Für Freikäufer1989, da gab es in Leipzig so einen Moment des Alles-ist-möglich. Als eine ganze erstarrte Gesellschaft in Bewegung kam und eine Revolution friedlich ins Rollen. Seit 2009 wird das in Leipzig mit dem Lichtfest am 9. Oktober gefeiert. Bei dem aber die Verwaltung noch nicht so recht weiß, ob es dauerhaft trägt. Denn mittlerweile fragt sie in jeder Bürgerumfrage nach, wie die Leipziger dazu stehen.
Ist es überhaupt ihr Fest oder doch wieder nur ein touristisches Gimmick, mit dem man Gäste in die Museumsstadt der Friedlichen Revolution lockt? Eigentlich sollte doch gerade der 9. Oktober ein Fest der Leipziger sein.
Aber erstaunlicherweise waren 51 Prozent der Leipziger noch nie auf einem Lichtfest, kennen es also bestenfalls aus der Medienberichterstattung. Oder gar nicht. 11 Prozent können mit dem Begriff nichts anfangen.
Immerhin schwingt da die ganze Zeit auch der Gedanke mit: Der 9. Oktober ist ja in Leipzig ganz offizieller Feiertag (was übrigens nur 55 Prozent der Leipziger wissen). Zwar nicht so einer wie Christi Himmelsfahrt, wo alle mit Blümchen am Hut ins Grüne ziehen. Aber da sollte doch das Lichtfest am Abend irgendwie so etwas sein wie ein Volksfest. Aber 2016 zog es nur 7 Prozent der Leipziger auf den Augustusplatz. Der wirklich harte Kern der Leipziger, die wirklich jedes Jahr hingehen, ist nur 4 Prozent stark.
Also wird es doch nicht wirklich als Volksfest betrachtet. Was natürlich auch eine Rolle spielt bei der Gestaltung dieses Festes – es soll ja nicht dieselbe Soße sein wie das übliche Marktfest- und Stadtfest-Treiben mit Rösterbude und Bierausschank.
Die meisten, die sich eine Meinung zum 9. Oktober gebildet haben, finden das Programm rund um diesen Tag gut. Vielleicht kann man die Zahl so auch aufs Lichtfest selbst beziehen.
Wobei dieses Fest eher nicht das Fest derer ist, die 1989 in Leipzig dabei waren oder damals hier lebten. Ein ganz interessanter Aspekt an dieser Umfrage: Von denen haben 2016 nur 5 Prozent den Weg auf den Augustusplatz gefunden. Viel attraktiver ist die Veranstaltung für Leipziger, die 1989 noch im Westen gelebt haben. Von denen nahmen 11 Prozent teil.
Und besonders die jungen, nach 1989 geborenen Generationen sind neugierig: Von ihnen gingen 2016 immerhin 16 Prozent los, um ein wenig von dieser alten Geschichte zu schnuppern, die ja auch schon dabei ist, zur Legende zu gerinnen.
Friedliche Revolution, Montagsdemo, Freiheit, Wende, das sind die Begriffe, die die meisten Leipziger mit dem 9. Oktober 1989 in Verbindung bringen mit Nennungen zwischen 10 und 15 Prozent.
4 Prozent verwechseln es tatsächlich noch mit dem Mauerfall am 9. November.
Aber 5 Prozent sprechen auch von „Verschlechterung, Angst, Enttäuschung“ – wobei das eindeutig eine falsche Mischung ist. Denn Angst hatten am 9. Oktober 1989 viele – auch viele Demonstranten. Die gehört als Urgrund einfach dazu, wenn man überhaupt die Erleichterung begreifen will, die nach dem Erfolg dieser Demonstration bei Vielen aufkam. Der Herbst ‘89 wäre anders verlaufen, wenn die Staatsmacht in Leipzig ihre Sicherheitskräfte eingesetzt hätte – wesentlich unfriedlicher, gefährlicher und militanter.
Den Aspekt bringen gerade die dokumentarischen Beiträge zum Lichtfest immer wieder auch auf die Leinwand. Im Grunde ist es der elementarste Teil dieses Tages: Dass an die 100.000 Menschen ihre Angst verloren und friedlich auf die Straße gingen, während die Sicherheitskräfte ringsum in Bereitschaft standen. Die Botschaft wird oft vergessen: Erst wenn Menschen gemeinsam ihre Angst überwinden, sind Veränderungen erstarrter Zustände möglich.
Das Lichtfest zeigt das zwar – aber manchmal hat man auch wieder das Gefühl, dass diese Botschaft verloren zu gehen droht, dass wieder jene Entmutiger das Sagen haben, die in ihrer Politik vermitteln, dass „es sich doch nicht lohnt“ und dass bürgerliche Courage unerwünscht ist. Die sich quasi die Revolution 1989 überziehen und sich für Revolutionäre ausgeben, obwohl sie wieder nur ihre Pfründen und den Stillstand verteidigen.
Denn gesellschaftliches Engagement ist unbequem. Und es braucht diesen Schritt hinaus ins Unbeschützte. Aber wie oben gesagt: 51 Prozent der Leipziger können dazu nichts sagen. Sie waren noch nie auf einem Lichtfest.
Und von denen, die schon mal da waren, ist zumindest ein Drittel skeptisch und findet das Veranstaltungsangebot zum 9. Oktober nicht gut. Am besten gefällt es mit 90 Prozent noch den jungen, nach 1989 geborenen Leipzigern.
Vielleicht sollte aber gerade das auch zu Denken geben. Denn eine gut inszenierte Geschichtsstunde ist durchaus etwas Gutes – aber irgendetwas scheint da doch noch zu fehlen, wenn ein Drittel der Älteren, die das Programm kennen, unzufrieden ist.
Die Statistiker haben lieber das Positive aus den Zahlen gezogen und finden zwei Drittel, die die Veranstaltungen als „gut“ bis „sehr gut“ bewerten.
Heißt das nun „Weiter so“?
Oder braucht es weitere Ideen für diesen Feiertag, der freilich kein freier Tag ist, wenn er nicht zufällig aufs Wochenende fällt?
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