Immer noch robust. So zeigt sich der Leipziger Arbeitsmarkt im Juli 2016. Obwohl sich da in den Kulissen so einiges verändert. Nicht nur was die Asylsuchenden betrifft, die jetzt verstärkt in die Arbeitsvermittlung kommen. Gegenüber dem Juli 2015 ist die Arbeitslosigkeit in Leipzig um 1.236 Arbeitslose zurückgegangen, betont die Arbeitsagentur. Und dann wieder dieses allsommerliche Drama! Oweh!

„Weniger erfreulich ist, dass im Vergleich zum Juni ein Anstieg zu verzeichnen ist. Das Anwachsen fand fast ausschließlich bei der Gruppe der unter 25-Jährigen und bei den Ausländern statt“, betont die Arbeitsagentur, obwohl sie den Effekt doch nun seit Jahren kennt. Es ist immer wieder derselbe.

„Diese Entwicklung bei den jungen Leuten beobachten wir jedes Jahr im Juli und August. Die Ursache ist, dass ein Teil der frischgebackenen Ausbildungsabsolventen oder Umschüler nicht in ein Arbeitsverhältnis durch den Ausbildungsbetrieb übernommen wird“, stellt die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Reinhilde Willems, fest. Eigentlich eine Freude für andere Betriebe, die auf diese Weise von der Ausbildung anderer Unternehmen profitieren. Nur die Suche nach der Anschlussstelle dauert immer ein bisschen. Logisch: „Das ist eine gute Gelegenheit für andere Unternehmen, diese jungen Fachkräfte schnell einzustellen. Dazu kommen noch die Schulabgänger, die auf den Ausbildung- oder Studienbeginn warten und sich für die Übergangszeit arbeitslos melden. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Saisoneffekt bis September relativiert. Der Arbeitsmarkt in dieser Stadt bleibt weiterhin auf einem positiven Wachstumspfad.“

Also von wegen: unerfreulich.

Dazu kommt, dass jetzt auch noch Arbeitssuchende auf den Markt kommen, mit denen vor zwei Jahren noch keiner gerechnet hat. Denn die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer wuchs ebenfalls.

„Mehr und mehr kommen geflüchtete Menschen auf die Arbeitsagentur und das Jobcenter zu und melden sich arbeitslos. Wir gehen davon aus, dass sich zunehmend geflüchtete Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen werden. Es besteht eine hohe Bereitschaft zur Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund – allerdings fehlt es oft noch an Deutschkenntnissen und Qualifizierung. Daran arbeiten wir intensiv. Die Menschen müssen fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt“, sagt Willems.

Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer stieg innerhalb eines Monates um + 250 auf 4.599. Vor einem Jahr waren es 3.509 Menschen (+ 1.090).

Neuer Rekordstand an gemeldeten freien Stellen

Aber die Zeiten, da solche Zugänge den Leipziger Arbeitsmarkt belastet hätten, sind derzeit zumindest vorbei. Es werden so viele Menschen für eine freie Stelle gesucht wie lange nicht.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Juli einen leichten Anstieg gegenüber dem Vormonat und einen starken gegenüber dem Juli 2015. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.167 freie Stellen, das waren + 11 mehr als im davor liegenden Monat und + 471 mehr als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet. Insgesamt gemeldet sind derzeit 5.872 freie Stellen – 27 Prozent mehr als vor einem Jahr. Was ja schlicht bedeutet: Der Beschäftigungsaufbau in Leipzig geht auch 2016 weiter.

Wuchs das Leipziger Arbeitsplatzangebot im Jahr 2014 um 9.061, so waren es 2015 noch einmal 6.800. Seit 2010 schwankt dieser Zuwachs jährlich um die 7.000. Das wirkt dann wie ein Magnet und zieht immer mehr junge Familien nach Leipzig.

Ältere Beschäftigte bleiben in Arbeit

Dass an anderer Stelle das „Angebot“ knapp wird, ist ja die Begleitmusik dazu. Denn seit 2010 bestimmen die halbierten Geburtenjahrgänge den Markt. Was viele Unternehmen in Nachwuchsprobleme gestürzt hat – gerade da, wo der Beruf eine hohe Qualifikation braucht. Die Neulinge auf dem Arbeitsmarkt reichen allein nicht aus, um die Lücke zu schließen.

Deswegen wird im Jahr 2016 ein Effekt immer deutlicher, den es so in den vergangenen 25 Jahren nicht gab: Die Zahl der arbeitslos gemeldeten über 50-Jährigen schmilzt wie Schnee an der Sonne.

Während bei den jungen Menschen bis 25 Jahren die Zahl der Arbeitslosen aus den oben genannten Gründen um + 371 auf 2.507 (Vorjahr: 2.255) wuchs, nahm sie bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren deutlich ab: um – 116 auf 7.284 Personen (Vorjahr: 8.166). Bei den über 55-Jährigen ging die Zahl von 4.545 auf 4.422 zurück. Was nicht unbedingt bedeutet, dass diese Menschen nun doch noch endlich einen guten Job bekommen haben.

Es bedeutet in erster Linie, dass Mitarbeiter über 50 Jahre nicht mehr entlassen werden. Jedenfalls nicht wegen ihres Alters. Sie bleiben im Beruf. Und wenn sie unersetzlich sind, werden Viele von ihnen auch noch übers 65. Lebensjahr hinaus arbeiten.

Arbeit verschwindet nicht, auch wenn das einige interessierte Institute und Vereinigungen immer wieder behaupten.

Mal so gesagt: Arbeit ist der eigentliche Kitt dieser Gesellschaft.

Wachsen ohne große Leuchtturmprojekte

Das Problem ist eher das Geld, das noch immer in völlig unproduktive Bereiche gelenkt wird. Auch in den staatlichen Behörden, die noch immer über jeden einzelnen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst diskutieren, als würde sich die Arbeit – wenn man nur lange genug trödelt – von selbst erledigen. Tut sie aber nicht. Also werden auch im öffentlichen Dienst jetzt nach und nach mehr Leute gesucht.

Das eigentliche Drama spielt sich bei jenen Menschen ab, die in der Langzeitarbeitslosigkeit feststecken und dauerhaft in Bedürftigkeit leben. Denn der Sockel der Bedürftigkeit im ALG II schmilzt nur langsam ab. Was den Sozialetat der Stadt Leipzig weiter hoch belastet. Lösung: Nicht in Sicht.

Während im Juli 5.821 Menschen im Rechtskreis SGB III in der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet waren, 438 mehr als im Vormonat und 232 weniger als im Juli 2015, waren es im ALG noch immer mehr als drei Mal so viele.

Im Rechtskreis SGB II waren 20.388 Menschen im Jobcenter Leipzig arbeitslos registriert. Das waren + 315 mehr als im Juni 2016 und – 1.004 weniger als vor einem Jahr. Mit der Folge: In Leipzig gab es im Juli 40.479 Bedarfsgemeinschaften. Das sind lediglich 142 weniger als im Vormonat und auch nur 1.634 weniger als im Juli des Vorjahres.

Wachsen ohne Geldspritze

Leipzigs Arbeitsmarkt wächst also auf eine sehr seltsame Weise. Nicht weil irgendjemand viel Geld in die Stadt pumpt, sondern weil sich die wachsenden Bedürfnisse der Metropole gegenseitig zwingen, doch immer noch was anzubauen, zuzulegen, zu erweitern. Ob das langfristig trägt, muss man sehen.

Im August wird’s jetzt erst mal wieder steigende Zahlen geben, betont Willems. Aber der Grund ist derselbe wie im Juli: „Auch für den nächsten Monat rechne ich bedingt durch die vorübergehende Arbeitslosmeldung junger Menschen und den weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den Ausländern mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl.“

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