Es ist recht typisch für Deutschland: Kaum stellen Forscher einen Missstand fest und verbinden damit Konsequenzen für menschliches Handeln, macht sich eine ganze Phalanx von Abstreitern daran, das Ergebnis öffentlich zu diskreditieren. Motto: Das Ergebnis zählt für uns nicht. Seit 2017 wieder massiv erlebt beim Thema Insektenschwund. Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) findet dieses Abstreiten völlig daneben.

Denn nicht nur die Biomasse der Insekten schwindet, wie die Krefelder Studie nun erstmals belegte, auch deren Vielfalt nimmt erkennbar ab und das seit Jahrzehnten.

„Der oft zitierte stumme Frühling ist längst dabei, Realität zu werden. Das wird besonders dann deutlich, wenn die Natur jetzt mit dem Frühjahrsbeginn und zu Ostern nach den frostigen Tagen wieder zum Leben erwacht“, sagt Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

Die Veröffentlichung einer Studie zum dramatischen Rückgang der Biomasse der Insekten in Deutschland mit Daten des Entomologischen Vereins Krefeld führt seit Oktober 2017 bundesweit zu Diskussionen. Um Aussagen über Ausprägung und Auswirkungen des Insektenschwundes machen zu können, sind neben Informationen zur Stärke des Rückgangs auf Ebene der Biomasse jedoch auch Informationen zu Veränderungen auf der Ebene der Einzelarten nötig.

Genau diese liefern die bundesweiten Roten Listen, die das Bundesamt für Naturschutz veröffentlicht.

In den Roten Listen der gefährdeten Arten Deutschlands werden seit den 1970er Jahren auch tausende Insektenarten bewertet.

„Vor einem Rückgang der Artenvielfalt wird darin seit langem gewarnt“, erklärt die BfN-Präsidentin. Auch die Botschaft der aktuellen Roten Listen der wirbellosen Tiere, Teil 1 und Teil 2, ist eindeutig: „Der Rückgang vieler Arten überwiegt weiterhin die Zunahme einiger weniger Arten deutlich. Hier haben wir es mit einer klar belegten und bundesweit zu beobachtenden Entwicklung zu tun“, fasst Prof. Beate Jessel die Kernaussage dieser Roten Listen zusammen.

Die aktuellen Roten Listen bieten über die oft zitierten Informationen zur Gefährdungssituation hinaus eine wertvolle aggregierte Sicht auf Häufigkeit und Verbreitung und zur Entwicklung der Bestände aller untersuchten Arten.

Bisher wurden 25 Insektengruppen hinsichtlich der Bestandsentwicklung in den letzten 50 bis 150 Jahren bewertet.

Das fatale Zwischenergebnis zum jetzigen Zeitpunkt: Bei im Schnitt 44 Prozent aller Arten ist es zu einem deutlichen Rückgang gekommen. Die heimischen Zikaden weisen mit 52 Prozent überdurchschnittlich viele Arten mit langfristig rückläufigem Trend auf.

Eigentlich war das sogar das erste Phänomen, das einem auffiel, wenn man durch die sommerlichen Landschaften lief: Irgendwann in den 1980er Jahren sind die Wiesen regelrecht verstummt, hat das Sirren und Schwirren der Zikaden einfach aufgehört. Das Summen anderer Insekten folgte.

„Die Vielfalt der Zikaden ist also erheblich bedroht. Intensive Grünlandnutzung in den letzten Jahrzehnten gehört zu den bedeutendsten Gefährdungsfaktoren für diese Tiergruppe“, sagt Prof. Jessel. Ebenso sind die Bestände der oft als Bioindikatoren verwendeten Laufkäfer bei 45 Prozent der Arten zurückgegangen. Es sind demnach nicht nur Insekten betroffen, die sich vornehmlich fliegend fortbewegen, sondern auch solche, die überwiegend am Boden leben.

Eine Zunahme konnte dagegen nur bei insgesamt zwei Prozent der Insektenarten festgestellt werden.

Die bundesweiten Roten Listen geben Auskunft über die Entwicklungen der Arten in ganz Deutschland und sind somit weder regional noch auf bestimmte Biotoptypen oder Erfassungsmethoden beschränkt. Überdies bieten sie eine vollständige Übersicht über die Vielfalt der betrachteten Gruppen, da alle in Deutschland etablierten Arten aufgelistet werden. Dementsprechend werden auch weniger häufige Arten bearbeitet, die etwa bei Biomasseuntersuchungen deutlich unterrepräsentiert sind. Die in diesem Jahr vom Bundesamt für Naturschutz initiierte Analyse der Gefährdungsursachen für die Arten der Roten Listen wird zukünftig weitere Informationen über die Gründe für die Rückgänge aufzeigen.

Schon vor Jahren war es für die Insekten in Sachsen „fünf vor Zwölf“

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