Seit ein paar Tagen torkelt ja der sogenannte „BAMF-Skandal von Bremen“ durch die Medien, jeden Tag neu angeheizt durch neue Kraftmeiereien, Vorwürfe, Vermutungen und Verdächtigungen. Ein Thema, das den deutschen Menschenverächtern so richtig in die Hände spielt, auch weil unbelegte Behauptungen über unrechtmäßige Asyl-Gewährung kolportiert werden. Wo der eigentliche Skandal liegt, darüber schrieb am 6. Juni Stephan Hebel in der „Frankfurter Rundschau“.

„Die Debatte um die ‚Affäre‘ von Bremen ist längst selbst zum Teil der anti-humanitären Schieflage geworden. Als Anfang dieses Jahres bekannt wurde, dass mehr als 40 Prozent der negativen Asylbescheide vor der ersten Gerichts-Instanz keinen Bestand haben, war in Politik und Öffentlichkeit von ‚Skandal‘ nichts zu hören. Aber jetzt regt sich alle Welt über eine im Vergleich dazu verschwindend geringe Zahl von Asylbewerbern auf, die womöglich rechtswidrig anerkannt wurden“, schrieb er unter anderem.

40 Prozent der Menschen, die einen Ablehnungsbescheid bekommen haben, hätten nach Rechtslage sofort eine Asylanerkennung bekommen müssen.

Das sind eine Menge Leute, die durch kaum nachvollziehbare Entscheidungen in ein Fegefeuer geschickt werden: Sie haben allen Grund, eine Rückkehr in ihr Herkunftsland zu fürchten – und werden trotzdem einfach abgelehnt.

Was Gründe hat. „Wenn etwas eine Untersuchung verdienen würde, dann die systematische Flüchtlingsabwehr, zu der die Regierung längst zurückgekehrt ist – und zwar mit Angela Merkel an der Spitze“, schreibt Hebel.

Und da sich mittlerweile auch der zeitweilige BAMF-Chef Frank. J. Weise mit völlig unbelegten Vorwürfen zu Wort gemeldet hat, hat auch Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) jetzt reagiert. Den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit und zeitweiligen „Präsidenten“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat er gefressen.

Schon vor dessen Berufung als „Aufräumer“ beim BAMF hat Schröder die Arbeit des einstigen Bundeswehroffiziers und Controllers in diversen Unternehmen sehr kritisch unter die Lupe genommen, denn so manche Erfolgsnachricht aus der Bundesagentur für Arbeit, die durch die Medien waberte, hielt einer genauen Prüfung der Zahlen nicht stand.

Und wenn einer dafür verantwortlich war, die Bundesagentur zu einem bürokratischen Moloch zu machen, in dem die Abrechnung völlig sinnloser Zielzahlen wichtiger war und bis heute ist, als die wirklich gute Betreuung von Menschen auf Arbeitsuche, dann Weise, der ab 2004 Chef dieser Behörde war.

Der Mann steht für eine ziemlich gnadenlose Allianz, die die deutsche, neoliberal geprägte Wirtschaftspolitik mit den radikalsten Managern des Landes eingegangen ist. Eine Allianz, die Hochschulen und Schulen längst genauso zu spüren bekommen haben. Alles wird einem gnadenlosen Abrechnungs-, Kontroll- und Effizienzsystem unterworfen. Und genauso ist die Bundespolitik auch mit der Flüchtlingsbetreuung umgegangen.

Denn spätestens seit dem Frühjahr 2016 arbeitet das BAMF nach genauso gnadenlosen „Effizienz“-Kriterien wie die Bundesagentur für Arbeit. Das hat mit einer von der Öffentlichkeit kaum wirklich bemerkten Änderung im Asylrecht, mit dem „Asylpaket II“ zu tun, das im Frühjahr 2016 in Kraft trat und seitdem systematisch abgelehnte Asylbewerber produziert, die aber aus humanitären Gründen überhaupt nicht abgeschoben werden dürfen.

Ab Frühjahr 2016 ging die Zahl der als Flüchtling anerkannten Fälle von 56 Prozent nicht nur drastisch zurück auf knapp 19 Prozent, es klaffte auch eine Lücke auf. Denn damals bekamen nur wenige Asylbewerber zwar keine Anerkennung als Flüchtling, aber trotzdem ein Abschiebungsverbot, weil humanitäre Gründe dagegen sprachen, sie wieder wegzuschicken.

Aber die Zahl dieser Menschen hat drastisch zugenommen, auch wenn gerade die Union im Bund alles versucht, um auch noch das letzte Bürgerkriegsland wieder zu einem „sicheren Herkunftsland“ zu erklären und die Betroffenen in die schlimmsten Katastrophengebiete abzuschieben. Dass überhaupt über Abschiebungen nach Afghanistan debattiert wird, gehört wohl zu den größten menschlichen Boshaftigkeiten, zu denen deutsche Politiker derzeit fähig sind.

Und obwohl die Zahl der Staaten, in die die Bundesregierung glaubt, Menschen einfach wieder abschieben zu können, zugenommen hat, landen immer mehr Asylbewerber in dieser Vorhölle des nicht gewährten Flüchtlingsstatus, dürfen aber trotzdem nicht angeschoben werden. Und das hat nicht nur – wie auch Sachsens neuer knallharter Innenminister Roland Wöller (CDU) meint – mit fehlenden Pässen zu tun.

Die Kurve, die Paul. M. Schröder mit den Daten des BAMF gezeichnet hat, zeigt, dass von der Gastfreundschaft des Jahres 2015 wenig bis nichts übrig geblieben ist. Und da wird es im BAMF in Bremen nicht anders aussehen als in den sächsischen, bayerischen oder hessischen Niederlassungen: An die Stelle eines gesetzkonformen und transparenten Verfahrens ist das Agieren einer Behörde getreten, in der willkürlich und willfährig Menschen der Flüchtlingsschutz verweigert wird, die allen Grund hatten, ihre demolierten Herkunftsländer zu verlassen.

Dass dann der bayerische Ministerpräsident auch noch Kruzifixe in allen Amtsstuben aufhängen lässt, ist dann der gnadenlose Gipfel der Scheinheiligkeit.

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