Am Mittwoch, 30. Mai, haben ja die Arbeitsagenturen wieder die Arbeitsmarktzahlen vorgelegt. Und während die sächsische Arbeitsagentur sich über „erstmals eine 5 vor dem Komma“ freut, freut sich die Leipziger über eine 6 davor. Denn beides hängt zusammen. Und das, was im Wachstumsknoten Leipzig passiert, bestimmt immer mehr, wie sich die Beschäftigungslage in Sachsen entwickelt. Blöd nur, dass die zuständigen Minister keine Ahnung von Löhnen und Mieten haben.

Sie tun gern so, als könnten sie über die Verweigerung einer realistischen Wohnungsbauförderung steuern, wo neue Arbeitsplätze entstehen und wohin Menschen ziehen. Können sie aber nicht. Sie können nicht mal steuern, wo Unternehmen sich ansiedeln. Auch nicht über den Breitbandausbau. So funktioniert die moderne, datengesteuerte Wirtschaft nicht. Im Gegenteil: Sie erzwingt geradezu Konzentration. Auch weil hochqualifizierte Menschen ein kulturelles und soziales Umfeld brauchen, das Sachsen in seinen ländlichen Regionen schon lange nicht mehr bereithält.

Man müsste also als Minister schon ein bisschen dynamisch denken, um die ganzen Wanderungsbewegungen zu verstehen – und zu fördern. So seltsam das klingt. Aber darin liegt die wirtschaftliche Perspektive Sachsens. Das ist leider so – tragisch für die abgelegenen Regionen.

Die neuen Arbeitsplätze entstehen alle in den Großstädten, nirgendwo sonst. Die Arbeitsagentur muss das eigentlich nur gut managen, dann entstehen von ganz allein positive Arbeitsmarkteffekte.

So wie jetzt im Mai: Mit 6,7 Prozent lag die Arbeitslosenquote in Leipzig so niedrig wie noch nie in einem Monat seit dem Jahr 1991. Zum Vergleich die sächsischen Zahlen: Insgesamt waren in Sachsen 125.918 Menschen arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vormonat waren 4.553 Menschen (minus 3,5 Prozent) weniger und zum Vorjahresmonat 12.401 weniger arbeitslos gemeldet (minus neun Prozent). Die Arbeitslosenquote belief sich im Mai auf 5,9 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sank sie um 0,7 Prozentpunkte

Und da tut sich das Problem auf, das die Unternehmen in der IHK-Konjunkturumfrage beklagten: Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist anhaltend hoch und die Zahl der Arbeitslosen geht kontinuierlich zurück. Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete der gemeinsame Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter Leipzig auch im Mai einen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den zurückliegenden vier Wochen 2.176 freie Stellen, das waren 405 mehr als im April und 93 mehr als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet.

Zahl der gemeldeten freien Arbeitsstellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Zahl der gemeldeten freien Arbeitsstellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Die sächsischen Zahlen danebengelegt: Den kräftigsten Beschäftigungsaufbau gab es im Verarbeitenden Gewerbe (plus 5.000) und im Sozialwesen (plus 4.200). In den Bereichen Information und Kommunikation (plus 2.800), im Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kraftfahrzeugen (plus 2.600), im Gesundheitswesen (plus 2.200), sowie im Bereich Immobilien, freiberufliche/wissenschaftliche/technische Dienstleistungen (plus 2.200) sind deutlich mehr Menschen beschäftigt als vor einem Jahr.

Einen kräftigen Beschäftigungsaufbau gab es weiterhin in den Bereichen Erziehung und Unterricht (plus 2.100) sowie Verkehr und Lagerei (plus 2.100).

Im langjährigen Vergleich liegt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 1,6 Millionen auf recht hohem Niveau. Seit ihrem Tiefstand im Jahr 2006 waren in keinem März mehr Menschen in Sachsen beschäftigt. So sind vom März 2006 bis März 2018 fast 290.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Das entspricht einem langjährigen Beschäftigungswachstum von 22,2 Prozent.

Ganz dasselbe Bild in Leipzig: Die Industrie bietet 1.723 freie Stellen, die Logistik mit Sicherheitsgewerbe 1.598 Stellen und der Bereich Gesundheit, Bildung, Soziales mittlerweile 990. Da stecken KindergärtnerInnen drin, Lehrer und Lehrerinnen und Pflegekräfte.

Der Bedarf kann aber immer schwerer gedeckt werden. Und einige Branchen werden froh sein, dass so viele Geflüchtete nach Sachsen gekommen sind, denn sie sind längst schon gefragt auf dem Arbeitsmarkt. Auch wenn es die Arbeitsagentur nicht extra betont. Seit März sank die Zahl der arbeitslosen Ausländer von 4.317 auf 4.117.

Das sortiert sich natürlich in die offiziellen Zahlen ein.

Insgesamt waren im Mai 20.626 (Vormonat 21.328) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Rückgang im Vergleich zum April betrug 702 Personen und innerhalb der letzten 12 Monate ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen in der Stadt um 2.416 zurückgegangen.

Im Sechs-Jahre-Vergleich wird das noch deutlicher: 2012 hatte Leipzig noch 24.817 Arbeitslose im SGB II, diese Zahl ist inzwischen (auch durch massive Altersabgänge) auf 14.675 abgeschmolzen.

Etwas langsamer schmilzt freilich die Zahl der Menschen, die in Bedarfsgemeinschaften stecken. Lag ihre Zahl im Frühjahr 2016 noch bei 70.439 und im Frühjahr 2017 bei 69.584, so wurden jetzt im Mai noch 64.128 registriert.

In Leipzig gab es im Mai 36.926 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 99 weniger als im Vormonat und 2.218 weniger als im Mai des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 46.755 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug dort der Rückgang 109 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 2.533 Personen.

Und der Nachwuchs ist schon lange knapp. Seit Oktober 2017 wurden 2.461 Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur Leipzig gemeldet. Das sind 170 mehr als vor einem Jahr um diese Zeit. Gegenwärtig sind davon noch 1.493 unbesetzt. Dem stehen 2.553, 523 mehr als im Mai 2017, Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz gegenüber. Von diesen suchen noch 1.350 nach einer Ausbildung.

Dass das nicht immer ganz einfache Fälle sind, weiß der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Steffen Leonhardi: „Ich appelliere an die Unternehmerinnen und Unternehmer, auch den jungen Leuten eine Chance zu geben, die weniger gute Schulnoten haben. Testen Sie deren praktische Fähigkeiten doch in einem Schülerpraktikum oder im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung. Mit Letzterem können Betriebe junge Menschen im Praktikum über mindestens sechs Monate testen. Wir fördern das mit einer Praktikumsvergütung.“

 

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