Man kann ein kaputtes System nicht dadurch reparieren, dass man einfach nur mehr Geld hineinschickt. Wie Frühlingsschäfchen hüpften ja einige Politiker in den letzten Wochen über die grüne Wiese, weil sie die Rentenbezüge der aktuellen Rentnergeneration angehoben haben. Was zwar 8 Milliarden Euro mehr kostet - aber es nutzt all denen nichts, die tatsächlich unter miserablen Renten leiden. Und das werden in Sachsen immer mehr.
Abgefragt hat das die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Susanne Schaper. Den ersten Teil der Antwort bekam sie schon im Juni. Aber da fehlte noch was: die Kosten. Die hat Innenminister Markus Ulbig jetzt nachgereicht.
Der Anstieg geht ganz langsam vonstatten. Immer mehr Sachsen landen im sogenannten Ruhestand, ohne überhaupt in die Nähe einer auskömmlichen Rente gekommen zu sein. Viele haben Jahre in prekären Jobs hinter sich, viele Brüche in der Erwerbsbiografie und oft genug auch eine quälende Reise durch die Himmelsreiche sächsischer Jobcenter. Da sammeln sich einfach keine Punkte auf dem Rentenkonto. Und was die Rentenkasse dann gewährt, reicht nicht zum Leben.
Diese Menschen haben dann einen Anspruch darauf, in ihrer Kommune Grundsicherung im Alter beantragen zu dürfen.
Rund zwei Drittel der Menschen, die eigentlich Anspruch auf die Grundsicherung haben, beantragen sie nicht. Sie schämen sich. Was auch verständlich ist in einer Gesellschaft, die mit Verachtung auf Menschen herabschaut, die trotz aller Mühe nie in die Regionen goldener Managergehälter kommen und am Ende auch noch Hilfe beantragen müssen.
„Wer Altersgrundsicherung, damit eine staatliche Leistung auf Sozialhilfeniveau, bezieht, gilt nach den einschlägigen Kriterien als arm, selbst wenn die sächsische Staatsregierung nach wie vor behauptet, durch Grundsicherung Armut vermeiden zu können“, stellt denn auch Susanne Schaper fest, nachdem sie die Zahlen durchgesehen hat. „In Sachsen bezogen Ende 2015 fast 12.000 Personen Altersgrundsicherung. Das entsprach nahezu einer Verdopplung gegenüber 2003, dem Jahr der Einführung dieser Leistung. Dies dürfte trotzdem nur die Spitze des Eisberges sein, denn viele Ältere, die eigentlich Anspruch auf Grundsicherung hätten, beantragen diese nach wie vor nicht, weil sie die bürokratischen Hürden fürchten oder aber einfach nicht ausreichend informiert sind.“
Und das ist nur ein vorläufiger Blick in eine Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren erst zuspitzen wird, wenn mehr Menschen in Rente gehen, die ganze Jahrzehnte in prekären Einkommensverhältnissen hinter sich haben.
„Alle seriösen Voraussagen gehen davon aus, dass die Zahl der Beziehenden von Altersgrundsicherung in den nächsten Jahren kräftig ansteigen wird. Die Staatsregierung hat allerdings nach wie vor kein Konzept, wie sie zunehmender Altersarmut durch aktives politisches Handeln begegnen will“, stellt Schaper fest. Dass man Menschen, die eh schon von Niedriglohnpolitik und prekären Lebensverhältnissen gebeutelt waren, nicht auch noch einen Antragsmarathon im Alter zumuten muss, hat in der Linken zumindest die Idee einer Mindestrente aufs Tapet gebracht, die sich spürbar von der üblichen Sozialhilfehöhe unterscheiden soll.
„Für uns geht es hingegen um eine Altersgrundsicherung, die über der Armutsgrenze liegt. Ebenso wichtig bleibt für uns jedoch die Erkenntnis, dass sich Altersarmut während des Erwerbslebens aufbaut. Deshalb stehen wir für armutsfeste Mindestlöhne und für Arbeitsförderprogramme, insbesondere zur Unterstützung für benachteiligte Personen“, so Schaper. Denn bezahlen muss der Staat die Politik der prekären Arbeit am Ende doch. Denn was die Betroffenen nicht verdient haben, muss über die Grundsicherung ja aufgestockt werden.
Logisch, dass diese Summen in den Sozialetats der sächsischen Kommunen kräftig steigen.
„Angestiegen sind freilich auch die Ausgaben für Altersgrundsicherung“, so Schaper, nachdem sie nun auch die Zahlen zu den Kosten der Grundsicherung bekommen hat. „Sie beliefen sich sachsenweit im vergangenen Jahr auf 158 Millionen Euro. Sie lagen damit um mehr als ein Viertel über denen des Jahres 2012. Mit mehr als 23 Millionen Euro hatte die Stadt Leipzig 2015 die höchsten Aufwendungen für Grundsicherung zu tragen, während es etwa in Dresden lediglich 17 Millionen Euro waren.“
Die jahrelang statistisch erfassbare Armut in Leipzig setzt sich nun in diesem wachsenden Posten der Alterssicherung fort.
Die Ergänzung zu den Kosten der Grundsicherung 2015.
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