Nicht nur das sächsische Arbeitsministerium und die sächsische Arbeitsagentur haben sich die Beschäftigtenzahlen des Jahres 2015 sehr kritisch angesehen auf die Frage hin: Was hat eigentlich der Mindestlohn, der zum 1. Januar 2015 eingeführt wurde, bewirkt? Hat er Arbeitsplätze vernichtet? Nicht die Bohne, stellt jetzt auch der DGB fest.
Er hat sich die neuesten nun vorliegenden Zahlen zur Erwerbstätigenstatistik der Bundesarbeitsagentur genauer angeschaut. Die stammen zwar erst von Juni 2015. Schneller ist die Erwerbstätigenrechnung in der Bundesrepublik nicht. Aber sie erfassen das entscheidende erste halbe Jahr. Und schon vorhergehende Zahlenanalysen haben gezeigt: Die Schwarzmaler auch aus einigen deutschen Wirtschaftsinstituten lagen völlig daneben. Auch weil sie wesentliche Rahmenbedingungen einfach ausgeblendet haben.
Erik Wolf, DGB-Regionsgeschäftsführer Leipzig-Nordsachsen, spricht beim 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn jedenfalls von einem Riesenerfolg.
“Ein Jahr nach seiner Einführung werfen wir einen Blick auf seine Wirkungen und stellen fest: Er hat keine Jobs gekostet und vielen Beschäftigten ein kräftiges Lohnplus beschert“, so Wolf weiter. „Wer im Vorfeld Jobverluste, Unternehmenspleiten und explodierende Verbraucherpreise befürchtete, wurde nun eines Besseren belehrt.“
Insbesondere Frauen, Ungelernte, Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen und in Ostdeutschland profitieren von der Lohnuntergrenze. Das ergab eine DGB-Analyse der Zahlen des Statistischen Bundesamts vom 2. Quartal 2015 im Vergleich mit dem Vorjahresquartal.
Nach Wirtschaftszweigen betrachtet, ist der Lohnzuwachs bundesweit im Gastgewerbe und im Handel besonders auffällig: Er beträgt im Gastgewerbe sechs Prozent.
Was da vorher im ostdeutschen Gastgewerbe los war, macht der Vergleich deutlich: Im Westen stiegen hier die Löhne um 4,9 Prozent, in Ostdeutschland aber um 18,4 Prozent. Im Handel bekamen die Beschäftigten bundesweit im Schnitt 2,7 Prozent mehr Geld. Und auch hier wird deutlich, wie sehr einige Unternehmen das Label “Niedriglohnland” ausgenutzt haben. So stiegen die Löhne im Einzelhandel West um 1,3 Prozent, im Osten aber um 17,8 Prozent.
Über viele Branchen hinweg profitieren besonders die Frauen vom Mindestlohn: Sie erhielten bundesweit 3,5 Prozent mehr Lohn, bei Männern waren es 3,1 Prozent.
Daten zur Entwicklung der Beschäftigung (Januar bis Ende März 2015) zeigen außerdem, dass die Lohnzuwächse keineswegs mit dem Abbau von Arbeitsplätzen einhergingen. Im Gegenteil: Sozialversicherungspflichtige Arbeit nahm in Leipzig und den angrenzenden Landkreisen zu: in der Stadt Leipzig um 3,9 Prozent (9.182 Stellen), im Landkreis Leipzig um 0,3 Prozent (211 Stellen), im Landkreis Nordsachsen um 1,9 Prozent (1.301 Stellen).
Die ausschließlich geringfügige Beschäftigung nahm im Gegenzug ab: In der Stadt Leipzig sogar um satte 24,2 Prozent (9.075 Stellen), im Landkreis Leipzig um 7,9 Prozent (709) und Landkreis Nordsachsen um 5,9 Prozent (502).
Aus Sicht des DGB liegt die Vermutung nahe, dass Minijobs zu regulären (Teilzeit)-Stellen zusammengelegt wurden. Und es zeige sich auch, dass der Mindestlohn in konjunkturell guten Zeiten den Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bewirkt statt einer Zunahme prekärer Minijobs. Wobei nicht nur die stabile Konjunkturentwicklung eine Rolle spielt, sondern auch der zunehmende Nachwuchsmangel in Sachsen. Auch Dienstleistungsunternehmen, die in der Vergangenheit kein Problem hatten, Arbeitskräfte zu niedrigsten Konditionen zu finden, sind mittlerweile gezwungen, ihr Personal mit einer vollauskömmlichen Bezahlung zu sichern. Was es auch Zeitarbeitskräften ermöglicht, in feste Anstellungen zu wechseln. Das erhöht zwar in einigen Branchen die Preise, führt aber selten dazu, dass Beschäftigung so teuer wird, dass sich die Dienstleistung nicht mehr rechnet.
Noch liegen zwar für Leipzig keine Zahlen zur Lohnentwicklung vor, aber es ist davon auszugehen, dass der Mindestlohn vor allem in den niedrigen Einkommensgruppen für einen Anstieg der monatlichen Einkünfte gesorgt hat.
Wer im Vorfeld geunkt habe, dass durch den Mindestlohn viele Unternehmen in die Pleite rutschen, könne durch eine weitere Zahl beruhigt werden, stellt der DGB fest: Von Januar bis August 2015 sind rund 3,7 % weniger Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen als im Vorjahreszeitraum. Seit der Jahrtausendwende ist das der niedrigste Stand der Unternehmensinsolvenzen.
“Wir werden weiterhin darauf achten, dass der Mindestlohn wirklich überall ankommt“, betont Wolf. Deshalb seien engmaschige Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit unabdingbar. “Auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen. Flüchtlinge kennen sich mit den hiesigen Gesetzen noch nicht aus. Wenn sie auf den Arbeitsmarkt kommen, benötigen auch sie Schutz vor Lohndumping und Verstößen gegen das Mindestlohngesetz. Die Kontrollen müssen daher aufgestockt werden.“
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