In Sachen „Ausländer“ waren die beiden Jahre 2015 und 2016 auch ein Härtetest für die Stadt Leipzig. Denn mit der verstärkten Aufnahme von Flüchtlingen vor allem aus Syrien und Irak musste auch die Leipziger Stadtgesellschaft beweisen, ob sie tatsächlich so weltoffen ist, wie sie gern gepriesen wurde. Denn jetzt kamen auch Leipziger mit AusländerInnen in Kontakt, die vorher selig in ihrer Abgeschiedenheit die Blumen gossen.
Auf einmal tauchten sie nämlich vermehrt in der Nachbarschaft auf, im Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz. Man musste sich damit auseinandersetzen, dass man auf einmal mit Menschen zu tun hatte, die nicht ins gewohnte Bild passten. Man hätte eigentlich sogar regelrechte Abstürze in den Sympathiewerten erwarten können, so wie 2015 der Problemwert beim „Zusammenleben mit Ausländern“ von 5 auf 24 Prozent geradezu explodierte.
Aber die skeptischen Nachfragen der Journalisten waren wohl berechtigt. Was die Menschenfeinde unter einem Problem „Zusammenleben mit Ausländern“ verstehen, ist etwas völlig anderes, als was Menschenfreunde dabei beobachten – nämlich: Dass es augenscheinlich Grantler und Rassisten gibt, für die ein Zusammenleben mit Ausländern ein Problem ist.
Deswegen nahmen Leipzigs Statistiker diesen Problempunkt 2016 auseinander. Und siehe da: Nur 14 Prozent gab es jetzt noch als Problem „Zusammenleben mit Ausländern“. Das ist zwar mehr als 2011, als an die großen Flüchtlingstrecks aus dem Krieg in Nahost noch gar nicht zu denken war. Es ist aber auch deutlich weniger als beim neuen Problem-Begriff „Menschenfeindlichkeit“: 18 Prozent.
Der uns jetzt wohl viele Jahre begleiten wird. Denn nichts anderes steckt hinter all den Begriffen von Rassismus, Homophobie bis Chauvinismus, als ausgesprochene Menschenfeindlichkeit. Die dieser Tage gerade in den westlichen Staaten regelrecht hoffähig geworden ist, weil selbst die Spitzenkandidaten großer Parteien mit Hass, Verachtung und Häme über andere Menschen ihre Wahlkämpfe bestreiten. Sie suchen keine Lösung mehr, sondern suchen ihre Überlegenheitsgefühle in der Verächtlichmachung anderer Menschen. Nicht nur der Migranten, Ausländer, Flüchtlinge – egal, wie man es nennt: Das sind alles Zuschreibungen, die das Grundproblem verbergen. Nämlich dass es zuallererst Menschen sind. Ganz normale Menschen. Die auch deshalb nach Deutschland kommen, weil es ihnen aus der Ferne wie ein sicherer Hafen erscheint, ein Land, in dem man nicht gleich umgebracht wird, wenn man der falschen Partei angehört, die falsche Religion hat oder das falsche Liebesleben.
Manchmal muss man ja auch betonen, dass Deutschland derzeit so ein Land ist. Die Menschenfeinde nehmen das oft nicht mehr wahr. Aus verschiedenen Gründen. Sie gehören auch nicht alle in denselben Haufen. Was die Leipziger Umfragen übrigens auch deutlich machen. Denn gerade dann, wenn Fremdes in unserem Leben auftaucht, wird deutlich, wie viel Toleranz wir haben, wie viel wir verkraften. Oder auch nicht.
Denn wir haben zwar eine weltoffene Gesellschaft. Aber sie ist dennoch von Ausgrenzung bestimmt. Auch die hier Lebenden sind nicht alle frei in ihrem Tun und Lassen. Und gerade die Arbeitslosen empfinden solche zusätzlichen Herausforderungen als Überlastung. Sie haben in der Umfrage die negativste Einstellung zu Migranten, gefolgt von Rentnern und Pensionären.
Was nicht heißt, dass sie alle ausländerfeindlich sind. Der größere Teil ordnet sich lieber im grauen Feld „teils/teils“ ein.
Die positivste Einstellung zu Menschen mit Migrationshintergrund haben (gar nicht zufällig) Schüler und Studenten. Denn sie begegnen ihnen im täglichen Leben. Da wird es nämlich spannend in dieser Stadt Leipzig: Das Ausländersein hört mehr und mehr auf, ein außergewöhnlicher Zustand zu sein. Je mehr die Stadt wächst, umso mehr wird auch im Alltag sichtbar, dass ihre Bewohner aus aller Welt kommen. In Kindertagesstätten und Schulen ist es längst die Norm. Es gibt gar keinen Weg mehr zurück in etwas, was einige Leute vielleicht eine „homogene Bevölkerung“ nennen würden.
Aber die „Bürgerumfrage 2016“ zeigt auch, dass die ganze Sache so nicht wirklich diskutiert wird. Was auch an der Art der Fragestellung liegt: Sie suggeriert immer noch, dass das „Ausländersein“ etwas Befremdendes ist, gar etwas Neues, das man vielleicht auch wieder abschaffen könnte. Oder das sich bitteschön so unsichtbar machen sollte, dass man damit nicht mehr konfrontiert wird.
Deswegen ist der Topos „Die Ausländer sollten ihren Lebensstil an den der Deutschen anpassen“ brandgefährlich. 54 Prozent der Befragten stimmten hier zu, weitere 37 Prozent zeigten sich indifferent.
Wie viel Arroganz steckt eigentlich in dieser Aussage? Und vor allem: Wie viel Trugschluss. Wer mir „den Lebensstil der Deutschen“ eindeutig beschreiben kann, bekommt ein Bienchen. Es gibt ihn nicht. Nur: Das untersucht so gut wie niemand. Weil es nicht mal Wissenschaftler interessiert, nicht mal Politikwissenschaftler, obwohl die konservativsten unter den konservativen Politikern allezeit versuchen, ihre „deutsche Leitkultur“ unters Volk zu bringen. Dabei unterscheiden sich die Lebensstile der meisten Deutschen deutlicher voneinander als von denen irgendwelcher Ausländer.
Und zur Wahrheit gehört auch: Viele von diesen Lebensstilen sind niveaulos, umweltfeindlich, chauvinistisch und stinklangweilig.
Ich würde niemandem raten, sich an solche Lebensstile anzupassen.
Im Grunde zeigt der Fragekanon, wie wenig selbst die Fragesteller über die Fragen nachgedacht haben. Sie sind selbst nicht über die Ausgrenzung hinausgekommen. Die steckt selbst in der Behauptung „Die in Leipzig lebenden Ausländer sind eine kulturelle Bereicherung für unsere Stadt.“
Die Aussage ist – ich betone es einfach mal – diskriminierend. Weil sie unterstellt, dass jeder, der aus der Fremde nach Leipzig kommt, diese Stadt irgendwie bereichern muss. Kulturell am besten. Aber wieso denn? Von Bayern, Niedersachsen oder Berlinern erwartet das doch auch niemand. Tatsächlich lenkt auch dieser Topos die Aufmerksamkeit auf die Andersartigkeit der Menschen, die nach Leipzig kommen.
Ganz in der Denkweise der Konservativen: Die haben ja eine fremde Kultur.
Deshalb korrespondiert diese scheinbar humanistische Frage mit dem Topos „Durch die vielen Ausländer in Leipzig fühlt man sich zunehmend als Fremder in seiner Stadt“. Dem stimmten 30 Prozent der Befragten nämlich zu, 7 Prozent mehr als 2014. Und weitere 22 Prozent äußerten sich solala. Und das, obwohl 62 Prozent der Leipziger die Kontakte zu Ausländern und Ausländerinnen als positiv bewerten? (Plus 31 Prozent, die „teils/teils“ ankreuzten)
Sind die Leipziger schizophren? Oder ist es das Frage-Tableau zum „Verhältnis von Deutschen und Ausländern“?
Es ist das Frage-Tableau. Was übrigens auch die Statistiker zugeben, denn genau diese Fragen verstärken die Abgrenzung von Gruppen, stellen eine Situation „Wir und die Anderen“ her, was – wie die Statistiker selbst feststellen – „die Grundlage für die Entstehung von Rassismus ist“. Gerade weil die sechs Topoi so konsequent ein (völlig fiktives) „Wir gegen die Anderen“, nämlich die Ausländer setzen, schafft es eine rassistische Grundstruktur, die die eigentlichen Verhältnisse völlig verstellt.
Was eigentlich 2015 mit dem Häuflein „Wir sind das Volk“-Rufern ziemlich deutlich geworden sein sollte. Es gibt dieses Wir nicht. Schon gar nicht „Wir, die Deutschen“. Es gibt keine kulturell homogene Aufnahmegesellschaft, die hier suggeriert wird.
Am Ende geben selbst die Statistiker, die den Bericht zur Bürgerumfrage geschrieben haben, zu, dass die meisten dieser Statements „schwer zu interpretieren“ sind. Was übrigens an ihrer Herkunft liegt, denn sie stammen – wie das Verbot einer politischen Betätigung für Ausländer – fast alle aus dem rechtsextremen Sprachgebrauch. Genau daher, wo mit der Fiktion eines großen, homogenen Wir („das Volk“) gearbeitet wird.
Und die Slogans sind allesamt wie Honigfallen konstruiert: Wer darauf antwortet, ist schon hineingetappt, hat sich dem rassistischen Denken untergeordnet. Und kommt auch nicht heraus, egal, ob er meint, die „Ausländer sollten sich dem Lebensstil der Deutschen anpassen“ oder nicht. Erst recht in einer Gesellschaft, in der jede Margarine-Marke predigt: Sei, wie du bist.
Aber natürlich kann man über Menschen aus dem Ausland nichts Gescheites sagen, wenn man nicht mal weiß, wie die eigene Gesellschaft ist, dieses schnodderige „Wir“, das einem permanent Leute unter die Nase reiben, mit denen man ganz bestimmt nicht auf einer einsamen Insel landen möchte.
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Es gibt 11 Kommentare
Vielleicht ist die Sicht einer Betroffenen nicht ganz uninteressant:
https://www.nzz.ch/feuilleton/ken-bugul-writer-in-residence-afrika-ueberlebt-dank-seinen-frauen-ld.1310368?mktcid=nled&mktcval=107_2017-8-15
Monika, seit wann? Ja, seit sie es nicht anders kennen? Weil zu Hause alle so angezogen sind, weil es Tradition ist? Weil sich diese Kleidung im Alltag und bei Feierlichkeiten in ihrer Heimat bewährt hat? Und nicht soo sehr den Modeänderungen unterliegt wie im großen restlichen Teil der Welt, weil durch den wegfallenden Modezwang auch ein Stück Sparsamkeit dabei ist? Weils ebenso einfach von jederfrau genäht werden kann wie ein indischer Sari (über den sich hier offenbar niemand aufregt, obwohl er wegen der Wickeltechnik wohl eher an Mumien erinnern müsste).
Und auch von mir der Appell an die Wortwahl! Wie eine Mumie läuft hier keiner rum. Mumien werden/wurden in Stoffbinden fest am Körper eingewickelt. Informationen dazu gibts im Internet reichlich.
Liebe Monika, sobald Ihre Wut verraucht ist fällt Ihnen vielleicht auf, dass ich Sie weder eine Rassistin genannt noch beschimpft hab (im Gegensatz zu Ihnen). Da ich Sie nicht kenne, kann ich nur Ihre Kommentare beurteilen. Und der vorletzte war nun einmal Rassismus in Reinform. Da kann man leider auch nichts schönreden, wer Menschen in gute und schlechte Ausländer teilt, handelt damit rassistisch. Sie mögen ein netter Mensch sein, Ihre letzten Kommentare waren es leider nicht. Und das ist das einzige, was ich beurteile. Im Gegensatz zu Ihnen neige ich nämlich nicht zur Verallgemeinerung und beurteile jeden Menschen und jede Handlung einzeln.
Sabine Eicker von Ihnen lasse ich mich nicht als Rassisten beschimpfen, sie können ja als Mumie rumrennen, wenn Sie wollen, aber beschimpfen muss ich mich noch lange nicht von Ihnen lassen! Demokratie ist, wenn man die Meinung anderer akzeptiert, das haben sie scheinbar nicht verstanden! Sie können ja so rumlaufen, mir gefällt das nicht und das gehört nicht zu unserer Kultur. Jetzt lasse ich Sie reden……ich antworte nicht mehr
Seit wann trägt eine Frau freiwillig Burka, Kathrin?
Mumien gibts doch rumlaufend nur im Kino.
Burka, Schleier, Kopftuch usw waren und sind die traditionelle Bekleidung der Wüstenbewohner. Und viele Orte dort sind nunmal von Wüste umgeben. Wenn diese Menschen in die Stadt ziehen, dann nehmen sie ihre Tradition und ichre Klamotten mit. Die Burka, das Kopftuch etc schützen die Frauen am Tag vor Hitze und Sonne, in der Nacht vor Kälte und immer vor den Sandstürmen. Wenn Männer Burnus tragen regt sich doch auch keiner auf?
Nur weil die Spreewälderinnen ihre in jahrelanger Arbeit hergestellte Festtracht nicht täglich tragen, sind sie als solche nicht “erkennbar”, gehört sie doch aber dennoch zu ihnen und sie bleiben auch Spreewälderinnen. Ob sie dort wohnen oder nicht.
Ich denke es hat eher wenig mit den Frauenrechten zu tun, so lange die Frauen freiwillig diese Kleidung tragen. Andere Länder, andere Sitten. Wo wir hier freizügig sind und zeigen was wir haben, halten sich Frauen in anderen Ländern eben eher bedeckt.
Wobei das mancher Einheimischen auch besser stehen würde 😉
DAS, liebe Monika, ist Rassismus pur.
Sabine Eicker, ich habs gewusst, habe so eine Reaktion erwartet! Ich habe mit Pegida nichts am Hut, aber man muss auch mal die Realität sehen, ich rede nicht von Griechen, Vietnamesen, Chinesen ……Ich sehe in Leipzig einige “Mumien” und das ohne Brille.
Ich habe hier noch nie eine “schwarzgewandete Mumie” gesehen, und was kurze Röcke mit Kultur zu tun haben, da komm ich jetzt beim besten Willen nicht drauf. Kann es sein, dass Sie nicht besonders viele “sog. Ausländer” (was sind eigentlich “sog. Ausländer?) kennen? Ich kann Ihnen versichern, dass meine Gleichberechtigung in über 40 Jahren inmitten von Ausländern kein Stück gelitten hat, es gab nicht einmal den Versuch, da etwas “zurückzudrehen” (und wer “soll” da überhaupt drehen wollen?).
Nicht dass Sie das jetzt als Shitstorm verstehen, aber das, was Sie da schreiben, ist genauso ein komischer Quatsch wie das Pegida-Gerede.
Und bevor Sie mich wieder zum aufwachen auffordern – ich bin hellwach, keine Sorge. Ich lebe weder in einer Blase noch hinterm Mond noch übersehe ich durchaus vorhandene Probleme. Probleme gibt es, keine Frage. Nur haben die nicht einmal Ansatzweise etwas mit dem zu tun, was Sie da schreiben.
Ich möchte trotzdem keine schwarzgewandeten Mumien mit verschleierten Gesichtern hier sehen und als deutsche Frau schief angesehen werde, wenn ich einen kurzen Rock trage. Das ist nicht meine Kultur. Auch wenn ich jetzt einen Shitstorm ernten werde, ist mir egal. Wir haben als Frauen um unsere Gleichberechtigung gekämpft und jetzt soll mit einigen sog. Ausländern alles zurückgedreht werden. Man muss schon sehr differenzieren, wer sich hier integriert ist willkommen und es gibt manche, die Deutsche (Ungläubige) verachten, die haben hier nichts zu suchen
Ich wundere mich als Dortmunderin auch immer wieder, worin einige so Probleme sehen. Wir wachsen hier sozusagen mitten hinein ins Multikulturelle, für uns ist das Normalität.
Als Leipziger wohnte ich temporär die letzten zwei Wochen in Stuttgart, und zwar in der Marienstraße. Das ist die Fortsetzung der Königsstraße.
Und wie der Name ahnen lässt: Diese Straße führt als (einzige) repräsentative Straße am Wilhelmsbau und am Königsbau und Königsplatz vorbei bis zum Hauptbahnhof, es ist die wichtigste Fußgängerzone der Stadt.
Wenn man da abends zwischen 19:00 Uhr und Mitternacht herumläuft, hat man vor allem jüngere Leute um sich, und gefühlt mehr als 50% davon verraten sich durch ihr Aussehen oder ihre Sprache als “Ausländer”. Und das Merkwürdige daran: Es passt!
Es passt zu Stuttgart, denn auch am Tage hat man es an der Supermarkt-Kasse, in der Apotheke (mit Kopftuch) oder als ÖPNV-Busfahrer mit Menschen zu tun, die erkennbar ausländische Wurzeln haben. Das passt zur Stadt.
Eine Freundin, die einige Jahre in Leipzig wohnte und dann nach Stuttgart umzog, sagte mir: “Hier fühle ich mich wohler.” Das hat mich als Leipziger geschmerzt. Aber klar, sie sieht nicht nur so aus wie “Made in China”, sie ist es auch.
Und andererseits: Das Erlebnis Stuttgart hat mich gelehrt, dass es gar kein Problem gibt, wenn niemand ein Problem macht…