Wir haben Anfang September sehr genau zugehört, als Leipzigs OBM Burkhard Jung nach dem erschreckenden Überfall auf eine Joggerin im Rosental den sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) massiv für dessen Personalpolitik kritisierte. Wogegen sich Ulbig in bekannter Weise mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Leipzig herausredete, ohne Jungs Vorwurf entkräften zu können, dass in Leipzig 200 Polizisten fehlen.
Denn wenn dauerhaft Polizisten im Vollzugsdienst fehlen, dann gibt es weniger Kontrollen, weniger Streifen, weniger Polizeipräsenz im Stadtgebiet. „Oder haben sie in letzter Zeit mal Polizisten auf Streife gesehen“, fragte Jung am 5. September mit einigem Nachdruck. „Polizisten, die wirklich einfach nur zu Fuß Streife laufen und nicht auf dem Weg zu einem Einsatz sind?“
Man merkte ihm auch an, wie ihn die immer neue CDU-Forderung nervte, die Stadt solle ihren Ordnungsdienst zur (richtigen) Polizeibehörde aufwerten, mit Hunden und Schlagstöcken ausstatten und damit quasi die Polizei unterstützen. Immerhin hat Leipzig gerade die Aufstockung des Ordnungsdienstes um 20 Stellen beschlossen.
Aber was helfen 20 Ordnungsamtsmitarbeiter, wenn 200 Polizisten fehlen?
Die Rechnung geht einfach nicht auf.
Und diese 200 Polizisten fehlen nicht nur hypothetisch. Das belegt die neueste Nachfrage des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Enrico Stange, zur „Soll -/Ist -Besetzung der Polizeidienststellen“.
Soll-Besetzung ist das, was an Personal in den Polizeidienststellen eigentlich vorhanden sein müsste, wenn der Innenminister seine eigenen Zahlen ernst nimmt und entsprechend auch genügend Polizisten ausbilden lässt. Was er aber nicht getan hat. Erst ab dem Jahr 2020 werden so langsam die Lücken geschlossen, die Markus Ulbig mit seiner „Polizeireform 2020“ erst hat aufreißen lassen.
Zum Stichtag 1. Oktober hätten in der Polizeidirektion Leipzig 2.613 Vollzugsbeamte ihren Dienst tun müssen. Das wäre das Soll gewesen.
Tatsächlich verfügte Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz zu diesem Zeitpunkt aber nur über 2.495 Vollzugsbeamte, also 118 weniger, als offiziell Dienst hätten tun sollen. Und da hat Leipzig sogar im Frühjahr schon einen Schwung junger Polizisten bekommen, die wenigstens dafür gesorgt haben, dass das offizielle Loch nicht mehr 200 beträgt, sondern 164, denn auch in der Leipziger Polizeiverwaltung sind 46 Stellen nicht besetzt.
Leipzig gehört damit – neben dem Landeskriminalamt – zu den Polizeidienststellen, wo der zuständige Innenminister besonders große Löcher in der Personalbesetzung hat aufreißen lassen. Der Zorn des OBM war also berechtigt und verständlich. Gerade vor dem Hintergrund, dass Leipzig sachsenweit die höchste Kriminalitätsbelastung aufzuweisen hat, was zum Teil mit der hohen Armutsquote, noch mehr aber mit der zentralen Lage als Messestadt zu tun hat.
Es wird noch Jahre dauern, bis Leipzig die Sollstärke erreicht. Wobei noch völlig offen ist, ob das auch tatsächlich die notwendige Polizeiausstattung für eine Stadt mit dieser Gemengelage ist. Dafür fehlt freilich noch die belastbare Strukturerhebung, die sich Sachsens Regierung ja bekanntlich in allen Politikbereichen gespart hat. Man wollte den tatsächlichen Personalbedarf gar nicht wissen. Ergebnis ist eine Landesverwaltung, die viele Aufgaben einfach nicht mehr erfüllen kann und nicht mehr absichert nach dem Motto: „Keine Leute, keine Leute!“
Die neue LZ Nr. 48 ist da: Zwischen Weiterso, Mut zum Wolf und der Frage nach der Zukunft der Demokratie
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