Wenn Stรคdte sich fรผllen, bedeutet das nicht unbedingt, dass auch der Wohnungsmarkt mitwรคchst. Schon gar nicht, wenn Bauen teurer ist, als es mit dem durchschnittlichen Mietniveau zu finanzieren wรคre. Das Durchschnittseinkommen in Leipzig kleckert weit hinterm Einkommensniveau vergleichbarer westdeutscher Stรคdte hinterher. Aber das Bauen ist genauso teuer. Ein Thema natรผrlich fรผr den Quartalsbericht.
Jรผngst war es auch Thema auf dem 14. Mitteldeutschen Immobilienkongress (MIK), der im Februar in der Kongresshalle stattfand.
Karl-Heinz Weiss, Regionalvorsitzender IVD Region Mitte-Ost e.V., fand dort deutliche Worte zu einer Regierungspolitik, die mit โverlรคsslichโ wirklich nicht beschrieben werden kann: โViele Probleme rund um das Thema Wohnen kรถnnten gelรถst sein โ wenn wir nicht durch widersprรผchliche Auflagen und Richtlinien ausgebremst wรผrden. Gerade vor dem Hintergrund der Forderungen nach bezahlbarem Wohnen ist eine stรคrkere Ehrlichkeit im gegenseitigen Umgang und ein Realitรคtssinn seitens der Politik unabdingbar. So hat laut einer Analyse des Immobilienanalysten Bulwiengesa allein Leipzig bis 2025 einen Neubaubedarf von 2.300 Wohnungen jรคhrlich, Dresden von fast 3.600. Doch zu hohe Kosten bremsen die Branche.โ
โDie Neubaukosten von Mehrfamilienhรคusern stiegen allein zwischen 2000 und 2014 um rund 40 Prozentโ, bemรคngelte Frank Mรผller, Vorstandsvorsitzender des BFW Landesverband Mitteldeutschland e.V. โUrsachen sind z.B. Ordnungsrechtliche Vorschriften, steigende Lรถhne, hรถhere Auflagen im Schallschutz, Brandschutz, Barrierefreiheit, steuerliche Vorgaben, Notarkosten, kommunale Auflagen, Baulandkosten, die Novellierungen der Energieeinsparverordnung EnEV und gestiegene Ansprรผche der Nutzer. Ein Beispiel: Fรผr Bauherren eines 12-Familien-Wohnhauses bedeutet die Kostenerhรถhung, dass sie statt 2.209 Euro pro Quadratmeter Wohnflรคche 3.080 Euro zahlen mรผssen.โ
Und hรถhere Kosten pro Quadratmeter beim Bauen mรผssen logischerweise durch hรถhere Mieten wieder refinanziert werden. Oder durch steigende Kaufkosten, wenn die neu gebauten Wohnungen an neue Besitzer wechseln. Und dass Mรผller Recht hat, zeigt auch eine Grafik, die Matthias Kredt, Leiter des Amtes fรผr Geoinformation und Bodenordnung der Stadt Leipzig, in seinem Beitrag โDemografische Einflรผsse auf den Immobilienmarkt Leipzigโโ im Quartalsbericht bringt. Danach stiegen die Kaufpreise fรผr jeden Quadratmeter im Neubau allein seit 2004 von 1.809 Euro auf 3.087 Euro, sie sind also noch stรคrker angestiegen als die Baukosten. Was auch mit der seit 2007 deutlich spรผrbareren Nachfrage in Leipzig zu tun hat.
Im Grunde kann Leipzigs Stadtverwaltung die Kaufpreise am Immobilienmarkt als Seismometer nehmen, dann weiร sie im Grunde, wie der Druck auf den Wohnungsmarkt wรคchst.
Da helfen auch keine Schรคtzungen zum Leerstand, auch wenn sich Leipzigs Statistiker groรe Mรผhe geben, den Leerstand in den Ortsteilen zu ermitteln. 2015 hatten sie anhand der Daten aus dem Melderegister errechnet, dass vielleicht noch rund 21.400 leerstehende Wohnungen zur Vermietung in Reserve stehen. Seitdem sind aber รผber 16.000 Menschen zusรคtzlich in Leipzig wohnhaft. โDeswegen wollen wir in nรคchster Zeit versuchen, eine neue Schรคtzung fรผr die Ortsteile vorzunehmenโ, verspricht Peter Dรผtthorn, Leiter der Abteilung Statistik im Amt fรผr Statistik und Wahlen.
Da muss man noch ein bisschen Geduld haben.
Aber die Zahlen aus der Bodenrichtwertkarte der Stadt zeigen schon recht deutlich, dass in einigen innerstรคdtischen Quartieren lรคngst die Post abgeht. Fast 20 Jahre lang war im Leipziger Immobilienmarkt eine gewisse Flaute. Es ging zwar deutlich mehr als in anderen ostdeutschen Groรstรคdten. Aber selbst der Geschosswohnungsbau kam fast vรถllig zum Erliegen. Deswegen ist es fรผr Matthias Kredt durchaus ein Signal, wenn der Leipziger Immobilienumsatz 2015 erstmals wieder seit 1996 die 2-Milliarden-Euro-Marke รผberschritten hat.
Freilich hat sich die Art der gehandelten Immobilien deutlich gewandelt. Ging es damals vor allem um unsanierte Altbausubstanz und um in Windeseile hingeklotzte Bรผroparks, waren es 2015 dann eher sanierte Mehrfamilienhรคuser, Einfamilienhรคuser (immer stรคrker am Stadtrand, denn innerstรคdtisch sind die Eigenheime kaum mehr finanzierbar) und โ als Lรถwenanteil โ Eigentumswohnungen.
โAber diese Welle geht wohl an den meisten Leipzigern vorbeiโ, bedauert Ruth Schmidt, die Leiterin des Amtes fรผr Statistik und Wahlen. Denn eigentlich wรคren sie jetzt dran gewesen, die Frรผchte der harten Arbeit, der Friedlichen Revolution und der schweren wirtschaftlichen Aufbauzeit zu ernten. Doch die Einkommen der meisten Leipziger sind nicht mitgewachsen โ und so kรถnnen sie sich jetzt, wo die Leipziger Grรผnderzeit wohnungsweise neue Besitzer findet, wieder nicht nachhaltig ein Stรผck Eigentum an ihrer Stadt sichern.
Dabei sind sie es, die den Wohnungsmarkt eigentlich befeuern. Denn nur weil sie seit 2005 einen Ortsteil nach dem anderen neu besiedeln und auffรผllen, wandert auch die Sanierungskarawane der neuen Hauseigentรผmer mit. Manche Viertel sind fast komplett durchsaniert โ und wo noch Einzelgebรคude saniert werden, ist schon lange nicht mehr mit โHartz IVโ-vertrรคglichen Mieten zu rechnen. Das Problem der Leipziger ist oft genug, dass sich nicht nur die Stadtverwaltung schwer tut mit dem Umdenken, sondern auch die Landesregierung. Sozialer Wohnungsbau ist nach wie vor nicht in Sicht.
Noch werden auch in Altwest (Lindenau usw.) immer wieder unsanierte Mehrfamilienhรคuser gekauft und saniert. Aber augenblicklich haben die Investoren den Leipziger Osten fรผr sich entdeckt und Ortsteile wie Volkmarsdorf und Sellerhausen in den Fokus ihrer Betriebsamkeit gebracht. Seit 2012 ist das so. Sie sind den mobilen Pionieren der Stadtentwicklung immer dichter auf den Fersen. Bis die Stadt durchsaniert ist. Und dann?
Eine Frage, die sich die Leipziger mit โwenig Einkommenโ zunehmend stellen.
Dazu kommen wir morgen an dieser Stelle.
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