Da war Sachsens Finanzminister Prof. Georg Unland nicht müßig, am Freitag, 4. November, gleich seine Einschätzung zur jüngsten Steuerschätzung des Bundesfinanzministeriums herauszugeben. Die Vorlage war ja hübsch: In der Mitteilung des Bundesfinanzministers fand sich ja wieder so ein netter Passus, der für 2017 einen Dämpfer verkündete. Nicht bei den Einahmen, sondern bei den Einnahmensteigerungen.
Wir leben ja in einem Land, in dem die Finanzminister schon panisch werden, wenn das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter 2 Prozent fällt. Das Land ist genauso besoffen vom „Wachstum“ wie alle westlichen Nationen. Nur wenn das BIP immer weiter steigt, sind die Regierungen einigermaßen gelassen. Gern würden sie in die Zukunft schauen können. Und die Berechnungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ lesen sich jedes Mal, als könnten diese Leute tatsächlich die Zukunft berechnen.
Das Problem ist die kleine Zahl, auf die sich alle Steuervoraussagen beziehen: die Prognose zum BIP.
Wie teilte doch die „Tagesschau“ am 7. Oktober gleich nach der jüngsten Prognose der Bundesregierung mit? „Wie sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickelt, lässt sich nur schätzen. Regierungen, internationale Organisationen und Wirtschaftsforscher versuchen regelmäßig, die konjunkturelle Entwicklung anhand verschiedener Annahmen möglichst genau vorherzusagen. Prognosen bilden dabei unter anderem die Grundlage für die Steuerschätzung und die Haushaltsplanung des Staates. Die Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum schwanken teilweise sehr stark und werden im Laufe eines Jahres regelmäßig nach oben oder unten korrigiert.“
Jedes Institut hat andere Werte in seinen Prognosen, was die Bundesregierung am Ende veröffentlicht, ist immer eine Art Kompromiss mit vielen Vermutungen und Annahmen. Eine unverhoffte Erschütterung auf den Weltmärkten kann alles wieder durcheinanderwirbeln. Und wenn die Zahlenmeister die Prognose auch nur um 0,2 Prozentpunkte senken, bedeutet das in der ganzen Rechenkette, dass am Ende – vielleicht, wahrscheinlich, möglicherweise – mit ein paar hundert Millionen Euro weniger an Steuereinnahmen gerechnet werden muss.
Das Erstaunliche an der vom Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ vorgelegten Steuerschätzung ist: Sie sieht vor allem in den ostdeutschen Flächenländern einen deutlichen Dämpfer – der aber nicht wirklich erklärt wird. Denn ein Grund für das mögliche leichte Absinken der Zuwächse ist: „Bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen, der zentralen Bezugsgröße für die gewinnabhängigen Steuerarten, wird für das Jahr 2016 mit einer Zuwachsrate von +3,6 % gerechnet; gegenüber der Frühjahrsprojektion 2016 ist dies eine Verminderung um 0,5 Prozentpunkte. Im Jahr 2017 wurde die Wachstumsrate um 1,0 Prozentpunkt auf +2,4 % zurückgenommen. Für die Folgejahre 2018 bis 2021 wird ein Zuwachs von jährlich +3,1 % prognostiziert.“
Hat man da die Gewinnerwartungen der Unternehmen zu optimistisch berechnet?
„Für 2016 war diese Entwicklung aufgrund der bis dato bundesweit sehr guten Einnahmelage bereits absehbar. Für die nächsten Jahre zeichnet sich ab, dass wesentliche Grundlagen der bisherigen Planungen für die öffentlichen Haushalte bestätigt wurden. Zudem zeigt sich, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Von jeder neuen Steuerschätzung immer noch deutlich höhere Einnahmeprognosen zu erwarten und damit immer noch höhere Ausgaben zu rechtfertigen, kann nicht funktionieren“, erklärte denn auch Prof. Dr. Georg Unland.
Er hat die Botschaft aus Berlin genau gelesen: Während die Beschäftigung stärker als bisher prognostiziert zunehmen soll (was eigentlich den Osten stärker „wachsen“ ließe), wurden die Zuwächse bei den Unternehmensgewinnen (die am stärksten im Westen anfallen) nochmals verhaltener eingeschätzt. Insgesamt solle die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr real um 1,8 % wachsen. Für 2017 werde ein Anstieg von 1,4 % und für 2018 von 1,6 % erwartet.
„Die Stützen des Wachstums in Deutschland bleiben vor allem der Konsum und der private Wohnungsbau. Wenige Impulse gehen hingegen von den Investitionen der Unternehmen aus, auch der anhaltend schwierigen außenwirtschaftlichen Perspektiven wegen. Eine der Ursachen ist auch der sogenannte Brexit“, ergänzte Prof. Unland.
Wer die vom Bundesministerium der Finanzen mitgelieferten Tabellen genauer anschaut, sieht, wie in den ostdeutschen Flächenländern die erwartbaren Steuereinnahmen deutlich langsamer steigen als im Westen. Das BMF zählt nach wie vor Berlin zum Westen. Das verzerrt natürlich alle Zahlen und verkleistert den Blick auf die ostdeutschen Wirtschaftsstrukturen.
Für die ostdeutschen Länder nimmt der Arbeitskreis nur ein Steuereinnahmewachstum von 1,6 Prozent an, für den Westen aber 2,8 Prozent. 2018 dasselbe: 2,3 Prozent im Osten und 4,1 Prozent im Westen. In den letzten Jahren aber lag das sächsische Wirtschaftswachstum immer über dem ostdeutschen Durchschnitt. Die Gründe hat Unland erwähnt: Die Gehälter steigen endlich wieder, die Bautätigkeit ist angelaufen, der Konsum ist angestiegen. Und dazu kommt: Sachsen muss richtig Personal aufstocken und deutlich mehr Geld in Investitionen geben. All das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur dazu führen, dass Sachsen wieder ein für den Osten überdurchschnittliches Wachstum erreicht, sondern auch entsprechende Anstiege bei den Steuereinnahmen.
Die Auswirkungen der Steuerschätzung für die Landesebene sowie die sächsischen Kommunen sollen nun erst einmal berechnet und in den nächsten Wochen vorgestellt werden, kündigt Unland an. Die Ergebnisse fließen dann auch noch in die parlamentarischen Beratungen zum neuen Doppelhaushalt 2017/2018 ein.
Aber man kann eigentlich davon ausgehen, dass die Steuereinnahmen 2017 nah an den 13,575 Milliarden Euro liegen werden, die Unland schon in seiner Mittelfristplanung stehen hat. Was übrigens eine halbe Milliarde (561 Millionen) Euro über den prognostizierten Einnahmen für 2016 liegt und knapp 700 Millionen Euro über den tatsächlich verbuchten Einnahmen von 2015. Für 2018 rechnet Unland bislang mit 13,9 Milliarden Euro an Steuereinnahmen – die Steuerschätzung im Mai hielt sogar 14 Milliarden für möglich. Selbst wenn die Werte nur knapp erreicht werden sollten, hat Sachsen damit genug Spielräume, um seine Personalsituation zu stabilisieren. Ganz zu schweigen von der oft genug beobachteten Tatsache, dass sich sächsische Steuereinnahmeprognosen im Lauf der Zeit immer als deutlich zu niedrig erwiesen.
Man kann gespannt sein, was die flinken Rechner aus dem Sächsischen Finanzministerium diesmal ausknobeln.
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