Der Mai ist herum. Und auch die Arbeitsagentur Leipzig meldet weiter sinkende Arbeitslosenzahlen. Wenn nicht das seltsame Konstrukt Zeitarbeit wäre, könnte man wahrscheinlich sogar genau sagen, welche Branchen derzeit dafür sorgen, dass Leipzigs Arbeitsmarkt so aufnahmefähig ist. Doch seit den diversen „Reformen“ des Arbeitsmarktes sind Zeitarbeitsfirmen wie ein Gummistutzen zwischen Arbeitsagentur und Erstem Arbeitsmarkt.
Mehr als die Hälfte aller angebotenen Jobs wurden auch im Mai von Zeitarbeitsfirmen gemeldet. Was wirklich an Branchen dahinter steckt – es ist ein großes Rätsel.
Wirklich griffig wird der aktuelle Bedarf der Leipziger Wirtschaft erst, wenn man sieht, dass 717 Jobs in wirtschaftlichen Dienstleistungen angeboten wurden, 279 im Gesundheits- und Sozialwesen, ebenso viele im Gastgewerbe – was schon verblüffen darf nach dem großen Tränenmeer der Gastronomen im Jahr 2014 vor Einführung des Mindestlohnes. Aber man bekommt so eine Ahnung, welche Branchen versuchen, sich das Personal über Zeitarbeitsfirmen zu sichern. Denn an der Spitze der Berufszweige steht der Bereich „Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung“ (1.405 Stellen) gefolgt von „Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit“ (968 Stellen). Womit auf einmal die Klassiker der Leipziger Unternehmenslandschaft auftauchen.
Sie brauchen allesamt dringend Leute, etliche der Unternehmen rufen schon seit Jahren nach frischen Fachkräften. Aber die Suche nach neuem Personal haben sie fast alle an Personaldienstleister ausgelagert. Erstaunlich, was man so lernt, wenn man sich die Statistiken zum Leipziger Job-Markt so im Detail anschaut. Der übrigens nach wie vor so aufnahmefähig ist, dass er auch Einstiegschancen für die in Leipzig 2015 angekommenen Asylbewerber bietet.
„Die Arbeitsmarktentwicklung im Mai war weiter gut“, erklärte die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, Reinhilde Willems, am Dienstag, 31. Mai. „Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist anhaltend hoch und die Zahl der Arbeitslosen geht kontinuierlich zurück. Bei der Integration von Menschen in neue Arbeitsstellen setzen wir darauf, die Menschen fit zu machen für unseren dynamischen Arbeitsmarkt. Mit Beratung und Qualifizierung arbeiten wir gemeinsam mit den Unternehmen an der Integration der Arbeit Suchenden. In Leipzig profitieren davon auch zunehmend langzeitarbeitslose Menschen und Schwerbehinderte – das bestärkt uns darin, dort weiter zu investieren.“
Na ja, das mit der „Integration der Arbeit Suchenden“ haben wir ja oben gesehen: Ohne Zeitarbeitsfirmen, die dann die eigentliche Integration vornehmen, läuft in der Leipziger Arbeitsagentur augenscheinlich nichts. Man hat die eigentliche Integration quasi dankend ausgelagert, die betreuten Klienten müssen sich halt nur fleißig bewerben.
Weil man aber mit einer auch nur bescheidenen Arbeit in Leipzig besser lebt als mit den gesetzlich verordneten Sanktionen des Jobcenters, flutscht das augenscheinlich und die Leipziger Arbeitslosenquote sinkt weiter.
Insgesamt waren im Mai 26.342 (Mai 2015: 26.837) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Rückgang im Vergleich zum April betrug 495 Personen und innerhalb der letzten 12 Monate ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen in Leipzig um 1.865 zurückgegangen, meldet die Arbeitsagentur.
So waren im Mai 5.576 Menschen im Rechtskreis SGB III in der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Das waren 299 weniger als im Vormonat und 447 weniger als im Mai 2015.
Im Rechtskreis SGB II waren 20.766 Menschen im Jobcenter Leipzig arbeitslos registriert. Das waren 196 weniger als im April 2016 und 1.418 weniger als vor einem Jahr. In Leipzig gab es im Mai 40.731 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 145 weniger als im Vormonat und 1.567 weniger als im Mai des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 49.922 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug dort der Rückgang 166 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 2.110 Personen.
Und erwähnenswert ist auch, dass die Entwicklung des Leipziger Arbeitsmarktes eben nicht nur den Leipzigern zugute kommt, sondern auf das ganze Land ausstrahlt.
Sachsenweit ging die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem April um 8.029 oder 4,9 Prozent auf 156.945 zurück, gegenüber dem Vorjahr ist es sogar ein Rückgang um 16.629 oder 9,7 Prozent.
Und das trotz der Zuwanderung. Auch Leipzigs Arbeitsmarkt ist in der Lage, Menschen mit Migrationshintergrund aufzunehmen. 4.476 Ausländer sind gegenwärtig in Leipzig arbeitslos gemeldet, so die Arbeitsagentur. Das waren 75 mehr als im April 2016 und 949 mehr als im Mai 2015.
„Der Entwicklung bei den jüngeren Menschen und den Ausländern begegnen wir mit Qualifizierungsangeboten, die auf die besonderen Bedarfe junger Menschen beziehungsweise von Menschen mit Migrationshintergrund eingehen. Neben fachlichen Schulungen und insbesondere Bewerbungshilfen, interkultureller Unterstützung und Fachsprache sowie eine enge Begleitung im Vermittlungsprozess“, erklärt Willems dazu.
Dabei fällt auf, dass augenscheinlich doch wieder mehr Unternehmen bereit sind, die Ausbildung ihres Nachwuchses in die eigene Hand zu nehmen.
Seit Oktober 2015 wurden 2.199 freie Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur Leipzig gemeldet. Das sind 170 mehr als vor einem Jahr um diese Zeit. Gegenwärtig sind davon noch 1.167 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dem stehen 2.346, 189 mehr als im Mai 2015, Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz gegenüber. Von diesen suchen noch 1.330 nach einer Ausbildung, so die Arbeitsagentur. Was zumindest verblüfft: Die Zahl der Jugendlichen steigt doch gar nicht so rasant? Wo kommt jetzt diese starke Nachfrage her?
Natürlich findet man die Antwort in der Spalte Ausländer: Es sind die vielen jungen Flüchtlinge, die in Leipzig angekommen sind und jetzt logischerweise auch nach einer Ausbildungsstelle suchen.
Und noch ein anderer Effekt bleibt sichtbar: Wie Leipzigs Unternehmen ihr älteres Stammpersonal halten. Denn vor allem das führt dazu, dass die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahre permanent sinkt: Im März lag sie noch bei 8.184, im April bei 7.861 und jetzt im Mai bei 7.611. Die Zahl sinkt, weil es hier kaum noch „Nachschub“ gibt. Die älteren Arbeitnehmer, die noch vor 15 Jahren fast automatisch „aus Altersgründen“ ihren Job verloren, bleiben heute im Betrieb, eben auch, weil die Arbeitgeber wissen, dass sie den benötigten Nachschub junger Arbeitskräfte nicht mehr bekommen.
Mit 9,0 Prozent liegt die Leipziger Arbeitslosenquote nun deutlich unter der des Vorjahres von 9,8 Prozent. Da werden bestimmt wieder ein paar Leute jubeln, auch wenn sie für die Zahl und ihr Zustandekommen gar nichts können. Die Chefin der Arbeitsagentur Leipzig dazu: „Auch für den Juni rechne ich mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahl. Wir wollen die Marktchancen für unsere Kunden so nutzen, dass wir eine 8 vor dem Komma haben.“
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