Noch vor der Mai-Steuerschätzung, die auch für Sachsen wieder höhere Steuereinnahmen als geplant in Aussicht stellt, hat der sächsische Finanzminister seine „Mittelfristige Finanzplanung“ auf einen neueren Stand gebracht. Kaum ein Papier zeigt so deutlich, wie sehr sich die Steuereinnahmen in Sachsen seit 2005 stabilisiert haben. Damals konnte Sachsen gerade mal die Hälfte seines Haushalts aus eigenen Steuereinnahmen finanzieren.
Das Jahr wirkt heute schon, als würde es einem völlig anderen Jahrhundert angehören. 18,3 Prozent Arbeitslosigkeit in Sachsen. 2002 schon waren die eh schon kärglichen Steuereinnahmen von 9,6 auf 8,6 Milliarden Euro abgestürzt. Und da unten krepelten die Einnahmen bis 2005 herum. Erst 2006 zogen sie wieder an auf 9,6 Milliarden. Was kein Zufall war, denn Sachsen hing auch damals schon am Tropf der westdeutschen Wirtschaftsentwicklung. „Verlängerte Werkbank“, sagt der Wirtschaftsjournalist Helge-Heinz Heinker dazu gern. Denn von den wirklich umsatzstarken Unternehmen in Sachsen sitzen die Mutterkonzerne fast alle irgendwo im Süden oder Westen. Wenn dort die Produktion anzieht, werden auch in Sachsen die Taktstraßen wieder auf Touren gebracht.
Aber das allein macht die sächsische oder ostdeutsche Wirtschaft nicht aus.
Denn das 2005 eingeführte „Hartz-IV“-Paket innerhalb der „Agenda 2010“ brachte auch einen Prozess in Gang, der zum massiven Ausbau von Dienstleistungsstrukturen in den großen Städten des Ostens führte. Denn mit den ganzen „Arbeitsmarktinstrumenten“ aus der Agenda wurde nicht nur ein neues Heer von Beschäftigten geschaffen, die gezwungen waren, auch all die prekären neuen Arbeitsangebote anzunehmen, sie machten den Osten auch zum neuen Ansiedlungsplatz für all jene Dienstleister, die hier mit preiswertem Personal neue Vertriebsstrukturen aufbauen konnten. Was ja bekanntlich gerade in Leipzig in ungeahnter Massivität passierte.
Gerade das führte dazu, dass binnen zehn Jahren die hohe Arbeitslosenquote Ost praktisch halbiert werden konnte. Es führte aber auch dazu, dass sich schon ab 2007 andeutete, dass Sachsen künftig mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen konnte. Schon vor Ausbruch der Finanzkrise stiegen die Steuereinnahmen Richtung 11 Milliarden Euro.
Die Tragik für Sachsen war, dass die Landtagswahl 2009 mitten in die Krisenfolgen fiel und eine Regierung zusammengewählt wurde, die die folgenden fünf Jahre unter ein rigides Sparprogramm stellte und selbst für Bereiche weitere Kürzungsprogramme auflegte, in denen längst die Grenze der Belastbarkeit ereicht wurde – Polizei etwa oder das Bildungssystem. Statt sich flexibel den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, verfolgte man bis 2014 eine völlig realitätsfremde Sparpolitik, die ihre Auswirkungen bis heute zeigt – und noch auf Jahre zeigen wird.
Und das, obwohl ab 2012 immer neue Höchststände bei den Steuereinnahmen verzeichnet wurden, die Spielräume also da waren, auch die Personalpolitik des Landes wieder zu stabilisieren. 11,4 Milliarden wurden 2012 eingenommen, 11,8 Milliarden im nächsten Jahr. Die Kurve zeigte verlässlich nach oben. Doch geplant wurde für 2014 dann doch lieber nur mit 11,5 Milliarden. Für 2015 traute sich der Finanzminister dann, mit 12 Milliarden zu planen.
Erst zu Beginn des Jahre 2015, als man sich dann mit dem neuen Koalitionspartner SPD zusammengerauft hatte, wurde die Planung für 2015 auf 12,3 Milliarden angehoben, nachdem man 2014 schon die 12 Milliarden erreicht hatte.
Im März 2016 hat der Finanzminister nun die neue „Mittelfristige Finanzplanung“ bis 2019 vorgelegt.
Was da passiert, wird an den Vergleichszahlen deutlich: War das Jahr 2016 mal mit 12,3 Milliarden Euro eigenen Steuereinnahmen geplant worden, ein Wert, der 2015 auf 12,6 Milliarden angehoben wurde, so konnte der Finanzminister im März nun von mindestens 12,8 Milliarden ausgehen.
Da war die Mai-Steuerschätzung noch gar nicht eingerechnet, die Sachsen durchaus Steuereinnahmen von 12,9 Milliarden in Aussicht stellt. Aber selbst verglichen mit den vorsichtigen 12 Milliarden Euro, die das Finanzministerium noch 2015 für mögliche Zukunftseinnahmen hielt, wirken die 13 Milliarden ab 2017 und die 14 Milliarden ab 2019 regelrecht euphorisch. Damit werden die „Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen“ (SoBez), die von 2015 bis 2020 um 1,5 Milliarden Euro abschmelzen, tatsächlich ausgeglichen.
Damit wird Sachsen zwar noch kein reicher Staat und schon lange kein Geberland im Länderfinanzausgleich. Aber damit erhöht sich die Finanzierungsquote des sächsischen Haushalts aus eigenen Steuereinnahmen spürbar von vormals gerade 50 Prozent auf mindestens 68 Prozent bis 2019, wahrscheinlich sogar deutlich über 70 und 75 Prozent.
Dazu trägt auch die Stabilisierung der Bevölkerungszahl seit 2014 bei. Und selbst im Sinne eines stabilen Staatshaushalts wäre Sachsen jetzt dringend auf eine nachhaltige und gut organisierte Zuwanderung angewiesen. Von einer aktiveren Metropolpolitik ganz abgesehen. Aber wem erzählt man das, wenn nicht Städte wie Leipzig die Diskussion in der sächsischen Politik bestimmen, sondern die Verwerfungen in Heidenau, Freital und Clausnitz?
Die im März vorgestellte „Mittelfristige Finanzplanung“ für die Jahre 2015 bis 2019.
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