Von Aachener Straße bis Zwiebelweg sind alle drin – alle offiziellen Straßen und Plätze in Leipzig. Aller zwei Jahre legt das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig auch ein neues offizielles „Straßenabschnittsverzeichnis“ vor. Mit mittlerweile 80 Seiten aller Straßenabschnitte auf aktuellstem Stand. Nur das Titelblatt führt diesmal auf Abwege: Was wollen die Statistiker damit sagen?

Acht Straßennamen sind als Straßenschilder abgebildet. Die einen Namensgeber kennt man – Luther und Melanchthon sind gut genug bekannt, um einen sofort auf den Gedanken zu bringen: Aha, hier geht es um die Reformation. Auf diese Weise erinnern Leipzigs Statistiker daran, dass Leipzig (zwar mit Verspätung, aber immerhin) ein Ort der Reformation war. Was dann auch noch andere Reformationspersönlichkeiten ins Leipziger Straßenbild brachte.

Mit der Creuzigerstraße ist Kaspar Creuziger gewürdigt, der an Luthers großer Bibelübersetzung mitwirkte und 1539 an der Einführung der Reformation in Leipzig mitwirkte.

Mit der Jonasstraße wird Justus Jonas gewürdigt, der ebenfalls 1539 mit Luther nach Leipzig kam und an Stelle des erkrankten Martin Luther am 25. Mai 1539 die Frühpredigt in der Thomaskirche hielt.

Die Fröschelstraße wiederum würdigt mit Sebastian Fröschel einen mutigen Prediger, der schon 1523 in der Johanniskirche im Lutherschen Sinn gepredigt hat und daraufhin der Stadt verwiesen wurde – und nach Wittenberg ging.

Die Pfeffingerstraße wieder ist Johann Pfeffinger gewidmet, der schon 1530 in Holzhausen evangelische Predigten hielt, zu denen die Leipziger hinauspilgerten. Von 1540 bis 1572 war er Pfarrer an der Nikolaikirche.

Und in der Scherlstraße wird Luthers Freund, Baumeister und Ratsherr Heinrich Scherl gewürdigt.

Das ist die Auswahl, die Leipzigs Statistiker auf dem Titelblatt zum „Straßenabschnittsverzeichnis 2017“ ganz unkommentiert bieten.

Im Anhang beinhaltet das Heft auch noch alle amtlichen Um- und Neubenennungen der Jahre 2015 und 2016, etwas für Liebhaber der stillen Kämpfe im geistigen Leipzig. Denn jede Straßenbenennung ist ein Politikum. Hier zeigt eine Stadtgesellschaft programmatisch Flagge – zum Beispiel, wenn alte Funktionäre, Fürsten und Feldmarschälle in die Wüste geschickt werden, dafür Reformatoren und Widerstandskämpfer gewürdigt werden. Oder Personen, die – wie der Soldat Raymond J. Bowman – für die Befreiung der Stadt vom NS-Regime stehen. Bowmann ist jener Soldat, den Frank Capa auf seinem legendären Foto „Der letzte Tote des Krieges“ abgelichtet hat, getötet von einem Scharfschützen in Lindenau. Nach Capa ist schon etwas länger ein Weg gegenüber benannt.

Seit dem 20. Januar 2016 trägt nun das ursprünglich östlichste Stück der Lützner Straße den Namen Bowmanstraße.

Politische Wellen schlugen aber auch die Namensgebungen für den Addis-Abeba-Platz (17. Juni 2015), Herzliya-Platz (17. Juni 2015) und in gewisser Weise auch Ugiwnkewl (7. April 2016). Und eine zumindest kuriose Suche war es, bis es zur Namensgebung der Pfarrer-Paul-Straße am 8. Juli 2015 in Engelsdorf kam.

Eher in aller Stille ging die Verlängerung der Erikenstraße in Hartmannsdorf-Knautnaundorf über die Bühne, die im Zusammenhang mit dem Baubeschluss für die Erikenbrücke vorgenommen wurde, die gerade über die Weiße Elster gebaut wird und künftig die kurze Verbindung für Radfahrer und Fußgänger von Hartmannsdorf zum Zwenkauer oder zum Cospudener See darstellt.

Eine Broschüre also voller Geschichten, auch wenn die nicht drin stehen. Es gibt nur die kleinen Spuren, denen man folgen kann. Ansonsten erfährt jeder, wo er gerade wohnt, zu welchem Postleitzahlbezirk und welchem Wahlkreis seine Wohnung gehört. Da kann man sich gleich die richtigen Kandidaten anschauen, wenn sie sich demnächst der Diskussion stellen.

Auch das Straßenabschnittsverzeichnis bekommt man im Amt für Statistik und Wahlen, in diesem Fall für 7,50 Euro in gedruckter Form.

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