Dass einmal Wirtschaftsprüfer bestätigen würden, dass man in Ostdeutschland so mit dem Personal nicht umspringen kann, das hätte man so nicht erwartet. Sprachen die sich denn nicht immer dafür aus, dass auch die öffentliche Verwaltung verschlankt werden müsse? Aber augenscheinlich gibt es ganz menschliche Grenzen für Schlankheit. Irgendwann geht auch Verwaltung einfach kaputt, wenn die Leute fehlen.
Was dabei passiert, hat jetzt das von KPMG geförderte Institut für den öffentlichen Sektor e.V. untersucht. Dabei ging es den Studienautoren weniger darum zu ermitteln, wie groß die Personal- und Finanzierungslücke ist, sondern um ein Thema, das nun seit 15 Jahren wie ein Mantra durch die Welt getragen wird: „Vor dem Hintergrund der Digitalisierung können sich für die Kommunen jedoch neue Möglichkeiten ergeben, die eigene Produktivität zu erhöhen. Durch die Automatisierung von Verwaltungsabläufen werden Ressourcen frei, die für Bürgerdienstleistungen eingesetzt werden können.“
Das ist die ziemlich fette Nachtigall, die man da trapsen hören kann.
Dass Computer keine Verkehrsplanungen machen, hat man ja gerade in Leipzig gemerkt.
Aber weiter im Text.
„Mitarbeiter in den Verwaltungen der Kreisfreien Städte der neuen Bundesländer müssen seit der Jahrtausendwende immer mehr Aufgaben erledigen. Grund ist die von 2000 bis 2014 um durchschnittlich 39 Prozent gesunkene Personaldichte der Kommunen. Unter Berücksichtigung der veränderten Aufgabenteilung zwischen Land und Kommunen hat sich die Personaldichte von (gewichtet) durchschnittlich 44 Vollzeitkräften je 1.000 Einwohner im Jahr 2000 auf 27 in 2014 deutlich reduziert.“
Das zeige die Studie „Weniger Personal – mehr Aufgaben“, teilt KPMG mit.
Und allein diese Zahlen zeigen, wie sich gerade die Landespolitik auf Kosten der Kommunen „gesundgespart“ hat. Denn die Genehmigung der kommunalen Haushaltspläne hat man als Aufsichtsbehörde auch immer gern mit der Auflage verbunden, die Personalstellen zu kürzen. Und das ist oft in Abteilungen passiert, in denen es um strategische Planungen geht, aber auch in personalträchtigen Bereichen wie Ordnungsamt oder Meldeamt. Und der Freistaat Sachsen war immer besonders eifrig, die großen Städte zum „Sparen“ zu zwingen.
„Dabei liegen die Kreisfreien Städte in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit durchschnittlich 23 bzw. 22 Mitarbeitern je 1.000 Einwohner (gewichtet) am unteren Ende der Skala. Hier hat sich die Personaldichte seit der Jahrtausendwende um 48 bzw. 41 Prozent überdurchschnittlich stark verringert. Die Kreisfreien Städte in Thüringen liegen mit 29 Mitarbeitern je 1.000 Einwohner (gewichtet) über dem Bundesdurchschnitt von 27 Mitarbeitern je 1.000 Einwohner, die Städte in Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit je 27 Mitarbeitern genau im Durchschnitt“, so KPMB zum Ergebnis.
Es würde nicht verblüffen, wenn eine ähnliche Studie auch beim Landespersonal auf solche Zahlen käme.
Der Grund dafür, dass derart „übers Ziel hinaus“ gespart wurde, ist natürlich der Anpassungsprozess nach der Wiedervereinigung.
„Nach der Wende mussten die Kommunen der neuen Bundesländer den vergleichsweise großen Personalbestand der DDR größtenteils beibehalten. Unter Berücksichtigung der Aufgabenteilung war die Personaldichte zur Jahrtausendwende in den Kreisfreien Städten der neuen Länder mit 44 gegenüber 31 Mitarbeitern je 1.000 Einwohner (gewichtet) im Schnitt noch deutlich höher als in den westdeutschen Bundesländern“, stellt KPMG fest. „Im weiteren Zeitverlauf relativierten sich die Verhältnisse durch den überdurchschnittlich hohen Personalabbau in den ostdeutschen Städten. Während auch in den Kreisfreien Städten der alten Länder die Personaldichte reduziert wurde (im Schnitt um 10 Prozent auf 28 Mitarbeiter je 1.000 Einwohner, gewichtet), liegen die Städte der neuen Länder in 2014 mit durchschnittlich 27 Mitarbeitern je 1.000 Einwohnern (gewichtet) nun auf einem ähnlichen Niveau.“
Dr. Ferdinand Schuster, Geschäftsführer des Institut für den öffentlichen Sektor e.V., meint zu diesem Befund: „Die relative Zahl der Verwaltungsmitarbeiter kann auch Auswirkungen auf die Qualität der Verwaltungsdienstleistungen haben. Durchschnittlich betrachtet reduziert sich zum Beispiel mit jedem zusätzlichen Mitarbeiter pro 1.000 Einwohner die Wartezeit auf einen Bürgeramtstermin um fast einen halben Tag. Demographische Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Personalsituation in Kommunen weiter angespannt bleiben wird.“
Und statt jetzt für realistischere Zahlen bei der Personalplanung zu plädieren, holt er die dicke Nachtigall aus der Tasche: „Um die Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltung langfristig aufrechtzuerhalten, werden sich Kommunen deshalb die Frage stellen müssen, wie sie neben der Personalgewinnung ihre internen Prozesse und Verwaltungsverfahren vereinfachen, digitalisieren und für ausgewählte Bereiche automatisieren – und so die Produktivität ihrer Mitarbeiter erhöhen können.“
Über das Wort „Produktivität“ werden sich die Mitarbeiter bestimmt freuen.
Die Studie formuliert auch Handlungsempfehlungen, die sich an Bund, Länder und die Kommunen selbst richten, teilt KPMG noch mit.
Zwei beziehen sich auf die mögliche Digitalisierung:
– Bund und Länder sollten einen rechtlichen Rahmen schaffen, der den Kommunen den Handlungsspielraum für die Digitalisierung und Vereinfachung von Prozessen deutlich aufzeigt.
– Kommunen benötigen eine ausreichend große finanzielle Ausstattung, die Investitionen in eine digitale (Verwaltungs-)Infrastruktur überhaupt erst ermöglicht. Kooperationen mit anderen Kommunen, aber auch mit privaten Unternehmen, können hilfreich sein, um auch in kleineren Gebietskörperschaften Struktur- und Prozessumstellungen zu realisieren.
Eine geht aber auch auf das Grundproblem ein, denn um die Sicherung des eigenen Personals müssen sie sich selbst kümmern:
– Es sollte verstärkt in die Aus- und Weiterbildung des eigenen Verwaltungspersonals investiert werden. Die Führungskräfteentwicklung muss ausgebaut werden.
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