Es kommt ja in den üblichen Kaffeesatzlesereien einiger Wirtschaftsweiser nicht mehr vor, welche Rolle eigentlich das verfügbare Geld in den Börsen der Menschen für wirtschaftlichen Aufschwung spielt. In Leipzig bremst das jetzt nämlich das Wachstum. Und zwar auf den wichtigsten Gebieten. Zuallererst beim Wohnungsbau.
Schon 2016 hatte sich OBM Burkhard Jung alarmiert gezeigt, als er die neuen Bevölkerungsprognosen der Statistiker auf den Tisch bekam. Denn die 720.000 Einwohner im Jahr 2030 würden eben jedes Jahr 10.000 Leipziger mehr bedeuten. So im Schnitt. Was rechnerisch ungefähr 3.000 neuen Wohnungen pro Jahr entspricht. Die eigentlich jetzt gebaut werden müssten. Denn auch 2017 wird Leipzig wieder über 10.000 Einwohner mehr dazu gewinnen. Aber der Neubau von Wohnungen klebt seit 2002 im Keller. In den 1990er Jahren wurden noch wie wild neue Wohnungen gebaut. Über 6.000 allein im Jahr 1997 – dem eigentlichen Tiefpunkt der Leipziger Bevölkerungsentwicklung.
Dann liefen die ganzen Abschreibungsmodelle aus, die Nachfrage brach ein – ganze neu erschlossene Wohnungsbaugebiete blieben unbebaut liegen. Zeitweise fiel die Zahl der jährlich neu fertiggestellten Wohnungen auf gerade noch 500 Stück in den Jahren 2007 und 2011 – so zeigt es die große Grafik in Peter Dütthorns Beitrag „Leipzig wächst“. Drumherum die Jahre von 2002 bis 2016, in denen der Neubau konsequent unter der Zahl 1.000 Wohnungen blieb.
Die Einwohnerzahl marschiert straff Richtung 600.000 (November 2017: 590.293), die Zahl der Wohnungen aber wuchs und wächste weiterhin nur minimal. Knapp schrammte die Zahl der neuen Wohnungen 2015 mal die 1.000er Marke (999). 2016 sind dann wieder nur 915 Wohnungen neu auf den Markt gekommen.
Burkhard Jung hat durchaus Recht, zutiefst besorgt zu sein. Denn um den Bevölkerungszuwachs aufzufangen, braucht Leipzig spätestens jetzt die 3.000 zusätzlichen Wohnungen wirklich jedes Jahr. Der Wohnungsleerstand liegt längst unter 3 Prozent, geschätzt bei maximal 6.000 Wohnungen, die noch frei verfügbar sind, wenn jemand umziehen möchte. Und etliches davon wird für viele Umzugswillige nicht bezahlbar sein.
Nur ein Teil der Leipziger kann sich die neuen „Normalmieten“ von 10 Euro je Quadratmeter leisten. Die meisten kommen mit Quadratmetermieten um die 5 Euro gerade so hin. Und blättern dabei trotzdem 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens hin. Das bremst ganz automatisch den Wohnungsbau. Denn was gebaut wird, befriedigt nur die Nachfrage nach höherpreisigen Wohnungen. Was die Leipziger mit niedrigen Einkommen suchen, lässt sich ohne Förderung für sozialen Wohnungsbau nicht bauen. Der aber geht erst 2018 wieder los. Dann – so Burkhard Jung – werde Leipzig die zugestandene Landesförderung von 20 Millionen Euro voll ausschöpfen.
Erster Effekt: Der Leipziger Wohnungsbau könnte sich möglicherweise tatsächlich in dem notwendigen Bereich von 3.000 Wohnungen pro Jahr stabilisieren. Noch liegen keine Zahlen für Wohnungsfertigstellungen im Jahr 2017 vor. Wahrscheinlich werden die noch alle gezählt.
Aber 2016 wurden Baugenehmigungen für 3.204 Wohnungen ausgereicht. Ein Teil dieser Wohnungen sollte 2017 und 2018 zum Bezug fertig sein. 2.202 Wohnungen wurden allein im Neubau beantragt und genehmigt. 2017 wurden bislang ebenfalls über 2.000 neue Wohnungen im Neubau genehmigt. Und da sind noch lange nicht die großen Baugebiete am Bayerischen Bahnhof und am Eutritzscher Freiladebahnhof dabei. Von der Genehmigungsseite her kommt Leipzig also in die Nähe dessen, was der OBM an Bedarf ausgerechnet hat.
Freilich wird nur ein kleiner Teil auch relativ niedrige Mieten haben. Auch die LWB planen nur ein Drittel der neu zu bauenden Wohnungen im Bereich sozialer Wohnungsbau. Vielleicht passt der Rückgang der Baugenehmigungen ab Sommer 2017 dazu: Die Bauträger rechnen und kalkulieren. Und wenn die Nachfrage für die höheren Mieten, die man im normalen Wohnungsbau heute braucht, nicht da ist, stockt die Entwicklung. Da hilft dann auch nicht die Erwartung der Stadt, allein der Zubau an Wohnungen würde dann den Bedarf auch für die niedrigeren Mietwünsche decken.
Augenscheinlich halten sich Investoren lieber zurück, wenn das Baupreisniveau nicht zu den durchschnittlichen Einkommen passt.
Und wahrscheinlich ist auch der Gedanke falsch, man käme mit einem Drittel Sozialwohnungen zurecht, gerade wenn selbst Burkhard Jung sagt, dass Leipzig eigentlich mindestens 40 Millionen Euro Förderung für Sozialwohnraum brauche, nicht nur die jämmerlichen 20 Millionen, die es tatsächlich gibt. Das ist dann wieder Sachsen in Reinkultur: Dort, wo man selbst aus wirtschaftlichen Wachstumserwartungen klotzen und preiswerten Wohnraum aus dem Boden stampfen müsste, wird gekleckert und geknausert. Vielleicht ändert sich das mit dem neuen Finanzminister. Noch schaut alles mit berechtigter Skepsis nach Dresden. Aber wenn es nicht wirklich sehr bald ein Feuerwerk beim sozial abgefederten Wohnungsbau gibt, hat Leipzig ein Problem.
Zumindest haben das Problem dann all die Menschen, die in Leipzig Wohnung und Arbeit suchen. Und der Leipziger Arbeitsmarkt wächst weiter.
Auch dazu gibt es einen Beitrag im neuen Quartalsbericht.
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