensungleichheit. 2017 waren 15,8 Prozent der Bevölkerung von Einkommensarmut betroffen – ein Negativrekord – und jedes fünfte Kind galt als arm.

Der Grund: Das deutsche Steuersystem ist auf Druck starker Lobby-Organisationen genauso in Schieflage geraten. Große Vermögen und Einkommen wurden steuerlich massiv entlastet, stets mit der Begründung, dadurch würden neue Investitionen ausgelöst, was so aber nie geschieht. Hingegen wurde der Faktor Arbeit, mit dem die Mehrheit der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt verdient, massiv mit Steuern und Sozialabgaben beschwert.

Der für 2018 gemeldete Haushaltsüberschuss des Bundes von 11 Milliarden Euro darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in sämtlichen Bereichen des Staates seit Jahren die Gelder fehlen – in den Kommunen etwa bei den Infrastrukturen, bei der Bahn, im öffentlichen Dienst bei Lehrern, Polizisten, Richtern, in den Krankenhäusern … Auch Deutschland leidet unter dieser massiven und letztlich unproduktiven Umverteilung der Gelder. Sie fehlen dort, wo es um die Sicherung sozialer und infrastruktureller Belange geht. Und kaum hat der Bundesfinanzminister den Überschuss vermeldet, melden sich die schlagkräftigen Lobbyisten vom Steuerzahlerbund bis zur INSM wieder zu Wort und fordern – Steuersenkungen. Und das vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der längst Zorn und Unmut sich zu Wort melden und selbst die Demokratie bedrohen.

Oxfams Berechnungen beruhen auf den aktuellsten verfügbaren Statistiken. Daten, die sich auf das Vermögen verschiedener Anteile der Weltbevölkerung (ärmere Hälfte, reichstes Prozent) beziehen, stammen aus dem Credit Suisse Wealth Databook (https://www.credit-suisse.com/media/assets/corporate/docs/about-us/research/publications/global-wealth-databook-2018.pdf) und zeigen die Entwicklung zwischen Juni 2017 und Juni 2018. Zahlen zu Milliardären beziehen sich auf die jährliche Forbes-Milliardärsliste (https://www.forbes.com/billionaires/list/#version:static) und bilden den Zeitraum zwischen März 2017 und März 2018 ab.

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