Mit den jährlichen Bürgerumfragen in Leipzig werden auch immer wieder Lebenseinstellungen abgefragt. Lebenseinstellungen haben gravierende Auswirkungen – bis hin zur Zufriedenheit, politischen Entscheidungen und jenen oft irritierenden Machtkämpfen in Leipziger Medien, in denen übergewichtige alte Männer mit Verbissenheit ihre Interessen versuchen durchzusetzen. Zum Beispiel an der Jahnallee.

Das Beispiel mitsamt dem Foto in der hiesigen Zeitung fällt einem sofort ein, wenn man Kerstin Lehmanns Beitrag im neuen „Quartalsbericht“ Nr. 3 für 2018 liest, in dem sie die Lebenszufriedenheit der Leipziger einmal nach Alter und Geschlecht aufdröselt. Man merkt schnell: Frauen hätten sich schlicht nicht hergegeben zu so einer Nonsens-Kampagne in der Inneren Jahnallee, die fordert, dass die ganzen SUVs da dauerhaft stehen bleiben sollen. Auf so einen Quatsch können nur Männer kommen.

Ist nur die Frage: Denken Männer über ihr Leben nie nach?

Seltener zumindest. Ältere Männer erst recht nicht.

Sie fallen schon seit Jahren dadurch auf, dass ihre Lebenszufriedenheit ab dem 55. Lebensjahr deutlich schneller abfällt als bei den Frauen.

Eigentlich müssten die Männer zwischen 30 und 55 viel unzufriedener sein mit dem Leben, denn in dieser Alterskohorte gibt es einen heftigen Männerüberschuss in Leipzig, über den die Statistiker rätseln. Aber das Phänomen wird auch schon länger beobachtet und hängt wahrscheinlich direkt mit den großen Abwanderungsjahren 1990 bis 2000 zusammen. Auch aus Leipzig und Sachsen wanderten deutlich mehr junge und gut gebildete Frauen in den Westen ab. Frauen sind rigoroser, wenn es darum geht, sich ihre Zukunft zu organisieren.

Männer sind dann oft die Gelackmeierten. Oder die Beleidigten, die dann mit 55 Jahren merken, dass sie ihr Leben falsch gelebt haben, dass die ganze Sauferei, Raucherei, Fresserei und Kraftmeierei nur dazu führten, dass ihre Gesundheit schneller den Bach runtergeht als bei der Angetrauten.

Noch bis zum 49. Lebensjahr scheinen Leipzigs Männer echte Kraftbolzen zu sein, schätzen mit 68 Prozent ihren Gesundheitszustand öfter als gut ein als die gleichaltrigen Frauen mit 64 Prozent. Doch dann kippt es. Bei den 50 bis 64-Jährigen geben nur noch 56 Prozent der Frauen einen guten Gesundheitszustand an, bei den Männern aber rutscht der Wert auf 49 Prozent. Möglich, dass das auch mit gesundheitlich belastenden Berufen zu tun hat.

Aber wenn die Frage nach dem Sporttreiben zeigt, dass 52 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe noch Sport treibt, aber nur noch 38 Prozent der Männer, ahnt man, dass zu dem Thema auch eine Menge Bequemlichkeit gehört – und fehlende Verantwortung für das eigene Wohlergehen.

Was sich auch im Mobilitätsverhalten zeigt. Männer dominieren in der Nutzung des Pkw als Fortbewegungsmittel (50 Prozent zu 39 Prozent), während Frauen häufiger Straßenbahn und Bus benutzen (28 zu 18 Prozent). Was ja bei Leipziger Verhältnissen bedeutet: Frauen laufen mehr. Wenigstens die 500 Meter zur Haltestelle, die die Männer in der Regel schon mit dem Auto fahren.

Was dann zur Folge hat, dass Männer und Frauen die Lösung der Leipziger Verkehrsprobleme aus unterschiedlicher Perspektive sehen: Männer vom Steuer ihres Autos aus, Frauen eher aus der Perspektive der gefährdeten Fußgängerin. Weshalb Männer zur Reduzierung des Verkehrslärms eher dafür plädieren, den Lkw-Verkehr zu reduzieren und Straßen teuer auszubauen. Es darf ruhig was kosten, Hauptsache, Mann muss nicht aussteigen und zu Fuß gehen.

Frauen sehen eher die Lösung in Geschwindigkeitsüberwachung und Tempo 30. Was sicher die Männer wieder ärgern dürfte, bedeutet Auto doch nun einmal auch (eingebildetes) Tempo.

Man merkt, dass hier etwas auseinanderklafft, obwohl beide Geschlechter größten Wert auf Lärmschutz und Luftreinhaltung legen. Nur sieht man jedes Mal völlig andere Verursacher, wenn man entweder vom Straßenrand auf die Drängler und Huper schaut oder ob man selbst ein Drängler und Huper ist.

Wobei es Kerstin Lehmann eher nur um die Feststellung der Zahlen geht. Schlussfolgerungen müssen andere (meistens amtierende Männer) draus ziehen.

Die dann wieder einen oder mehrere Vorteile haben: Sie sitzen schon in der Entscheiderposition und sie sind finanziell besser ausgestattet. Was Lehmann mit den Zahlen aus der Bürgerumfrage direkt belegt. Während Männer und Frauen als Auszubildende praktisch auf demselben niedrigen Niveau starten, klaffen die Einkommen der Geschlechter schon mit dem Berufseinstieg sofort deutlich auseinander, verdienen Männer fast 200 Euro mehr als die Altersgenossinnen, ein Wert, der sich im Berufsleben auf durchschnittlich 300 Euro erhöht und sich erst mit dem Eintritt ins Rentenalter nivelliert.

Durchschnittlich bekommen also Leipziger Männer ein Berufsleben lang jeden Monat 200 Euro mehr als die Frauen.

Wobei natürlich nicht nach Branchen differenziert wird. Natürlich arbeiten Frauen auch in Leipzig häufiger in „frauentypischen“ Berufen, die in der Regel deutlich schlechter bezahlt werden als typische Männerberufe. Und es schlägt der Babyknick zu. Denn es ist egal, ob Frauen schon früh – etwa während des Studiums – Kinder bekommen oder erst Ende 30: Sie steigen danach um ein, zwei Stufen tiefer in die Karriereleiter ein und holen das auch nie wieder auf.

Und „typische Männerberufe“ zeichnen sich in der Regel auch dadurch aus, dass diese Männer keine Elternzeit nehmen oder gar in Teilzeit arbeiten, um die Kinder versorgen zu können. Das bleibt dann eben doch wieder an den Frauen hängen. Selbst dann, wenn Männer gern Vater sein wollen – aber auch sie riskieren, dann auf der Gehaltsgruppenleiter hängenzubleiben – und damit dauerhaft weniger Geld für die Familie zu verdienen.

Zumindest ist das Bewusstsein mittlerweile dafür da, dass es so ist. Eine Lösung gibt es noch nicht.

Es wäre schön, wenn man Männerwelten noch differenzieren könnte – etwa nach Autofahrern und Gesundheitsbewussten. Denn natürlich folgen nicht alle Männer den Faule-Drängler-Argumenten. Und auch nicht alle Frauen leben gesund. Die Unterschiede zwischen dem Bewusstsein fürs eigene Wohlbefinden aber sind sichtbar. Und möglicherweise hängen sie auch direkt mit dem Einkommen zusammen – denn auch ein gesundes Leben muss man sich erst mal leisten können.

Dazu gab zumindest die Bürgerumfrage 2017 eine halbe Antwort: Menschen mit höherem Einkommen treiben häufiger Sport, in der Altersgruppe 45 bis 54 Jahre wird es schon gravierend. Menschen mit Einkommen unter 1.400 Euro treiben kaum halb so oft Sport wie Menschen mit höheren Einkommen. Das kann mit dem Willen der Besserverdienenden zu tun haben, fit zu bleiben für den Beruf. Es ist aber auch eindeutig ein soziales Ausgrenzungskriterium: Wer weniger verdient, hat weniger Spielraum für Sport und aktive Gesunderhaltung.

Leipziger bestätigen schlechter werdenden Gesundheitszustand seit 2013

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