Da nun zu unserem jüngst hier veröffentlichten Beitrag zum Wachstum der Stadt Leipzig die Frage aufkam "Ja, wie ist das dann aber mit der Region drumherum? Gibt es da Zahlen?" Natürlich gibt es die. Für das Bundesland Sachsen sogar geballt auf einer Website, in die die Landesstatistiker alle Zahlen zur demografischen Entwicklung einpflegen: Das ist der Demografiemonitor. Die grüne Farbe darf einen dabei nicht irritieren.

Denn die grüne Farbe umfasst den größten Bereich des Spektrums – von einem Bevölkerungswachstum seit dem Jahr 2000 um 12,2 Prozent (das ist die Stadt Dresden) bis zu einem Bevölkerungsschwund von 10,5 Prozent. Die meisten Kommunen, die der Demografiemonitor für die Zeitspanne von 2000 bis 2014 in Grün ausweist, haben in Wirklichkeit heftige Bevölkerungsverluste erlebt.

Es gibt eigentlich nur zwei Städte in Sachsen, die wirklich wachsen: Dresden mit den genannten 12,2 Prozent über 14 Jahre und Leipzig mit 10,2 Prozent im selben Zeitraum.

Bevölkerungsentwicklung in Sachsen 2000 bis 2014: Wachstumsregionen sind hellblau eingefärbt. Karte: Freistaat Sachsen
Bevölkerungsentwicklung in Sachsen 2000 bis 2014: Wachstumsregionen sind hellblau eingefärbt. Karte: Freistaat Sachsen

Um das deutlicher zu machen, haben wir alle Wachstumskommunen hellblau eingefärbt. Man sieht: Vom Wachstum der beiden Großstädte profitieren statistisch nur die direkt anliegenden Kommunen. Bei Leipzig sind das lediglich drei, wenn man den Zeitraum seit 2000 betrachtet: Markkleeberg, Taucha und Borsdorf.

Bei Dresden strahlt die städtische Entwicklung deutlich stärker auf die umliegenden Gemeinden aus. Hier verzeichnen auch Dohna, Kreischa, Bannewitz, Willsdruf, Radebeul und Moritzburg seit 2000 ein Bevölkerungswachstum. Alle diese Gemeinden im Süden und im Westen Dresdens gelegen, während einige Kommunen im Osten und Südosten der Stadt, die in letzter Zeit negative Schlagzeilen einfuhren, in dieser Zeit deutliche Bevölkerungsverluste hatten. Dazu gehören Freital und Heidenau.

Die Karte zeigt recht deutlich, wie sich das Wachstum des Landes auf zwei Punkte konzentriert.

Das Thema Chemnitz lassen wir hier außen vor, denn der Monitor bietet leider keine Möglichkeit, den Zahlenvergleich etwa mit den Jahren 2005 oder 2010 vorzunehmen. Chemnitz ist ja um rund zehn Jahre später wieder auf Wachstumskurs gegangen als Leipzig und Dresden, was der Stadt bislang gegenüber dem Jahr 2000 noch ein Minus von 6,1 Prozent verschafft. Es ist gut möglich, dass sich hier ein dritter starker Wachstumskern in Sachsen  etabliert.

Aber das eigentlich Alarmierende ist – und die Farben zeigen es recht deutlich – wie sich das Land ringsum immer mehr entleert. Waren die Verlustraten der Kommunen in den Landkreisen Anfang der 2000er Jahre alle noch im einstelligen Bereich, sind sie im Lauf der Jahre zum Teil heftig angestiegen. 20 Prozent Bevölkerungsverlust ist für einen Großteil der Gemeinden mittlerweile der Normalzustand. Alle Gemeinden, die in Rot eingemalt sind, haben höhere Bevölkerungsverluste, die bei besonders periphär liegenden Kommunen schon deutlich über 30 Prozent gehen.

Man kann sich ausmalen, was das heißt. Auch für die großen Städte. Hier bricht der Nachschub an jungen Leuten, die auch mal zur Ausbildung in die großen Städte wandern, ab. Da kommt dann nichts mehr. Und die örtliche Bevölkerung selbst wird zunehmend vergreisen. Da nutzt auch eine Komplettausstattung mit Breitband nichts.

Wirkliche Stabilisierungschancen haben derzeit nur jene Kommunen, die in der Karte Grün eingezeichnet sind und die zumeist entlang der relativ gut ausgebauten Verkehrswege liegen, auf denen man schnell in die Knotenpunkte der Metropolregion gelangt.

Eine Frage war auch: Und wie sieht es nebenan aus?

Entwicklung in Sachsen-Anhalt 2000 bis 2014. Karte: Sachsen-Anhalt
Entwicklung in Sachsen-Anhalt 2000 bis 2014. Karte: Sachsen-Anhalt

Der Demografiemonitor in Sachsen-Anhalt ist ein bisschen umständlicher zu bedienen, heißt auch nicht ganz so, sondern Regionalkompass. Und er bietet als kleinste Einheit nur die Landkreise und Kreisfreien Städte ab. Aber auch so wird deutlich, dass es in diesem Bundesland ganz ähnlich zugeht – mit der Ausnahme: Keine Stadt in Sachsen-Anhalt hat die Kapazität zu einem echten Wachstumskern wie Leipzig und Dresden zu werden. Magdeburg und Halle sind aber – mit Bevölkerungsverlusten von 1,0 und 6,2 Prozent seit 2000 – eindeutig die stabilsten Punkte in Sachsen-Anhalt, haben also eine ähnliche Entwicklung genommen wie Chemnitz.

Wenn man eine Karte für ganz Mitteldeutschland zusammenbasteln würde, würde man drei starke Wachstumskerne sehen – neben Leipzig und Dresden in Sachsen wäre das noch Jena (+ 8,9 Prozent) in Thüringen. Dazu käme ein halbes Dutzend Groß- und Mittelstädte, die sich so langsam zu stabilen Knoten entwickeln. Man hätte also eine Region vor sich, die so nach und nach ein paar zentrale Entwicklungszonen ausprägt, auf die alles hinstrebt, während die ländlichen Bereiche sich immer weiter entvölkern.

Was zählt, sind nun einmal die kompakten Infrastrukturen, die es in den Knotenpunkten noch gibt. Außerhalb davon sind sie oft schon viel zu weit ausgedünnt, um aus eigener Kraft eine Trendwende zu bewerkstelligen.

Was in der Folge heißt: Alles Geld nutzt nichts, mit dem man die in den letzten 25 Jahren verlorenen Einwohner zurückholen will. Die drei Landesregierungen wären gut beraten, die Wachstumskerne zu stärken und von dort aus weitere starke Netzknoten zu schaffen, die aufs Engste mit diesen Herzkammern der Region verbunden sind – vor allem auch mit einem gut ausgebauten ÖPNV. Die ganze Region muss neu gedacht werden, um das, was in Leipzig und Dresden funktioniert, auch wieder fruchtbar für die kleineren und mittleren Städte zu machen.

Falls das nicht passiert – und es sieht ja nun mal so aus, dass es nicht passiert -, dann ist der wahrscheinlichere Prozess, dass die Sache “ihren eigenen Weg nimmt”. Das heißt: Die Entwicklung der Großstädte wird sich erst recht von der Entwicklung der Landkreise abkoppeln. Vermehrter Zuzug vor allem aus dem Ausland wird Städte wie Leipzig immer internationaler machen und möglicherweise auch Bildungs-, Forschungs- und Wirtschaftsstruktur befruchten. Und nur die Randgemeinden partizipieren von der Entwicklung, während einige Regionen Mitteldeutschlands regelrecht veröden werden. Mit entsprechenden Verlust- und Kontrollängsten bei den dort Gebliebenen, für die der Begriff “abgehängt” zum täglichen Erlebnis wird.

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