Die letzte Bevölkerungsprognose des Freistaats Sachsen stammt aus dem Jahr 2011. Wer sich erinnert: Auf dieser Prognose bauten sämtliche Kürzungspläne auf, die die damalige CDU/FDP-Regierung für den sächsischen Staatsapparat beschloss. Die Prognose sah bis 2025 einen Rückgang der sächsischen Bevölkerung auf 3,65 bis 3,78 Millionen Einwohner voraus. Das Besondere an der Prognose: Sie erwies sich schon im nächsten Jahr als völlig falsch.
Was ja bekanntlich nichts daran geändert hat, dass die sächsische Politik an ihren Kürzungsplänen bis heute festgehalten hat. Auch wenn die Statistiker sich seither immerfort korrigieren. Auch die sächsischen. Die Landesstatistiker aus Kamenz haben zwar noch keine neue eigene Bevölkerungsprognose erstellt. Damit ist wohl erst im Frühjahr 2016 zu rechnen.
Aber auf der Homepage des Landesamtes für Statistik haben sie vorsichtshalber die völlig irrealen eigenen Berechnungen von 2011 ersetzt durch die ein wenig realistischeren des Bundesamtes für Statistik, die am 7. September 2015 veröffentlicht wurden. Danach geht die sächsische Bevölkerung von aktuell 4,05 Millionen bis 2025 nur noch auf rund 3,9 Millionen zurück.
Sagen wir es mal so: Auch die Bundesstatistiker haben ein Problem. Sie können sich nicht vorstellen, wie die Bundesrepublik künftig noch aus eigener Kraft wachsen oder wenigstens eine stabile Bevölkerung bewahren soll. Sie sind übrigens bei ihrer Rechnerei auf die simple Tatsache gestoßen, dass der drohende Bevölkerungsverlust nur noch durch eine jährliche Zuwanderung von mindestens 500.000 Menschen auszugleichen wäre. Es ist simple Mathematik. Aber die simple Mathematik sagt: Wenn die Bundesrepublik kein echtes Einwanderungsland wird, wird sie schlichtweg vergreisen und wegschrumpfen.
Dass das die Blitzmerker von Pegida, AfD & Co. so wollen, darf bezweifelt werden.
Dass die Großstädte in Sachsen sich von der Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum längst abgekoppelt haben, ist ja auch bekannt. Sie wachsen und ziehen mit ihren dichteren Infrastrukturen zu Tausenden die jungen Leute aus den ländlichen Räumen an.
Was es den Statistikern in den Großstädten nicht leichter macht, belastbare Prognosen für die nächsten Jahre zu erstellen. “Wir sind gerade dabei”, sagt Ruth Schmidt, Leiterin des Leipziger Amtes für Statistik und Wahlen, für die neuen Leipziger Vorausberechnungen. Aber eigentlich weiß man auch dort nicht mehr so recht, wie man das Ganze berechnen soll. Denn anders als in Kamenz hat man in der Vergangenheit auch schon deutlich mehr Außenfaktoren in die eigene Berechnung aufgenommen. Mit dem Ergebnis, dass die Leipziger Prognosen für die eigene Bevölkerungsentwicklung deutlich höher ausfielen als die der Landesstatistiker – und deutlich realistischer.
Die Landesstatistiker haben für Leipzig im Jahr 2025 eine Bevölkerungszahl von 512.000 bis 538.500 vorausgesagt.
Da muss man nicht mal nach Baalsdorf oder Mölkau rausfahren, um die Hühner kichern zu hören. Die Zahlen sind Makulatur. Schnee von gestern.
Leipzig ist schon lange darüber hinausgewachsen. Und es war viel realistischer, als Leipzigs Statistiker 2013 dann eine Bevölkerungszahl von 584.900 für das Jahr 2025 ausrechneten. Auch das schon mit Bauchschmerzen, das gaben sie schon zu. Denn eine Geburtenrate von 1,4 bis 1,5 Kindern pro Frau ergibt keine solchen Zuwächse. Die kommen nur mit Zuwanderung. Aber irgendwann muss auch die wildeste Zuwanderung aufhören, wenn in den ländlichen Räumen kaum noch Frauen im gebärfähigen Alter sind. Deswegen haben Leipzigs Statistiker ab 2020 eher nur noch eine gedämpfte Entwicklung gesehen.
In der Hauptvariante. Sie haben auch eine optimistische Variante vorgelegt, die für 2025 eine 610.000 voraussagte.
Nun sieht aber alles danach aus, dass die 600.000 schon fünf Jahre früher fällt, denn seit vier Jahren liegt der jährliche Bevölkerungszuwachs in Leipzig über 10.000. Und er speist sich schon lange nicht mehr nur aus den jungen Leuten zwischen 18 und 25, die zur Ausbildung und Studium nach Leipzig kommen. Seit zwei Jahren hat sich auch der Anteil der 25- bis 35-Jährigen deutlich erhöht. Ganze Familien ziehen aus den ländlichen Räumen nach Leipzig um.
Das hat was mit Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum zu tun. Das behandeln wir noch schön separat an anderer Stelle.
Und wenn jetzt auch mehr junge Frauen zwischen 25 und 35 nach Leipzig ziehen, erhöht das logischerweise die Zahl von jungen Frauen im gebärfähigen Alter – ein Hauptgrund dafür, dass die Geburtenrate noch einmal kräftig angezogen ist. Aber eine Zahl hat sich nur marginal geändert: die “Altersspezifische Fruchtbarkeitsziffer”. Die drückt ungefähr aus, wie viele Kinder eine Leipzigerin heutzutage bekommt – im Durchschnitt natürlich. 2014 waren es genau 1,49. Das war ein bisschen mehr als in den Vorjahren, als die Zahl bei 1,44 (2013) und 1,38 (2012) lag.
Aber auch anderthalb Kinder pro Frau reichen nicht, um die Bevölkerung zu stabilisieren. So ein wenig haben ja Leipzigs Statistiker die Hoffnung, dass es vielleicht doch wieder zur Zwei-Kind- oder Drei-Kind-Familie kommt. Ein gewisser “Trend zum Zweitkind” ist da. Mehr nicht.
Leipzig kann beim Wachstum also nur auf weitere Zuwanderung hoffen. Aber keiner weiß so richtig, wo die herkommen soll, wenn der Geburtensaldo in der gesamten Bundesrepublik eigentlich negativ ist. Langfristig kann das nur durch Zuwanderung aus aller Welt kompensiert werden.
Aber wenn das Jahr 2015 eines bewiesen hat, dann das: wie schlecht Behörden und Politik, nachdem sie über 25 Jahre gegen echte Einwanderung gemauert haben, für eine gestaltete Zuwanderung gerüstet sind. Die komplette europäische Gemeinschaft ist in dieser Hinsicht seit Jahren auf einem falschen Weg und reihenweise haben verschreckte Bevölkerungen knochenharte Abschottungspolitiker an die Macht gewählt, die augenscheinlich lieber Mauern um ihre Länder bauen, als die Zukunft des Kontinents gemeinsam zu gestalten. Und das wird nur mit Zuwanderung gehen. Denn die Geburtenraten sind in praktisch allen europäischen Staaten im Keller.
Aber wohin können dann Sachsens Großstädte eigentlich noch wachsen?
Mehr dazu gleich an dieser Stelle.
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