Die Eingriffe der sächsischen Staatsregierung ins Hochschulwesen des Freistaats haben Folgen. Ganz allmählich, aber unübersehbar. 2011 war es, da verkündete die damalige Hochschulministerin Sabine von Schorlemer, wie die Dozentenstellen an Sachsen Hochschulen rasiert werden sollten. Besonders heftig von Kürzungen betroffen: die Universität Leipzig. Das hat Folgen. Vor allem geistige.
Denn wenn man eine Universität zwingt, Dozentenstellen abzubauen, dann schaut die Uni-Leitung natürlich da hin, wo es irgendwie „am wenigsten“ wehtut.
Was eh schon heillos ist, denn der Fächerkanon an Universitäten ist ja nicht entstanden, weil irgendjemand eifrig lauter Blütenfächer erfunden hat. Es gab immer einen Bedarf für die Ausbildung. Manche Fächer sind gigantisch gewachsen, andere sind klein geblieben, haben aber dennoch in der Fachwelt einen guten Ruf, weil man zwar keine Heerscharen von Experten braucht, aber dennoch ein paar gut ausgebildete Nachwuchskräfte.
Einige dieser „Exoten-Fächer“ sind bei den Kürzungsplänen der Universität unter die Räder gekommen, wurden eingedampft oder mussten fusionieren.
Der neue Quartalsbericht Nr. I/2017 aus dem Amt für Statistik und Wahlen der Stadt zeigt jetzt, wie sich die Gewichte verschoben haben.
Die erste Meldung lautet natürlich: Die Studierendenzahlen in Leipzig sind wieder gestiegen – um 1,7 Prozent auf 37.878. Auch an der Uni Leipzig sind sie gestiegen – um 1,2 Prozent auf 28.004.
Womit alle Zahlen, mit denen Sabine von Schorlemer 2011 operierte, mal wieder Makulatur sind. Wie so ziemlich alles, womit die CDU/FDP-Regierung damals operierte und drauflos kürzte, dass die betroffenen Institutionen aufschrien. Die Studienanfängerzahlen gingen einfach nicht zurück. Die Hochschulen bekamen weiterhin mehr Bewerbungen, als sie an Anfängern aufnehmen konnten. Viele Studienfächer führten den Numerus clausus ein – auch an der Uni Leipzig.
Denn in Wirklichkeit haben Hochschulen ein Instrument, die Studierenden zu dirigieren. Auch wenn es kein schönes ist.
Schon längst ist absehbar, dass die Studierendenzahlen bis mindestens 2020 nicht zurückgehen werden, wahrscheinlich sogar bis 2025 nicht. Die Kürzungen schnitten also ins lebende Fleisch.
Die Hochschulen schafften also allerlei „exotische“ Fächer ab. Was aus politischer Warte dann als neue Profilierung verkauft wurde. In Wirklichkeit ist es das mittlerweile deutschlandweit herrschende Tonnagedenken: Man lenkt die Studierenden in Studiengänge um, die derzeit am Markt gerade stark nachgefragt werden, wofür auch Unternehmen bereit sind, sogar Geld auszugeben – indem sie zum Beispiel Lehrstühle finanzieren. Dass das selten bis nie unabhängige Lehrstühle sind, die unabhängig von den Interessen einer bestimmten Branche lehren und forschen, liegt auf der Hand. Manche nennen das Praxisnähe.
Was man ja von den Hochschulen mittlerweile erwartet. Man begreift sie nicht mehr als Kosmos zur Ausbildung unabhängiger Geister, sondern als Lieferanten für den Wirtschaftsbedarf.
Und das hat vor allem den einst starken und dominierenden Bereich der Geisteswissenschaften an der Uni Leipzig dezimiert. Hier ging die Studierendenzahl gegenüber dem Vorjahr gleich einmal um 11,5 Prozent auf 8.030 zurück.
Deutliches Zeichen dafür, dass gerade Geisteswissenschaften heute als „nicht für die Praxis geeignet“ betrachtet werden.
Eine Gesellschaft, die keine Geisteswissenschaftler mehr zu brauchen glaubt?
Das kann gewaltig in die Hose gehen.
Auch die Uni Leipzig schneidet sich damit ins eigene Fleisch. Denn gerade die Geisteswissenschaften machten bislang einen wesentlichen Teil des internationalen Rufes der Leipziger Universität aus. Jeder achte Studierende in den Geisteswissenschaften kommt aus dem Ausland. Binnen eines Jahres ist hier die Zahl der ausländischen Studierenden um 11,7 Prozent zurückgegangen.
Die Universität Leipzig hat also gerade im Bereich der Geisteswissenschaften an internationaler Ausstrahlung verloren. Die Studienwilligen aus dem Ausland gehen anderswo hin. Nicht mehr nach Leipzig. Da erodiert etwas. Auch ein guter Ruf.
Dafür wurden andere Studienfächer massiv ausgebaut, weil augenscheinlich „der Markt“ hier Nachfrage generiert: Das betrifft vor allem Jura, Wirtschaft und Sozialwissenschaften.
Hinter dem deutlichen Zuwachs an Studierenden an Leipzigs Hochschulen, steckt also auch eine zunehmende Dienstbarmachung der Hochschulausbildung für die Wirtschaft.
Von diesem Trend profitieren dann auch praxisnahe Hochschulen wie die HHL (+ 4,4 Prozent) oder die Hochschule für Telekommunikation (+ 15,9 Prozent).
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