Leipzig ist auch Mitglied im Forschungsvorhaben „stadt PARTHE land“. 260.000 Menschen wohnen in dem Raum, den das Flüsschen Parthe durchfließt. Aber irgendwie scheint die Parthe nicht wirklich im Bewusstsein der Leipziger zu existieren. Das kann auch an der schlechten Beschilderung der Radroute liegen. Aber die Stadt hat in der „Bürgerumfrage 2015“ mal nachgefragt.
Wobei die Frage Nr. 1 schon recht burschikos ist. Denn wie oft ist der Leipziger „an der Parthe und im Partheland“ unterwegs? Die Bewohner des Nordens sind es ja täglich, denn sie fahren ständig drüber, egal, ob sie in die City, zum Zoo oder nach Connewitz wollen. Die meisten Parthe-Überquerungen registriert man gar nicht mehr, weil man auf Brücken ein tief versenktes steinernes Bett überquert.
Das Unterwegssein an der Parthe hat relativ wenig mit dem Unterwegssein im Partheland zu tun.
Deswegen sind die Ergebnisse schon recht seltsam: Nur 4 Prozent der Befragten gaben an, täglich dort unterwegs zu sein, was schlicht unmöglich ist bei 260.000 Menschen, die direkt dort wohnen. 7 Prozent seien einmal pro Woche dort unterwegs, 13 Prozent einmal im Monat, 61 Prozent noch seltener.
Die Befragung hat also schlicht das Problem: Sie fragt zu diffus.
Das „Partheland“ wird nicht näher definiert, wird mit dem Bekanntheitsgrad der Parthe selbst vermischt. Wenn diejenigen, die die Frage für den Fragebogen entworfen haben, selbst genauso ticken, kann man das Projekt „stadt PARTHE land“ schon jetzt unter so vielen Leipziger Projekten einsortieren, in denen ein paar Verwaltungsmitarbeiter eine Selbstbeschäftigung gefunden haben, bei denen aber nichts Zielführendes herauskommt.
Denn was soll man von einer Aussage halten, wenn 73 Prozent der Leipziger sagen, sie kennen den Fluss Parthe und den Begriff „Partheland“? Kennen sie wirklich beides? Oder nur die Parthe? Wird uns künftig von überdrehten Verwaltungsmitarbeitern erzählt, 73 Prozent der Leipziger würden das Partheland kennen und damit etwas suggerieren, was wahrscheinlich nicht der Fall ist? Denn das lässt sich aus der Antwort einfach nicht ableiten.
Genauso wie das Unterwegssein an der Parthe oder/und im Partheland verifizierbar ist.
Mindestens einmal pro Woche irgendwie an der Parthe unterwegs sind vor allem die Bewohner der Stadtbezirke Mitte und Nordost – mit über 20 Prozent. Was schon tiefe Zweifel am Ergebnis weckt. Das eigentliche Partheland mit den Parthedörfern liegt – was Leipzig betrifft – komplett im Nordosten. Da ist man schon „im Partheland“ unterwegs, wenn man die Adenauerallee benutzt oder die Volbedingstraße.
Man kann nur ahnen, dass es den Befragern eigentlich um etwas anderes ging: den Bekanntheitsgrad einer konkreten Flusslandschaft und deren bewusste Nutzung für Erholung und Freizeit.
Was nicht einfach ist. Wir sind ja dort unterwegs gewesen und die reine Freude sind eher nur bestimmte Abschnitte wie im Abtnaundorfer Park oder (aber eben nicht zum „Partheland“ gehörig) die Abschnitte im Rosental.
Man ahnt, dass irgendjemand aus dem Projekt irgendetwas Bestimmtes erreichen wollte – und dann entweder nicht durfte oder nicht konnte. Denn dass es beim Partheland nicht nur darum geht, es wieder ins Bewusstsein der Leipziger zu bringen, wird spätestens beim Besuch klar: Hier braucht es nicht nur eine ordentliche Beschilderung und ein anderes Marketing, hier braucht es auch ein paar Investitionen und vor allem ein Profil.
Man könnte fast drauf wetten, dass eine Frage, die sich der erste Bearbeiter gedacht hat (und dann nicht stellen durfte) lautete: „Was verbinden sie mit den Begriffen Parthe und Partheland?“
Wer die Homepage des Projekts besucht, merkt schnell, dass es hier um mehr geht als nur ein paar Wanderer. Hier versucht man, eine unverwechselbare (aber zum Teil auch zerschnittene – man denke nur an die großspurige Autobahn) Kulturlandschaft aufzuwerten, aber auch der Begriff Wertschöpfung taucht auf. Tatsächlich geht es sogar darum, hier mitten auf Leipziger Gebiet ein Stück nachhaltiges Wirtschaften wieder lebendig und erlebbar zu machen. Nachlesbar zum Beispiel unter dem Stichwort „Parthelandküche(n)“: „Gesucht werden neue Rezepte für das Partheland (zum Kochen und zum Handeln) sowie neue Wege für eine höhere landschaftliche Teilhabe der Bevölkerung und Spielräume für die Entwicklung von Kulturlandschaftsprodukten.“
Eigentlich müsste hier mehr passieren, als die Leipziger nur zu fragen, ob sie den Begriff „Partheland“ kennen.
Man ist also mental aus dem Projekt-Mustopf nicht herausgekommen und wundert sich, dass die Leipziger im Süden sich nicht ins Partheland verirren.
Ja, wieso denn auch, wenn es keiner fertigbringt zu erzählen, was es dort Besonderes gibt?
Alle Texte zur Parthe-Mulde-Radroute.
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