Es gibt allerhand Institutionen und Unternehmen, die immer wieder eigene Statistiken herausgeben. Meist ganz im eigenen Sinne. Etwa wenn der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) meldet: „Leipzig ist Sachsens Hauptstadt der Rohrbrüche – Alle 30 Sekunden ein Leitungswasserschaden in Deutschland“. Als wenn Leipzig ein besonders marodes Leitungsnetz hätte. Hat es aber nicht.

Auch wenn der GDV ziemlich maßlos übertreibt. Erster Satz: „In keiner anderen Region in Sachsen platzen so häufig Rohre, lecken Armaturen oder laufen Heizboiler aus wie in Leipzig.“

Zweiter Satz: „Mit 78 liegt der Index für Leitungswasserschäden in der Innenstadt aber deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (100), wie aus Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervorgeht. Generell sind die Schadenindexwerte in Sachsen gering. Am wenigsten betroffen ist der Landkreis Bautzen: Hier liegt der Schadenindex bei 43 Prozent des Bundesdurchschnitts.“

Was alles Gründe hat. Die alarmierend roten Flecken auf der Karte liegen alle ausnahmslos im Westen der Republik. Auch Leipzig hat – im West-Ost-Vergleich – mittlerweile recht niedrige Werte erreicht. Was nicht nur – wie in der GDV-Statistik – die Wasserschäden in und an Gebäuden betrifft, sondern auch das große Wassernetz der Kommunalen Wasserwerke.

Jedes Jahr investieren die kommunalen Wasserwerke mittlerweile über 40 Millionen Euro, um das zum Teil über 100 Jahre alte Leitungssystem zu sanieren.

Im letzten Geschäftsbericht des Unternehmens liest man dazu: 44 Millionen Euro hat man 2016 ins Trink- und Abwassernetz investiert, davon 18 Millionen allein ins Trinkwassernetz. Und da widmet man sich seit geraumer Zeit extra den großen Hauptwasserleitungen. Sie bilden mit 40 Kilometer Länge das Hauptadernetz der Stadt Leipzig, die Rohre sind 30 Zentimeter stark. Und wo man bei einem Straßenbauprojekt die Chance hat, diese Rohre zu erneuern, macht man es auch – wie das aktuell in der Prager Straße passiert ist.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Rohrbrüchen – meist in Bereichen, wo die alten Leitungen noch nicht saniert wurden. Ganz auf Null wird man die Rohrbrüche nie bekommen. Es ist wie bei allen anderen technischen Anlagen in einer Großstadt ein kontinuierlicherer Sanierungs- und Erneuerungsprozess. Wenn man am einen Ende fertig ist, fängt man am anderen von vorn an. Das Problem war nur, dass dieser Erneuerungsprozess in der DDR-Zeit fast zum Erliegen gekommen war. Auch bei den Wasserleitungen im Gebäudebestand. Bis zuletzt waren meist noch die Rohre aus der Erbauungszeit der Häuser in Betrieb.

1990 gab es im ganzen Osten einen gewaltigen Sanierungsstau, der auch mit großen Kreditaufnahmen abgearbeitet werden musste. Das war dann freilich in ganz Ostdeutschland auch im Gebäudebestand so umfangreich, dass der Osten im Vergleich mit dem Westen heute das deutlich weniger störanfällige Netz hat.

Schadensindexkarte. Grafik: GDV
Schadensindexkarte. Grafik: GDV

Der Vergleich, den auch der GDV zieht, ist eindeutig: „Flächendeckend treten Leitungswasserschäden in Ostdeutschland seltener auf als in Westdeutschland. In keinem einzigen Landkreis in den neuen Ländern liegt der Schadenindex über 80. Der brandenburgische Landkreis Elbe-Elster weist mit 36 den niedrigsten Wert deutschlandweit auf. Mit Krefeld, Mannheim oder Karlsruhe verzeichnen dagegen viele westdeutsche Städte überdurchschnittlich oft Wasserschäden. Spitzenreiter ist Köln: In der Innen- und Südstadt ist der Index für Leitungswasserschäden mit 263 mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.“

Und eine Ursache für das starke Gefälle ist das unterschiedliche Alter der Leitungssysteme in Ost und West.

„In Ostdeutschland sind nach der Wiedervereinigung viele Gebäude saniert worden. Das ist ein Grund, warum die Schäden dort im Vergleich zum Westen seltener sind“, sagt Oliver Hauner, Leiter der Abteilung Sach- und Technische Versicherung beim GDV. Auch die Wasserqualität kann ein Faktor für häufige und teure Schäden sein.

Jährlich zählen die Gebäudeversicherer deutschlandweit inzwischen rund 1,1 Millionen Leitungswasserschäden – im Schnitt entsteht alle 30 Sekunden ein Leck. Die Kosten summierten sich 2015 auf 2,3 Milliarden Euro. Hinzu kamen 230 Millionen Euro Schäden in der Hausratversicherung. Zum Vergleich: 2005 betrugen die Leitungswasserschäden in der Gebäudeversicherung rund 1,6 Milliarden Euro.

Für die Statistik und die beigefügte Karte mit den Kreiswerten hat der Versicherungsverband seine eigenen Zahlen ausgewertet: Grundlage ist der Schadensatz: das Verhältnis des Schadenaufwandes zur Versicherungssumme. Für größere Städte berechneten die GDV-Statistiker den für Versicherer unverbindlichen Index mit Hilfe der Postleitzahl-Dreisteller noch feiner. Der Schadenindex schwankt selbst in Städten und zwischen benachbarten Kreisen zum Teil deutlich. Im rechtsrheinischen Köln liegt er beispielsweise mit 138 deutlich niedriger als im linksrheinischen Teil der Stadt.

Viele Schäden wären vermeidbar, wenn die Wasserleitungen regelmäßig gewartet würden, betont Hauner. Und das betrifft eben nicht nur die kommunalen Wasserwerke, sondern auch die Gebäudebesitzer. „Eigentlich müssten Hausbesitzer nach rund 30 Jahren ihr Rohrleitungssystem überprüfen, wenn nicht sogar bereits sanieren lassen.“

Je älter die Gebäude, desto häufiger sind Leitungswasserschäden. Doch viele Hausbesitzer schrecken wegen der hohen Kosten vor einer Sanierung zurück.

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