Dass die Niederländer jetzt auch einen eigenen Stadtführer „Leipig in een dag“ haben, hat gute Gründe. Auch darüber berichtete der neue Quartalsbericht I / 2016 der Stadt Leipzig. Denn die Niederländer als begeisterte Städtereisende sind mit 14.628 Personen die Nr. 5 unter den Leipziger Übernachtungsgästen. Nur gab’s 2015 einen Dämpfer, wahrscheinlich als Schlagschatten der Dresdner Pegida-Misere.

Denn dreiste Populisten von rechtem Schrot haben die Niederländer ja selbst genug. Die wollen sie ganz bestimmt nicht bei einem Besuch im schönen Sachsen auch noch sehen, diese Großmäuler mit Stirnlocke und Trachtenjanker. Auch die Schweizer, Italiener und Franzosen haben Leipzig 2015 etwas weniger besucht als in den Vorjahren. Nicht ganz zufällig alles unsere westlichen Nachbarn, die natürlich mit Sorge sehen, was hier im östlichen Zipfel Deutschlands so abgeht.

Um 8,3 Prozent ging die Besucherzahl aus Frankreich zurück, um 4 Prozent die aus Italien, die aus der Schweiz um 0,5 Prozent und die aus den Niederlanden um 0,1 Prozent.

Das war noch kein Drama wie in Dresden (- 2,3 %) und Chemnitz (- 4,9 %), wo das auf die Gesamtzahl der Besucher durchschlug und die Touristiker lange Gesichter machen ließ. Radikales Rumgeeire auf den Straßen ist nie gut fürs Geschäft, schon gar nicht für das mit Touristen. Und so unwichtig sind Gastronomie und Hotellerie für Sachsens Städte nicht. Im Gegenteil: Das Besucherwachstum hat in den vergangenen Jahren auch für deutliche Arbeitsplatzzuwächse gesorgt. Es ist die Besucherfreundlichkeit der Stadt, die Beschäftigung schafft, nicht das Herumgebarme der Möchtegern-Volks-Vertreter.

Seit 1996, so kann Heidrun Schellbach im Quartalsbericht erzählen, nahm die Übernachtungszahl in Leipzig permanent zu von damals knapp 1,2 Millionen auf nunmehr 2,8 Millionen. 209.252 Gäste reisten 2015 aus dem Ausland an, was einem Zuwachs von 6,6 Prozent entsprach (Gesamtzuwachs: 1,7 %).  Dabei wurden die Rückgänge aus den oben erwähnten Ländern durch deutliche Zuwächse zum Beispiel aus Großbritannien (+ 9,4 %), Österreich (+ 7,7 %) oder Spanien (+ 74,9 %) ausgeglichen. Polen, Dänen und Tschechen haben die Stadt mit ihrem blank polierten Selbstbewusstsein für sich entdeckt, Schweden, Belgier und Chinesen. Während andere wahrscheinlich in ihre Reisekasse geguckt und gemerkt haben: Es reicht wohl nur für die Krim und nicht mehr für Sachsen – so wie die Russen, bei denen es einen Rückgang um 33 Prozent gab.

Wobei auch deutlich wird, dass Leipzig eben eher Ziel für Städtetourismus ist als für Urlaubsaufenthalte. Im Ranking der Sächsischen Kreise liegt es mit 5.160 Übernachtungen auf 1.000 Einwohner auf Rang 4 hinter der Sächsischen Schweiz, Dresden und dem Vogtlandkreis. Es hat ein wenig aufgeholt in den letzten Jahren. Aber ob es die Gründe sind, die Heidrun Schellbach aufzählt, darf wohl bezweifelt werden, all diese Feste, Konzerte, Höhepunkte. Die Stadt wurde  kräftig durchfestivalisiert. Aber das lockt vor allem Publikum aus dem nahen Umkreis in die Stadt. Das hat nur in Teilen (Bachfest zum Beispiel) die Zugkraft, um auch Kulturreisende aus den USA (die Nr. 1 unter den Besucherländern mit 19.217 Besuchern), Großbritannien (Nr. 2 mit 17.439) oder der Schweiz (Nr. 3 mit 17.173) anzulocken. Im Gegenteil: Es füllt die Stadt mit Buden und dem Flair eines riesigen Bierfestes, macht aber die Hälfte der Innenstand nicht mehr wahrnehmbar, weil alles zugebaut ist.

Aber eine Qualitätsdiskussion findet ja nicht statt. Selbst der Stadtrat beißt sich die Zähne aus am LTM, der irgendwas in Sachen Tourismus macht, ohne dass ein wirkliches Profil sichtbar wird. Musik- und Kulturstadt sind schöne Labels. Aber sie oszillieren und schweben wie Luftballons über dem, was bei Umfragen unter Leipzig-Gästen immer als das eigentliche Reiseziel benannt wird: die historische und sehenswerte (Innen-)Stadt.

Das ist eigentlich ein Reise-Topos, der mit der Zeit an Ausstrahlung gewinnt, an dem man arbeiten muss. Und der natürlich so lange funktioniert, wie Bilder von gemütlichen Freisitzen, schlendernden Passagen-Besuchern und zufriedenen Urlaubern beim Eisessen die Sicht auf das Reiseziel Leipzig dominieren – und nicht die von blasierten „besorgten“ Bürgern, die rechthaberisch die Plätze okkupieren. Dazwischen liegen Welten. Und natürlich ist die Frage: Hätte Leipzig noch viel mehr Gäste empfangen können im letzten Jahr – ohne den Dämpfer, den ganz Sachsen bekommen hat?

Der Jahresbeginn 2016 jedenfalls deutet schon einmal an, dass noch mehr geht. Mit 317.988 Ankünften in den eher mauen Monaten Januar bis März waren schon 17.000 Besucher mehr als im Vorjahresquartal da. Und auch die Zahl der Auslandsbesucher ist weiter gestiegen. Und das in einer Zeit ohne große Festivals.

Der Statistische Quartalsbericht I / 2016 ist im Internet unter www.leipzig.de/statistik unter „Veröffentlichungen“ einzusehen. Er ist zudem für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich.

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