Unseren Beitrag „Dem Osten fehlt heute schon die Hälfte des benötigten Ausbildungsnachwuchses“ kommentierte „Olaf“ mit den Worten: „Wenn es denn zuträfe, dass es zu wenig Arbeitnehmer gäbe, müsste sich dies nach den Regeln des Marktes auch in den Arbeitsverhältnissen widerspiegeln. Sowohl in Quantität als auch in Qualität (Leiharbeit, befristete AV, Werkverträge, Entlohnung). Das ist nicht der Fall.“ Und dann verlinkte er auf einen Beitrag der „Frankfurter Neuen Presse“, in dem das scheinbar erklärt wird.

„Stellen, nicht Fachkräfte fehlen“, war der dortige Kommentar betitelt. Der Sinn des Kommentars ist begreiflich. Denn auch in Hessen gilt: Im Zuge all der hübschen in den letzten Jahren eingeführten Arbeitsmarktinstrumente wurden auch viele gut Ausgebildete in prekäre und meist auch noch befristete und miserabel bezahlte Arbeitsverhältnisse abgedrängt. Und Tausende stecken in der sogenannten „Unterbeschäftigung“ fest, wo die Arbeitsämter all jene Menschen zählen, die zwar nicht in Arbeit, dafür in allerlei Beschäftigungsprogrammen stecken.

Der Kommentar deutet schon recht deutlich an, dass es bei „fehlenden Arbeitskräften“ nicht um den Arbeitsmarkt selbst geht, der eben nicht alles regelt. Schon gar nicht die gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen.

Es gehört wohl zu den Hauptgründen, dass viele Bundesbürger heute das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden, weil sie genau in solchen Beschäftigungsfallen festhängen, die vom Gesetzgeber ermöglicht wurden, den Betroffenen aber oft selbst die Familiengründung versperren. Was übrigens ein elementares Problem für die jungen Leute ist. Darum ging es ja im Beitrag im Wesentlichen: Sie sind es, die mit beschämend schlechten Arbeitsverträgen geködert und am Laufen gehalten werden. Die jungen Frauen bekommen ihr erstes Kind ja nicht erst mit 29, weil das irgendeine Art moderner Lebensstil ist, sondern weil die jungen Partner es meist erst mit Anfang 30 schaffen, überhaupt eine relativ verlässliche wirtschaftliche Basis zur Familiengründung zu bekommen. Und zwar nicht irgendwo in abgelegenen Regionen, sondern in den Großstädten, wo jetzt der Wohnraum für Familien knapp wird und die Vermieter schon mal ordentlich zulangen.

Was übrigens wieder einer der Gründe dafür ist, dass die SPD nach ihren Sondierungsgesprächen mit der Union jetzt gerade von ihren jungen Mitgliedern richtig Pfeffer kriegt.

„Die SPD verscherzt es sich mit den Jungen“ titelte dazu am Dienstag, 16. Januar, die „Zeit“. Denn wenn jungen Leuten selbst bei bester Qualifikation (Stichwort: Fachkräfte) immer wieder nur ein befristeter Vertrag angeboten wird, schafft das keine Wirtschaftsbasis für eine Familie. Dann bekommen sie genau in dem Moment, wo die Helden der deutschen Wirtschaft öffentlichen nach Arbeitskräften schreien, regelrecht eine Ohrfeige. Motto: Bewähre dich erst mal ein paar Jahre, vielleicht sind wir dann so gnädig …

Tatsächlich ist Deutschland ein Land, in dem die Politik entschieden hat, insbesondere die großen Konzerne bei jedem Versuch zu unterstützen, Arbeit zu entwerten. Was man heute nicht mehr über Lohndumping macht, wie das früher mal üblich war, sondern durch all die marginalen und befristeten Jobs oder gar dem Outsourcing ganzer Belegschaften (was nicht nur Billigflieger machen, sondern auch städtische Kliniken …) – alles mit dem Ziel, die Arbeitskosten zu drücken, ohne dass die tatsächlich geleistete Arbeit weniger wird.

Im Gegenteil: Das heißt dann meist Verschlankung, wenn etwa die Pflegekräfte in Krankenhäusern so weit „verschlankt“ werden, dass die gut ausgebildeten Schwestern im Drei-Schicht-Dienst nach 20 Jahren Berufstätigkeit ausgebrannt sind. Über die Zunahme psychischer Erkrankungen in Sachsen haben wir ja oft genug geschrieben.

Und Fakt ist: Wenn das Parteien in Koalitionsverhandlungen nicht mehr interessiert, dann ist das Schwinden ihrer Wähler sicher. Denn auch die Jungen und Prekären sind Wähler.

Aber nicht nur so wird immer mehr Arbeit nicht nur nicht mehr honoriert, sondern regelrecht unsichtbar gemacht.

Eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag machte am 18. Dezember Furore, denn nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit leisteten die Deutschen im Jahr 2016 insgesamt 493 Millionen unbezahlte Überstunden. Betonung auf unbezahlt. Denn auch durch bezahlte Überstunden werden Arbeitsplätze vernichtet.

Die Zahl der Überstunden 2016 lag insgesamt sogar bei 828 Millionen, während das der Bundesagentur zugehörige Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sogar auf 947 Millionen unbezahlte Überstunden kam.

Unbezahlt, wohlgemerkt. Das normale Jahresarbeitsvolumen eines erwerbstätigen Sachsen lag 2016 bei 1.411 Stunden. Das heißt, allein durch unbezahlte Überstunden wurde das Arbeitsvolumen von 671.155 Beschäftigten bei der Entlohnung eingespart. Das wären 671.155 Jobs gewesen – die weder als neue Stelle entstanden sind, noch bezahlt wurden. Aber die Arbeit dafür wurde trotzdem geleistet.

Das heißt: Unsere Wirtschaft profitiert von einem riesigen Berg unbezahlter Arbeit.

Das Geld wird dann gern als Dividende an Aktionäre ausgeschüttet oder fließt in Stiftungen oder in dubiose Steuersparmodelle.

Und wenn dann eine Partei wie die SPD so mutig ist, für die Betroffenen, die meist so wenig verdienen, dass sie nicht mal eine existenzsichernde Rente erwarten können, eine Grundrente zu fordern, dann kommen die Lobby-Truppen der Reichen und Gierigen und verdammen dieses Vorhaben als undurchführbar, weil: zu teuer.

So wie der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß, der behauptet: „Wir wollen in der Alterssicherung die belohnen, die langjährig, konsequent vorgesorgt haben. Einer der wichtigsten Beiträge zur Bekämpfung künftiger Altersarmut, ist die Pflicht auch für Selbständige angemessen und insolvenzsicher vorzusorgen. Sie können dabei wählen, ob sie in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, oder ein vergleichbares privates Angebot nutzen wollen.“

Das ist scheinheilig. Denn wovon sollen Menschen, die nicht mal das Nötige zum Leben verdienen, eigentlich vorsorgen?

Aber Weiß’ Äußerung fällt zusammen mit dem Vorstoß der führenden Lobby-Institution der Reichen und Gierigen: der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), deren Geschäftsführer Hubertus Pellengahr ins selbe Horn tutet: „Die geplante Rentenpolitik der großen Koalition ist eine weitere Rolle rückwärts, die kein einziges Problem der Rentenversicherung löst, sondern nur weitere schafft. Die Mütterrente und die Festschreibung des Rentenniveaus belastet in Zukunft vor allem diejenigen, die heute noch nicht wählen dürfen. Wer Altersarmut nachhaltig reduzieren will, muss dafür sorgen, dass sich private und betriebliche Vorsorge für alle lohnt und unser Arbeitsmarkt auch in Zukunft fit bleibt und möglichst vielen Menschen Arbeit gibt.“

Das nennt man: Produktion von Fakenews, Verdrehen der Tatsachen.

Die Wahrheit lautet: Wer Altersarmut verhindern will, bezahlt die Menschen auskömmlich für ihre Arbeit.

Denn eines stimmt auf keinen Fall: dass uns die Arbeit ausgeht.

Es gibt nur ein paar Leute, die würden Arbeit gern völlig unbezahlt machen. Und dann trotzdem noch schöne Altersvorsorge-Pakete verkaufen an die um ihre Rente Betrogenen.

Wer 35 Jahre gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, der sollte tatsächlich das Recht auf eine wenigstens anständige Rente haben. Das wäre sozial, nicht der Unfug, den die INSM in die Welt hinausposaunt.

Dem Osten fehlt heute schon die Hälfte des benötigten Ausbildungsnachwuchses

Dem Osten fehlt heute schon die Hälfte des benötigten Ausbildungsnachwuchses

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Keine Kommentare bisher

Ich vermag nicht zu erkennen, worin der Artikel meinem kurzen Kommentar widerspricht?
Gibt es zu wenig Fachkräfte aber genügend Stellen?
Ich wiederhole mich. Wenn dem so wäre, würden die Arbeitgeber nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage die wenigen Fachkräfte mit ordentlichen Bedingungen auf die vermeintlich wenigen Stellen locken.
Daß “der Gesetzgeber”, die SPD war zu dieser Zeit in der Regierung, also “der Gesetzgeber,” die Bedingungen für die Arbeitnehmer dramatisch verschlechtert hat, ändert hieran rein gar nichts.
Daß diese Bedingungen geändert werden müssen ist selbstverständlich. Daß die Gewerkschaften (die nur so stark wie ihre Mitglieder sind) ihren Teil dazu beitragen müssen (was sie auch und gerade jetzt mit ihrer Forderung nach Eintritt der SPD in die Regierung unter den Bedingungen der Sondierungsgespräche wieder mal nicht tun) ist ebenso klar.

In einem muß ich widersprechen. Mutig ist die SPD mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil. Die SPD wollte “moderner” und fortschrittlicher”, also auf “deutsch” neoliberaler werden, als CDU und FDP zusammen. Was, um daran zu erinnern, mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer begann. Wovon insbesondere geringe Einkommen überproportional betroffen sind.
Um es dann mit Befristungen, Leiharbeit, Minijobs, Werkverträgen, Förderung der Scheinselbständigkeit durch “Ich-AG” und Wegfall des Meisterzwangs in etlichen Berufsfeldern, der Entsolidarisierung mit Aufhebung der paritätischen Beitragserhebung und Mehrbelastung der Arbeitnehmer bis hin zu Verbriefungen auf dem Finanzmarkt auf die Spitze zu treiben. Erst Steinbrück hat den Einstieg ausländischer “Investoren” auf dem Wohnimmobilienmarkt möglich gemacht. Was diese mit Blick auf dessen internationale Unterbewertung dankend annahmen.
Der Mindestlohn wurde nur durch Druck der Linken erzwungen. Und auch das nur auf einem lächerlich niedrigen Niveau.
Die Forderung nach einer Grundrente korrespondiert hiermit. Diese hätte ebenso wie der Mindestlohn mit Hartz IV eingeführt werden müssen.

Allerdings fiel ein Großteil dieser Regelungen auf Rot/Grün, ein Teil wurde mit CDU/CSU fortgeführt. Die SPD ist nicht allein verantwortlich.

Was der Wähler feststellt: Der Abklatsch von Schwarz/Gelb. Um dann doch lieber das Original zu wählen. Oder die (vermeintliche) Alternative. Die die Dunkelroten nicht sind. Wie sich an der Reaktion zur Diskussion über eine gesammelte Linke, von Lafontaine zur rechten Zeit begonnen, zeigt.
Und es gibt noch eine Grund, SPD nicht zu wählen: die Verarschung von Mitgliedern und Wählern geht weiter. Schulz hebt die Wiedereinführung der Parität (Mut) in der Sozialversicherung als Erfolg der Sondierung hervor. Nach dem die SPD diese als Regierungspartei aufgehoben hat. Diese Dreistigkeit macht zornig.

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