Die Reise geht weiter. Leipzig wächst. Und es sieht ganz so aus, als würde die Stadt in diesem Jahr die Zuwachsrekorde von 2014 locker überbieten. Schon für September meldeten Leipzigs Statistiker die neue Zahl 560.647. Die stammt aus dem Melderegister der Stadt. Die Landesstatistiker hängen um mehrere Monate mit ihren Zahlen hinterher. Aber es sieht schon jetzt nach einem neuen Rekord aus.

Per September waren schon 13.708 Personen mehr in Leipzig gemeldet als ein Jahr zuvor. Die Zuwachsrate hat sich nach 10.701 im Jahr 2012, 10.662 im Jahr 2013 und 12.403 also noch einmal erhöht. Das hat seine Ursachen natürlich auch in der Art der Zuwanderung. Denn mehr als die Hälfte der seit September 2014 registrierten Zuwanderung ist durch Migration bedingt: 7.945 der Zuwanderer haben einen Migrationshintergrund. Die meisten davon (1.556) stammen aus Syrien, gefolgt von Rumänien, Albanien, Afghanistan und Bulgarien.

Die Zuwanderung aus dem Ausland hat also die sowieso schon hohe Zuwanderung nach Leipzig verstärkt. Und in der stecken schon seit Jahren nicht nur Zuwanderer aus den ostdeutschen Bundesländern. Seit 2010 hat Leipzig auch mit den alten Bundesländern einen positiven Wanderungssaldo. Dazu dann das erstmals 2014 verzeichnete Plus bei den Geburten gegenüber den Sterbefällen von 400 – das macht Leipzig zum absoluten Wachstumsspitzenreiter in Mitteldeutschland.

Natürlich hat das mit mehreren Faktoren zu tun. Zuallererst natürlich mit den verfügbaren Arbeitsplätzen. Und in keiner Stadt in weitem Umkreis steigt die Zahl der Arbeitsplätze so stark an wie in Leipzig. 241.065 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wurden im Dezember 2014 gezählt, 30.000 mehr als noch 2010. Und diese Zahl hat nicht das Verarbeitende Gewerbe geschafft, auch wenn es der produktivste Teil der Leipziger Wirtschaft ist. 18.400 Beschäftigte wurden im Sommer in den wichtigsten Betrieben des verarbeitenden Gewerbes gezählt, rund 1.000 mehr als ein Jahr zuvor.

Aber die Gesamtzahl der sv-pflichtig Beschäftigten lag schon im Frühjahr bei 246.564. Das waren über 9.000 mehr als zum Vorjahreszeitpunkt. Trotz Mindestlohn, könnte man sagen. Denn all die Unkenrufe zum Mindestlohn aus dem Jahr 2014 haben sich nicht bestätigt. Was logisch ist. Denn was in Ostdeutschland in den vergangenen fünf Jahren vor allem geschrumpft ist, ist die Zahl junger Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt. Damit haben sich die Gewichte im Arbeitsmarkt verschoben. Die Zeit, in der einige clevere Unternehmen mit Mini- und Midijobs die eigenen Lohnaufwendungen reduzieren konnten, sind vorbei. Tatsächlich hätten die meisten schon längst auf deutlichere Lohnsteigerungen umschalten müssen, um sich ihren Nachwuchs zu sichern.

Aber gerade Leipzig ist eben nicht vom lohnstarken Verarbeitenden Gewerbe geprägt, sondern von einer stark wachsenden Dienstleistungskulisse. Dort aber sind viele Branchen heimisch, die in der Vergangenheit mit Niedriglohnmodellen gearbeitet haben. Das hat auch dazu geführt, dass die Durchschnittseinkommen in Leipzig deutlich niedriger lagen als in Dresden oder Chemnitz. Erst 2013, 2014 hat so langsam ein Aufholprozess eingesetzt, auch weil sich neben den niedrig entlohnten Dienstleistungsbranchen auch verstärkt spezialisierte Dienstleister zum Beispiel aus dem IT-Bereich angesiedelt haben.

Die starke Ausprägung des Dienstleistungssektors kommt augenscheinlich dem städtischen Wachstum derzeit besonders stark zugute.

Und da die Jahrgänge, die jetzt in Ausbildung und Beruf gehen, geradezu halbiert sind, heißt das natürlich trotzdem, dass die Unternehmen verstärkt Menschen einstellen, die in der Vergangenheit an den besser bezahlten Vollzeitjobs immer vorbeigeschrammt sind. Da wird auch der Mindestlohn kräftig geholfen haben, denn schon im Frühjahr wurden über 8.000 geringfügig Entlohnte weniger gezählt als ein Jahr zuvor. Viele prekäre Jobs haben sich in Vollzeitjobs verwandelt, andere sind weggefallen. Und wenn der Trend anhält, könnte Leipzig nach Jahren endlich auch an das Verdienstniveau von Chemnitz und Dresden anknüpfen.

Natürlich ist der Fokus auf Leipzig viel zu eng: Es ist ja nur der Herzmuskel einer ganzen Region, was man schön beobachten könnte,  wenn man die morgendlichen Pendlerströme rein in die Stadt und raus aus der Stadt aus der Höhe beobachten könnte. Die Stadt ist mit vielen kleinen Adern mit ihrem Umland verbunden. Was auch bedeutet, dass ein Effekt, der in Dresden schon unübersehbar ist, in Leipzig zunehmend Farbe annimmt: die sogenannte zweite Welle der Suburbanisierung. Denn wer es sich leisten kann, der sucht sich wieder eine Wohnung im “Speckgürtel” der Stadt, was etliche Umlandgemeinden nun wieder mitwachsen lässt im Rhythmus der Stadt.

Aber hat das nur etwas mit den Einkommen zu tun? Oder sollte die regionale Gemeinschaft nicht langsam lernen, ihr Beziehungsgeflecht neu zu denken, weil nun einmal alles mit allem zusammenhängt und das dörfliche Kleinklein der Vergangenheit die Entwicklung eher bremst als befördert.

Mehr dazu morgen an dieser Stelle.

Zum Statistischen Quartalsbericht:

Der Statistische Quartalsbericht III / 2015 ist im Internet unter http://www.leipzig.de/statistik unter „Veröffentlichungen“ einzusehen. Er ist zudem für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich.

Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig>
Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228

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