Am 5. April hat das Leipziger Amt fรผr Statistik und Wahlen auch die neue Bevรถlkerungszahl fรผr den Mรคrz 2018 verรถffentlicht. Und man bekommt so eine Ahnung davon, wie erfolgreich eine Politik ist, die die nรถtigen Investitionen in einer GroรŸstadt bremst und dafรผr sorgt, dass all das fehlt, was die Stadt eigentlich zum Wachsen braucht. Und allen voran fehlt bezahlbarer Wohnraum. Es sind keine reichen Leute, die eigentlich nach Leipzig ziehen wollen.

Noch im ersten Quartal 2017 sah das Leipziger Bevรถlkerungswachstum so aus: Von 579.530 im Melderegister eingetragenen Einwohnern wuchs die Zahl auf 582.โ€ฏ277. Am Jahresende hatte Leipzig dann 590.337 Einwohner, 10.807 mehr als im Vorjahr. Das waren schon 6.000 weniger als in den Spitzenjahren. Aber diese Spitzenwerte wurden auch durch die groรŸe Zahl aufgenommener Geflรผchteter erreicht. Die 10.000 sind eher die normale Taktzahl der vergangenen Jahre gewesen, eine Zahl, die nur durch die enorm hohe Zahl leerstehender Wohnungen aufgefangen wurde.

Noch 2000 betrug die Zahl leerstehender Wohnungen in Leipzig 69.000, bis 2010 war der Leerstand dann auf 34.000 abgesunken.

2016 meldeten dann Leipzigs Stadtplaner im Monitoringbericht zum Wohnen: โ€žEnde 2015 standen in Leipzig (geschรคtzt) insgesamt etwa 19.000 Wohnungen leer. Das entspricht einer Leerstandsquote von knapp 6 %. Damit hat sich der Leerstand seit der Wohnungs- und Bestandserhebung im Rahmen des Zensus 2011 von rund 40.000 leerstehenden Wohnungen und 12 % halbiert. Von den etwa 19.000 leerstehenden Wohnungen waren etwa 10.000 Wohnungen dem marktaktiven Leerstand zuzurechnen, d.h. sie stehen kurzfristig zur Vermietung zur Verfรผgung. Das sind 3 % aller Wohnungen. Rund 9.000 leerstehende Wohnungen stehen als nicht marktaktiver Leerstand kurzfristig nicht zur Verfรผgung, kรถnnen aber durch Sanierung marktgรคngig gemacht werden.โ€œ

Der โ€žmarktaktive Leerstandโ€œ lag also nur noch bei 3 %. Da wagte denn auch Baubรผrgermeisterin Dorothee Dubrau das Wort von einem enger gewordenen Wohnungsmarkt in den Mund zu nehmen. Bei 3 % aktivem Leerstand aber haben viele Menschen schon Probleme, รผberhaupt noch eine fรผr sie angemessene Wohnung zu finden. Das wurde im Jahr 2017 immer offenkundiger. Gerade Singles und Familien mit Kindern fanden kaum noch bezahlbare Wohnungen in der Stadt. Mittlerweile gingen die Schรคtzungen nur noch von 2 Prozent aktivem Leerstand aus.

Der Grund ist simpel: Es wird nicht genug gebaut. Mindestens 3.000 neue Wohnungen mรผssten jedes Jahr neu zur Verfรผgung stehen, um den wachsenden Bedarf aufzufangen, tatsรคchlich tut sich die Bauwirtschaft schwer, auch nur 2.000 neue Wohnungen zu schaffen. Und statt der Hรคlfte Sozialwohnungen, die OBM Burkhard Jung dringend fรผr notwendig hรคlt (das wรคren rund 1.500), entsteht im preiswerten Segment keine einzige. Erst ab 2019 soll der โ€žsoziale Wohnungsbauโ€œ wieder in Gang kommen.

Alles deutet darauf hin, dass sich die Stadt Leipzig mit einer viel zu zรถgerlichen und auf Zeit spielenden Wohnungspolitik gerade ihr eigenes Bevรถlkerungswachstum ausgebremst hat.

Denn die neu entstandenen Wohnungen werden selten unter 10 Euro je Quadratmeter angeboten, sind also eigentlich erst fรผr Familien erschwinglich, die schon in gut bezahlten Jobs in Leipzig Tritt gefasst haben. Nicht aber fรผr Studierende, junge Leute in Ausbildung oder die vielen Erwerbstรคtigen der Dienstleistungsbranche.

Deswegen wuchs Leipzigs Bevรถlkerung im ersten Quartal 2018 nicht um fast 3.000 Personen wie noch im Vorjahr โ€“ denn fรผr die ist augenscheinlich passender Wohnraum kaum noch zu finden โ€“ sondern nur noch um 551 auf nun 590.888.

Bestimmt wird es wieder Verantwortliche geben, die das als Dรคmpfer bezeichnen und meinen, das wรผrde man schon irgendwie wieder in den Griff bekommen.

Aber tatsรคchlich ist es Ergebnis falscher politischer Weichenstellungen und fehlender Konzepte. Konzepte, deren Autoren sich nicht wirklich vorstellen kรถnnen, wie knapp junge Menschen und Familien in Sachsen tatsรคchlich rechnen mรผssen und was es bedeutet, wenn man auf Stipendien oder befristete (Einstiegs-)Jobs angewiesen ist und sich Quadratmetermieten รผber 5 Euro nicht wirklich leisten kann. Niedriglohnstadt trifft auf Boom. Das knallt natรผrlich.

Wohin aber gehen dann all die Leute, die die neu entstehenden 6.000 bis 7.000 Arbeitsplรคtze in Leipzig besetzen? Das werden wir sehen, wenn die Umlandstรคdte ihre neuen Einwohnerzahlen melden โ€“ von Halle รผber Taucha bis Delitzsch und Eilenburg. Wahrscheinlich wird sich das โ€žWachstumโ€œ jetzt ins Umland verteilen, wo junge Familien noch bezahlbare Wohnungen finden.

Aber Leipzig kann sich damit die 600.000 Einwohner fรผr 2018 abschminken. Es gibt ja gar nicht die Wohnungen, wo all diese Menschen hinziehen kรถnnten. Und die noch leerstehenden Wohnhรคuser sind in der Regel Spekulationsobjekte von Leuten, denen die Leipziger Probleme vรถllig egal sind.

Und es bewahrheitet sich, was wir auch schon bei Kitas und Schulen feststellen konnten: Die Stadt reagiert 5 Jahre zu spรคt auf die Verรคnderungen. Obwohl die Warnungen alle auf dem Tisch liegen. Im Fall des Wohnungsmangels in den wichtigsten Segmenten (Single- und Familien-Wohnungen) hat das aber drastische Folgen fรผr die Stadtentwicklung. Die Stadt wird โ€“ obwohl รผberall noch Brachen gรคhnen โ€“ in vollem Galopp ausgebremst. Allein das unbewรคltigte Thema Wohnungsbau sorgt dafรผr, dass sich die Prognosezahl von 720.000 Einwohnern im Jahr 2030 gerade in Luft auflรถst.

Mit Volldampf in den Wohnungsmangel: In Leipzig fehlen inzwischen รผber 40.000 Wohnungen im preiswerten Segment

In Leipzig fehlen inzwischen รผber 40.000 Wohnungen im preiswerten Segment

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Es gibt 4 Kommentare

@Alexander
Das mit โ€œWer anstรคndige Lรถhne zahlt, bekommt auch Personalโ€ mag zwar in gewissen Bereichen stimmen, aber leider nicht in allen. Hoch qualifizierte Ing. sind leider nicht darunter und Dr.-Ing. auch nicht. Da muss man suchen oder halt die Firma in eine andere GroรŸstadt mit genรผgend Wachstum verlegen.

Da kann man nur froh und dankbar sein, wenn der Zuzug abebbt โ€“ denn nicht jedes Wachstum ist unbedingt positiv.

Man hat nun festgestellt, dass eben keine โ€œreichen Menschenโ€ nach Leipzig ziehen โ€“ wow, wer hรคtte das gedacht.
Natรผrlich ziehen die nicht hier her, sondern bleiben dort, wo sich ihr hรผbsches, wohlsituiertes Leben die ganzen Jahre schon abgespielt hat โ€ฆ im Westen!

Was man mit der unsรคglichen und permanenten Wiederholung von irgendwelchen, begrรผndeten oder unbegrรผndeten Zahlenspielereien erreicht hat โ€“ die Spekulanten haben sich den Namen Leipzig gemerkt und treiben die Grundstรผcks- und letztlich die Mietpreise in die Hรถhe.

Da man aber nicht davon ausgehen muss, dass hier im Osten (bis auf wenige Ausnahmen), anstรคndige Lรถhne gezahlt werden, fรคllt uns das jetzt und zukรผnftig, wunderbar auf die FรผรŸe!

@Mathias
Ein Ende des (starken) Bevรถlkerungswachstums ist sowohl im Interesse der โ€œStadtoberenโ€ als auch der Bevรถlkerung. Unabhรคngig vom Wachstum mรผssen weitere Schulen und Kitas gebaut werden. Das StraรŸennetz ist marode und es gibt kaum Firmen mit freien Kapazitรคten, sodass jede Bauaktivitรคt sehr teuer ist. Leipzig tรคte es sehr gut, wenn es mal 3, 5 oder 7 Jahre im Wachstum stagniert bzw. leicht wรคchst, damit man wieder Kapazitรคten in den Bereichen Schule, Kita, Infrastruktur schaffen kann. Um โ€œdie Wirtschaftโ€ braucht man sich keine Sorgen machen. Wer anstรคndige Lรถhne zahlt, bekommt auch Personal.

Mich beschleicht gerade das Gefรผhl, daรŸ ein Ende des Bevรถlkerungswachstums den โ€œStadtoberenโ€ ganz recht wรคre, braucht man doch weniger Schulen, ร–PNV etc. Dumm nur, daรŸ dann als nรคchstes โ€œdie Wirtschaftโ€ nicht mehr wachsen wird und vielleicht die nรคchste Kriese anklopft.

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