„Das bisher weitgehend ungenutzte Potenzial zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft auf städtischen Pachtflächen sollte stärker als bisher genutzt werden“, heißt es auf Seite 18. Ein Spruch, der völlig am Ergebnis vorbeigeht, wie es die neue Nachhaltigkeits-Broschüre der Stadt zeichnet. Denn die ökologische Landwirtschaft ist in Leipzig auf dem Rückzug.

„Der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen hat sich zwischen 2012 und 2013 mehr als halbiert“, stellt das Umweltdezernat fest. Statt 14 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen werden nur noch 6 Prozent ökologisch genutzt. „Der Grund für diese Abnahme ist, dass bei zwei der insgesamt fünf Pächter seit 2013 eine ökologische Bewirtschaftung nicht mehr erfolgt.“

Das ist Sachsen. Man hält schöne Sonntagsreden – aber die Unterstützung für ökologische Landwirtschaft ist so schwach, dass viele Landwirte das Risiko scheuen oder sogar wieder zurückkehren zu den alten, umweltschädigenden Bewirtschaftungsmethoden.

Und das sorgt natürlich dafür, dass Naturschutzgebiete wieder vermehrt geschädigt werden, Rückzugsräume für Tiere verschwinden und die Gewässerqualität schlecht bleibt.

In der nun vorliegenden Broschüre „Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig Indikatoren 2003/2004 – 2013/2014“ wird zwar mengenmäßig auf Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete in Leipzig eingegangen. Aber das erzählt dann wieder vom ganz speziellen Leipziger Naturschutzverständnis: Über den Zustand dieser Schutzgebiete und die Artenvielfalt findet man kein einziges Wort.

Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig. Indikatoren 2003/2004 – 2013/2014. Cover: Stadt Leipzig
Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig. Indikatoren 2003/2004 – 2013/2014. Cover: Stadt Leipzig

Es ist reines Tonnagedenken, das hier sichtbar wird: Man rühmt sich zwar eines Wachstums der Landschaftsschutzgebiete um 4,3 Prozent: „Die Zunahme im Jahr 2010 erfolgte durch die Neufestsetzung des LSG Etzoldsche Sandgrube und Rietzschketal Zweinaundorf.“

Aber es gibt keine Darstellung, die zeigt, wie sich der Zustand der Schutzgüter in den Naturschutzräumen verändert hat. Man verweist nur auf den Landschaftsplan der Stadt, der solle weiter hübsch umgesetzt werden. Das sind – mal ganz grob – „Boden, Wasser, Klima/Luft, Arten und Biotope/Biodiversität, Landschaftsbild“. Und man muss nicht extra nachschauen: Großen Teilen des eigentlich geschützten Auenwaldes geht es nach wie vor miserabel.

Und den Flüssen darin? Ebenfalls.

Wenigstens  das hat die Broschüre aufgegriffen. An eine gute Wasserqualität, die Leipzig eigentlich bis 2021 ereichen möchte, ist nirgendwo zu denken. Nicht mal an eine mäßige. Eigentlich ist auch das Ziel 2021 geschwindelt, denn nach den EU-Vorgaben hätte Leipzig die gute Wasserqualität längst erreicht haben müssen: „Ziel der WRRL ist das Erreichen des ‚guten ökologischen Zustands‘ bzw. des guten ökologischen Potentials aller Oberflächenwasserkörper bis zum Jahr 2015 bzw. mit Verlängerungsmöglichkeit bis 2021.“

Fristverlängerung nennt man das. Aber Tatsache ist: 58 Prozent aller Gewässer 1. Ordnung (Weiße Elster, Parthe, Pleiße usw.) befanden sich 2013 in einem schlechten Zustand, die restlichen 42 Prozent in einem unbefriedigenden Zustand. Leipzig hat darauf wenig Einfluss, denn die Belastungen kommen fast alle oberhalb von Leipzig in die Flüsse. Und die Broschüre nennt auch explizit die „Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft“. Die sorgen zum Beispiel dafür, dass die Parthe völlig überdüngt ist. Gewässernote: 5.

Über die Pleiße und die Ausschwemmungen aus den Tagebauhalden im Leipziger Südraum haben wir gerade geschrieben. Und wie sehr die falsche Landwirtschaftspolitik der sächsischen Regierung mit der Schadstoffbelastung von Seen, Flüssen und Grundwässern zu tun hat, haben wir auch schon berichtet.

Die Gewässer 2. Ordnung, die in Hoheit der Stadt liegen (wie Elster- und Pleißemühlgraben), hängen ja oft nur als Drainage an den Gewässern 1. Ordnung. Logisch, dass auch sie fast allesamt über den Zustand „schlecht“ (82 Prozent) und „unbefriedigend“ (10 Prozent) nicht hinauskommen. Einzige Ausnahme: der Kulkwitzer See, der eine „gute“ Wasserqualität erreicht.

Insgesamt kann man über die schön aufbereitete Broschüre nur sagen: Sie verstellt den Blick auf die Wirklichkeit, blendet viele wichtige Indikatoren zur Nachhaltigkeit aus. Und praktisch an keiner Stelle erfüllt sie das Versprechen, eine Entwicklung von 2003 bis 2014 wirklich grafisch aufzuzeigen. Die Reduktion zumeist auf die Jahre 2011 bis 2013 zeigt nur einen Ausschnitt, der nicht mal das Wesentliche sichtbar macht: dass nachhaltige Politik über lange Zeiträume denken muss und kurzfristige Effekte und Schwankungen überhaupt nichts darüber aussagen, ob eine Entwicklung wirklich nachhaltig ist – oder nur Zufall.

Von einer Verwaltung, die so ein Projekt auflegt, muss man mehr erwarten dürfen.

Für diese Hausarbeit gibt es nur eine Note: eine 5. Thema nicht bewältigt.

Die Broschüre zur nachhaltigen Umweltentwicklung in Leipzig 2003 – 2013.

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Keine Kommentare bisher

Note “5” ist nun wirklich übertrieben. Siehe Floßgraben.
Erst hat die Stadtverwaltung in 2014 enge Zeithorizonte für dessen wassertouristische Nutzung vorgegeben. Nachdem in 2015 diese Zeitkorridore erweitert wurden, hat just die Eisvogel-Population zugenommen. Offensichtlich hat das permanente Aufwirbeln der Sedimente zu einer Verbesserung der Gewässergüte ebenso beigetragen, wie die Mahd der Wasserpflanzen.
Wenn also die für die Tagebaurestlöcher erklärte Schiffbarkeit auf die Gewässer des Leipziger Auwald ausgedehnt und die Wasserpflanzen regelmäßig entfernt werden, sollte sich der Zustand der Leipziger Fließgewässer in kurzer Zeit deutlich verbessern? Dann fließen auch die Schadstoffe schneller durch.
Zumindest nach der Logik des Umweltbürgermeisters Rosenthal und seiner Fachfrau Zabojnik.

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