Fritz Kuhn, Oberbรผrgermeister von Stuttgart, muss sehr deutlich geworden sein, als am 25. April das Prรคsidium des Deutschen Stรคdtetages in Leipzig tagte und hinterher die Forderung formulierte, man wolle unbedingt die Blaue Plakette haben, um bei Fahrverboten in den schadstoffbelasteten Stรคdten รผberhaupt noch steuern zu kรถnnen. Selbst Leipzigs OBM Burkhard Jung wirkte da recht kleinlaut. Denn Leipzig geht es nicht besser als Stuttgart.

Auch in Leipzig drohen ab 2018 Fahrverbote, wenn es die Stadt nicht hinbekommt, die Schadstoffbelastung drastisch zu senken. Die Umweltzone reicht nicht. Das ist allen Beteiligten lรคngst klar. Sie hat zwar das Lkw-Aufkommen, das zuvor durch Leipzig rollte, minimiert und damit vor allem die Feinstaubbelastung etwas gesenkt.

Aber eine ZielgrรถรŸe, die ab 2018 einklagbar ist, bekommt Leipzig nicht in Griff: die Belastung der Luft mit Stickoxiden.

Dass dabei die Trickserei der groรŸen Autokonzerne ausgerechnet bei Dieselkraftfahrzeugen eine Rolle spielt, ist den Oberbรผrgermeistern zwar bewusst. Aber die EU in ihrer bรผrokratischen Weisheit macht nicht die Autohersteller fรผr das Problem verantwortlich, sondern die Staaten. Die die Verantwortung dann in der Regel nach unten durchreichen. In Sachsen bis auf Ebene der Kommunen: Macht mal!

Aber was kรถnnen Kommunen machen, wenn selbst die neuesten Diesel-Generationen zwar eine dicke Grรผne Plakette bekommen, aber genauso Umweltschadstoffe ausstoรŸen wie die Vorgรคnger?

Nach VW, Audi und anderen ist nun auch Porsche aufgeflogen, wie โ€žDer Spiegelโ€œ berichtete. Mit dem groรŸen SUV Porsche Cayenne, der auch in Leipzig produziert wird.

Autostรคdte wie Stuttgart und Leipzig haben also auch noch ein zusรคtzliches Dilemma: Die einen mรถchte man nicht verprellen, weil sie so wichtige Arbeitsplรคtze bieten, aber die Strafandrohungen der EU kann man auch nicht vom Tisch wischen.

Und da kommt was auf Leipzig zu. Denn die Belastungen der Luft mit Stickoxid steigen sogar wieder an, wie der jรผngste Quartalsbericht der Stadt zeigt: Von November bis Mรคrz wurden durchgรคngig  Monatsmittel von รผber 40 Mikrogramm je Kubikmeter ermittelt, im Januar lag dieser Wert sogar bei 49,73.

Nur zum Vergleich: Das maximale Jahresmittel darf 40 Mikrogramm nicht รผberschreiten.

Und kurz nach Einfรผhrung der Umweltzone sah es auch fast so aus, als kรถnnte Leipzig den Wert auf 35 oder 30 drรผcken.

Aber in den letzen beiden Jahren hat sich der Trend umgekehrt.

Als wenn der ganze Dieselskandal die Beteiligten erst recht dazu ermuntert hรคtte, die Schadstoffwerte in die Hรถhe zu treiben. Was fรผr die beteiligen Autobauer zumindest recht peinlich ist. Denn augenscheinlich wurde auch nach Auffliegen des VW-Abgas-Tricks von Anderen munter weiter drauflos getrickst.

Und das Erstaunliche ist: Die Leipziger scheinen von diesem Skandal, der ja direkt ihre eigene Wohnqualitรคt betrifft, รผberhaupt nicht zum Umdenken bewegt worden zu sein. Sie haben noch viel mehr Dieselautos gekauft als in den Vorjahren. Haben sie tatsรคchlich den Versprechungen der Autobauer geglaubt, dass das Problem nun behoben sei? Und die Nachrichten aus der Autowelt besagen ja derzeit, dass auch ein Wechsel der aufgespielten Software das Problem nicht gelรถst hat. Die Motoren spucken Schadstoffe weit รผber den Grenzwerten fรผr die Grรผne Plakette aus. Bei Dieselfahrzeugen ist diese โ€žUmweltplaketteโ€œ augenscheinlich eine Tรคuschung.

Von 21,2 Prozent Anteil an allen Pkw nahm der Anteil der Diesel-Pkw in Leipzig seit 2012 auf 25,5 Prozent zu.

In Zahlen: Rollten 2012, im Jahr nach Einfรผhrung der Umweltzone, noch 42.954 Diesel-Pkw durch Leipzig, so waren es 2016 schon 56.107. Eigentlich sogar mehr, denn 15 bis 20 Prozent der in Leipzig stehenden Pkw tragen ja kein Leipziger Kennzeichen, so dass sie im Kraftfahrt-Bundesamt nicht als Leipziger Kfz ausgewiesen sind.

Aber schon diese Zahlen zeigen, dass die Leipziger selbst ein Erhebliches dazu beigetragen haben, die Stickoxidbelastung in Leipzig zu steigern. Trotz aller Nachrichten รผber den Abgasskandal.

Statt die Chance zu nutzen, auf die nicht ganz so umweltschรคdlichen Benziner oder gar sparsameren Autos mit weniger Hubraum umzusteigen, haben sie weiter den Diesel-Verkehr wachsen lassen. Was 2018 einige fatale Folgen haben kann fรผr die Leipziger. Von Klagen einzelner Anlieger, wie jรผngst in der HarkortstraรŸe, die dazu fรผhren, dass einige wichtige Trassen fรผr immer mehr Fahrzeuge verboten sind, รผber Strafzahlungen der EU bis hin zu generellen Fahrverboten fรผr Dieselfahrzeuge. So, wie es Fritz Kuhn fรผr Stuttgart schon angekรผndigt hat. Denn andere Instrumente bleiben den Stรคdten nicht mehr, die von der Bundesregierung bei diesem Problem nun schon mehrfach im Stich gelassen wurden.

Da nutzt es sichtlich รผberhaupt nichts, wenn die Statistiker dann auch noch ausrechnen, dass der Anteil der Pkw mit grรผner Plakette so schรถn gestiegen ist โ€“ von 79,5 Prozent im Jahr 2012 auf 89,4 Prozent. Denn sichtlich ist die Plakette ein trรผgerisches Zeichen fรผr etwas, was das beklebte Diesel-Fahrzeug wohl nicht halten kann.

Und da beruhigt auch nicht die Karte, die Lars Kreymann zu seinem Beitrag im Quartalsbericht gefรผgt hat, die die Pkw-Verteilung im Stadtgebiet zeigt. Den hรถchsten Pkw-Besatz gibt es danach im dunklen Randgรผrtel der Stadt mit รผber 550 Fahrzeugen pro Einwohner, den niedrigsten im Stadtzentrum mit unter 300.

Denn die Autobesitzer am Stadtrand fahren ja mit ihren Pkw in der Regel rein in die Stadt und sorgen fรผr regen Verkehr in den engen StraรŸen, wo sich die Luftschadstoffe auch noch verdichten. Was man aber nicht messtechnisch nachvollziehen kann, denn in der Lรผtzner StraรŸe werden keine Stickoxidmessungen ausgewiesen. Die erhรถhten Werte stammen alle von der Messstation Mitte am Halleschen Tor.

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Es gibt 2 Kommentare

Nachtrag zu meinem Kommentar:

Der letzte Jahresbericht zur Evaluierung des LRP ist von 2014! Darin finden sich zu recht belobte durchgefรผhrte MaรŸnahmen, aber auch noch offene bis gar nicht durchgefรผhrte Vorschlรคge. Der LRP ist ein Muss (gemรครŸ BImSchG) โ€“ kein Entgegenkommen der Stadt an ihre Bรผrger!

Wie ist der Stand der bereits lรคnger andauernden Fortschreibung des LRP von 2009? Oder besteht kein zeitlicher Druck โ€“ wir verbieten dann einfach alle Diesel und vergessen das kommunale Engagement?

Alte Euro-4-Diesel stoรŸen zum Teil weniger Schadstoffe als Euro-5-Modelle aus! Ein Flugzeug emittiert fast das Doppelte an Stickoxiden pro Person/Kilometer als ein PKW.
Verbรถte man nun aktionistisch Euro 4+5, dรผrfen alle Euro-4-Besitzer dafรผr zahlen, dass man seit Euro 5 geschummelt hatโ€ฆ Danke!
Ergebnis ist ein neues Investionsprogramm fรผr die betrรผgende Autoindustrie auf Privatkosten der Bรผrger. Das ist mehr als โ€˜verkehrte Weltโ€™.

Liebe L-IZ โ€“ wรคre das mal wert, etwas nachzuforschenโ€ฆ?

โ€ฆwas zu vermuten war, schon seit langem!

Mich wรผrde mal interessieren,
โ€“ welche Punkte des Leipziger Luftreinhalteplans alle umgesetzt und welche ausgesessen wurden
โ€“ ob รคltere Diesel-PKW (ca. BJ2000) mit Grรผner Plakette auch schon von Abschalteinrichtungen betroffen waren und evt. zu Unrecht verboten wรผrden?

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