Was passiert eigentlich mit einer Stadt wie Leipzig, wenn die zunehmende Zahl der älteren Bewohner immer stärker die Problemwahrnehmung beeinflusst? Mit der „Bürgerumfrage 2015“ haben Leipzigs Statistiker ja nicht nur die Allgemeinbefindlichkeiten der Bürger abgefragt. Sie können auch nach Altersgruppen differenzieren. Mit einem ziemlich erhellenden Effekt.
Beispiel: Kriminalität und Sicherheit. Scheinbar die echte Nr. 1 unter Leipzigs Problemen. Aber es trifft genau das zu, was wir an dieser Stelle schon einmal benannt haben: Ob ein Befragter diesen Topos ankreuzt, hängt direkt damit zusammen, ob das Thema gerade in den Medien hochgekocht wurde. Und vor allem: In wessen Medien.
Denn selbst das macht die „Bürgerumfrage 2015“ sichtbar: Die Leipziger konsumieren nicht mehr alle dieselben Medien.
Das wird gerade beim Thema Kriminalität und Sicherheit sichtbar. Es steht zwar wieder ganz vorn in der Liste der Probleme. Aber tatsächlich hat es übers Jahr deutlich an Gewicht verloren, weil 2014 dieses Thema viel heißer durch die Medien gejagt wurde als 2015.
Wenn 49 Prozent der Befragten hier ihr Kreuz gemacht haben, dann waren das tatsächlich sogar weniger als 2014. Da machten noch 56 Prozent hier ihr Kreuzchen. Bei den jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) machten nur 38 Prozent hier ihr Kreuz, bei den Leipziger Eltern sogar nur 31 Prozent.
Nur bei den älteren Erwachsenen ab 55 Jahren blieb augenscheinlich die Panik am Kochen: Hier machten 69 Prozent ihr Kreuz. Ein Fakt, der zumindest darauf hindeutet, dass diese Leipziger andere Medien konsumieren und über völlig andere Dinge aus dem Häuschen geraten als die jüngeren. 2014 war die Panik mit 77 Prozent übrigens bei den Senioren noch größer.
Dass aber solche medial inszenierten Problemüberbewertungen immer wieder die eigentlichen Probleme kaschieren, wird deutlich, wenn man sieht, welche Sorgen eigentlich Leipzigs Eltern haben.
Wir haben ja das Wort Familiengerechtigkeit in letzter Zeit nicht ohne Grund zitiert.
Denn wenn man tatsächlich eine Familie managen muss in Leipzig, dann merkt man sehr schnell, dass es an den entscheidenden Stellen klappert und knirscht.
Deswegen spielt auch nicht die ewige Sicherheitsdiskussion die wichtigste Rolle für die Eltern, sondern Kindertagesstätten werden von ihnen als Nr.1-Problem der Stadt benannt. Und das im Jahr 2015, als die Stadtverwaltung schon dazu überging, das Thema abzumoderieren, frei nach dem Motto: Das haben wir geschafft.,
Nichts ist geschafft. 45 Prozent der Eltern gaben an, dass Kindertagesstätten in Leipzig ein Problem sind. 25 Prozent gaben außerdem an, dass Schulen ein Problem sind, ein Thema, das in der Gesamtzahl der Befragten nur auf 14 Prozent kam. Deutliches Zeichen dafür, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe mit einigen Leipziger Problemzonen sehr hart konfrontiert wird.
Übrigens auch mit dem Thema Arbeits- und Ausbildungsplätze, denn ganz so sonnig, wie es die 12 Prozent Nennungen in der Gesamtbetrachtung suggerieren, ist es in der Realität eben doch nicht. Für 20 Prozent der Leipziger Eltern ist das ein Problem, egal, ob es um familienverträgliche Arbeitsplätze für die Eltern geht oder die passenden Ausbildungsplätze für die Kinder. Eltern sehen auch Lärmbelastung mit 14 Prozent doppelt so häufig als Problem wie der Stadtdurchschnitt.
Was gut vorstellbar ist. Denn keine Bevölkerungsgruppe hat so viele Lebensleistungen gleichzeitig zu bewältigen. Und wenn 21 Prozent die Wohnkosten als Problem sehen, liegt das ebenfalls überm Stadtdurchschnitt. Leipzigs Statistiker haben sehr wohl registriert, dass Eltern diese direkt familienbezogenen Bereiche wesentlich kritischer sehen als die anderen Leipziger.
Verständlich, dass sie mit dem Angebot von Kindertagesstätten und Lehrstellen wesentlich unzufriedener sind als alle anderen Gruppen.
Leipzig hat sich das Thema Familie zwar groß auf die Fahnen geschrieben. Und das auch zu Recht. Aber wenn es konkret wird, stellt sich heraus, dass man gerade bei diesem Thema heillos hinterherkleckert. Und das, während die Zahl der Einwohner und der Kinder permanent wächst, die Nachfrage also deutlich steigt und der Nutzungsdruck – zum Beispiel auf Freizeitsportanlagen – deutlich zunimmt.
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