Vielleicht lebt der studierte Maschinenbauer Georg Unland ja wirklich in einem anderen Land. Einem, in dem wirklich keiner leben will, die jungen Menschen fliehen, keiner investiert und Zukunft eine Frage verödeter Landschaften ist. Wenn der Mann sich öffentlich äußert, beschreibt er so das Sachsen der Zukunft. Während das andere Sachsen nicht nur Kinder bekommt und Zuwanderung erhält. Es schafft auch fleißig Arbeitsplätze, wie das Statistische Landesamt am Mittwoch, 21. Juni, meldete.

Und es sind die Arbeitsplätze, die Menschen nach Sachsen locken – demnächst verstärkt wieder nach Dresden, wo Bosch ein großes neues Werk hinsetzen will.

Und Arbeitsplätze bedeuten steigenden Konsum, steigende Steuereinnahmen, neue Familiengründungen, mehr Kinder …

Eigentlich ist Staatspolitik eine sehr lebendige Angelegenheit. Wer die Möglichkeiten schafft, dass Menschen ihre Vorstellungen vom Leben verwirklichen können, der schafft ganz automatisch Wirtschaftswachstum.

Das kommt zwar in den Wirtschaftsbetrachtungen der führenden deutschen „Wirtschaftsexperten“ nicht vor, weil sie allesamt wie Musterschüler des Neoliberalismus daherreden (was jüngst erst Thomas Fricke in seiner „Spiegel“-Kolumne deutlich kritisierte), aber vielleicht ist das der Grund, warum sächsische Minister so viel Unfug reden über Personal, Staatsquote und Demografie. Sie fragen die falschen „Experten“, die keine Experten sind, sondern Schmalspurdenker einer Wirtschaftsvorstellung, in der es nur um „Effizienz“ geht und „Rationalisierung“ und der Mensch, das arme Früchtchen, leider nur als Ballast vorkommt, teures „Humankapital“.

Zum Glück denken auch die meisten Unternehmer nicht so. Auch nicht in Sachsen.

Noch so ein Punkt, der in neoliberalen Lehrbüchern nie vorkommt: 90 Prozent menschlicher Arbeit ist Interaktion. Es ist Arbeit von Menschen für Menschen mit Menschen.

Deswegen halten Sachsens Unternehmer selbst in Krisenzeiten an ihrem „Humankapital“ fest. Weil sie wissen, wie unersetzbar es ist – menschlich und mit allem Knowhow.

Auch das vermisst man bei Schmalspurpolitikern wie Unland: Dass sie Beamte und Angestellte nicht als Träger von Wissen, Können und Erfahrung sehen. Nur als Belastung in ihrem knappgerechneten Haushalt.

Zahlen zur Beschäftigungsentwicklung 2017 hat natürlich auch das Statistische Landesamt noch nicht.

Aber die Zahlen von 2016 sprechen eine klare Sprache.

„Zur Jahresmitte 2016 hatten 1.553.509 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ihren Arbeitsplatz im Freistaat Sachsen. Im Vergleich zu 2015 stieg die Beschäftigtenzahl um 1,5 Prozent bzw. 23.415 Personen.“

Kleine Ergänzung: Das sind nur die sozalversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Sachsen betrug 2016 schon 2,037 Millionen.

„Diese positive Entwicklung war in allen sächsischen Kreisen zu beobachten. Die Spanne reichte von 2,6 Prozent in der Stadt Leipzig bis 0,6 Prozent im Landkreis Zwickau“, teilt das Statistische Landesamt mit. „Die Männer profitierten von dem Anstieg mit 1,8 Prozent bzw. 13.752 Personen mehr als die Frauen, denn deren Zahl erhöhte sich nur um 1,3 Prozent bzw. 9.663 Personen. Den größten Zugang an männlichen Beschäftigten gab es in der Stadt Dresden (2,8 Prozent bzw. 3.359 Personen). Bei den weiblichen Beschäftigten führte die Stadt Leipzig (2,5 Prozent bzw. 3.149 Personen).“

Eine nicht zu übersehende Besonderheit gibt es freilich: Die meisten neu entstehenden Beschäftigungsverhältnisse waren Teilzeitjobs.

Die Statistiker haben zwar nicht untersucht, warum das so ist. Aber eine Vermutung liegt zumindest nahe, da ja nun einmal viele Unternehmen trotzdem mit ihren Personalbudgets haushalten müssen. Sie haben viele niedrig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse gerade im Gefolge der Einführung des Mindestlohns in tariflich besser bezahlte Arbeitsplätze umgewandelt – sie dafür als Teilzeitbeschäftigung gestaltet.

Und so stellen die Statistiker fest: „Betrachtet man die Beschäftigung in den Kreisen am 30. Juni 2016 nach der Arbeitszeit, so ist zu erkennen, dass die Städte Leipzig und Dresden sowohl bei der Voll- als auch bei der Teilzeitbeschäftigung den höchsten Zuwachs an Arbeitsplätzen erreichten. Während über die Hälfte der Kreise Rückgänge bei der Vollzeitbeschäftigung aufzeigten, stieg die Teilzeitbeschäftigung in allen sächsischen Kreisen deutlich an. Hier reichte die Spanne von 7,3 Prozent in der Kreisfreien Stadt Leipzig bis 4,1 Prozent im Vogtlandkreis.“

Wozu eine parallele Zahl gehört, denn während die Zahl der Teilzeitstellen stark anstieg, ging die Zahl der marginal Beschäftigten weiter deutlich zurück. 2008 lag sie noch bei fast 250.000.

Aber von 186.300 im Jahr 2015 fiel sie auch 2016 weiter auf 181.100. Und man darf wohl zu Recht vermuten, dass viele dieser marginalen Beschäftigungen sich zumindest in Teilzeitstellen verwandelt haben.

Viele Teilzeitjobs findet man im Dienstleistungssektor, insbesondere im Sozialbereich. Aber auch da geht es um Arbeit mit Menschen. Und es ist nicht absehbar, dass hier die Arbeit ausgehen könnte. Im Gegenteil.

Und aus gutem Grund schauten die Statistiker diesmal auch auf die Beschäftigung von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Denn da steht ja seit 2016 die Frage: Gelingt es, diese Menschen in den sächsischen Arbeitsmarkt zu integrieren oder nicht?

Die Antwort ist zumindest ein „Es könnte klappen“.

Das Landesamt dazu: „Von den 1,553 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Sachsen hatten 3,2 Prozent eine ausländische Staatsangehörigkeit. Auch hier gab es deutliche Unterschiede in den sächsischen Kreisen. Der Landkreis Görlitz lag mit 4,9 Prozent Anteil an der Spitze aller Kreise. Hier spielt die geographische Nähe zu Polen eine große Rolle. Den geringsten Anteil verzeichnete der Landkreis Mittelsachsen mit 1,8 Prozent ausländischen Beschäftigten.“

Eine solche Extra-Auswertung hat das Statistische Landesamt zum ersten Mal vorgenommen. Deswegen fehlt an dieser Stelle noch der Vergleich zu den Vorjahren.

Die Meldung des Statistischen Landesamtes.

Die neue LZ Ausgabe Juni 2017 ist seit Freitag, 16. Juni 2017, im Handel

Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

 

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