Groß herumgerechnet haben die Mitarbeiter des Pestel-Instituts nicht, auch wenn sie am Montag, 26. Oktober, die Welt mit der Nachricht erfreuten: "In Leipzig werden rund 2.740 Wohnungen für die Flüchtlinge, die in diesem Jahr kommen, zusätzlich gebraucht. Das geht aus einer aktuellen Wohnungsmarkt-Analyse des Pestel-Instituts hervor."
In einem Aspekt erweist sich das der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) nahestehende Institut sogar als erstaunlich ahnungslos. Dazu kommen wir gleich.
Das Pestel-Institut in Hannover geht bei seiner Wohn-Prognose von rund 6.850 Flüchtlingen aus, die im Laufe dieses Jahres nach Leipzig kommen werden. Grundlage hierfür ist die für Deutschland erwartete Zahl von einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015. Die Verteilung der Asylbewerber auf die Bundesländer berechneten die Pestel-Mitarbeiter nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“, innerhalb der Länder nach der Einwohnerzahl.
Es ist schon erstaunlich, was die diversen in Deutschland heimischen Institute so alles Studie oder Analyse nennen. Hinter dieser Analyse steckt nichts anderes als die kurze Bedienung eines Taschenrechners:
5 Prozent der geschätzten 1 Million Flüchtlinge (eine Zahl, die zwar durch die Medien geistert, die aber noch nirgendwo durch eine belastbare Erhebung untersetzt ist) wird nach Sachsen umgeleitet. Macht nach Adam Ries etwas über 50.000, die dann im Land ebenfalls wieder nach Bevölkerungszahl aufgeteilt werden. Ungefähr 13,5 Prozent werden also nach absolvierter Erstaufnahme an die Stadt Leipzig weiter verwiesen. Was dann die 6.850 ausmacht.
Und auch der nächste Schritt ist mit dem Taschenrechner zu bewältigen.
„Um die für Asylbewerber zusätzlich benötigten Wohnungen zu ermitteln, gilt die Formel: 100 Flüchtlinge, die nach Leipzig kommen, benötigen im Schnitt 40 Wohnungen“, erläutert Matthias Günther.
Womit dann nach Berechnungen der Pestel-Mitarbeiter der Gesamt-Wohnungsbedarf für Leipzig im Jahr 2015 auf rund 10.840 Wohnungen steigt. Denn auch ohne die zugewiesenen Flüchtlinge steigt ja die Bevölkerung weiter – bis Jahresende um schätzungsweise 12.000 bis 13.000 – so wie im Jahr 2014. Damit würde sich die von der Stadt geschätzte Zahl von 22.000 leerstehenden Wohnungen in diesem einen Jahr halbieren.
Im Schnitt wurden in den vergangenen Jahren in Leipzig allerdings lediglich rund 1.190 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt.
Das passt natürlich hinten und vorne nicht und es ist absehbar, dass alle Kritiker der geradezu gelähmten Leipziger Wohnungsmarktpolitik am Ende Recht behalten – und zwar ziemlich bald. Denn dann werden gerade den Leipzigern mit geringen Einkommen die Wohnungen ausgehen. Vorgesorgt hat niemand. Obwohl das Pestel-Institut schon seit mehreren Jahren gewarnt hat und einige Medien diese Warnungen auch undiskutiert übernommen haben.
Nur bei den entscheidenden Politikern kommt die Botschaft einfach nicht an.
“Um eine handfeste Wohnungskrise zu vermeiden, muss dringend neuer Wohnraum her. Immerhin braucht Leipzig in diesem Jahr 9,1-mal so viele Wohnungen wie bislang jährlich überhaupt neu gebaut wurden“, sagt Pestel-Institutsleiter Matthias Günther. Auch in den kommenden Jahren müsse sich Leipzig auf einen „hohen Wohnraumbedarf einstellen“. Es sei deshalb „zwingend notwendig, die bisherige Neubaurate enorm zu steigern und beim Leerstand kräftig zu sanieren“, so das Institut.
Das von der Stadt vorgelegte Konzeptpapier zum “Wohnungspolitischen Konzept” klingt aber nicht so, liest sich eher wie das müde Erwachen eines Drachen nach langem Schlaf: Mehr Wohnungen werden gebraucht? Naja, könnte man ja mal für die nächsten Jahre angehen.
“Es fehlen bezahlbare Wohnungen. Vor allem aber Sozialwohnungen. Also vier Wände für die Menschen, die sich teure Wohnungen in der Regel nicht leisten können: Rentner, Alleinerziehende, junge Menschen in der Ausbildung, einkommensschwache Haushalte und eben auch Flüchtlinge“, macht Matthias Günther deutlich.
Gemeinsam sprechen sich die Vertreter der Baubranche für eine Ankurbelung vom Wohnungsneubau und für eine Offensive bei der Sanierung leerstehender Wohnungen aus. Ebenso für einen Neustart des sozialen Wohnungsbaus. Erreicht werden könne dies, so das Pestel-Institut, durch zinslose Darlehen und Investitionszulagen für genossenschaftliche und kommunale Wohnungsunternehmen.
Um private Investoren zu gewinnen, schlägt das Pestel-Institut auch steuerliche Anreize vor. So sollte regional und zeitlich begrenzt in Verbindung mit Mietobergrenzen eine lineare Abschreibung für Abnutzung (AfA) von 4 Prozent eingeführt werden. Ebenso eine degressive Abschreibung mit anfänglich zehn Prozent, um den sozialen Wohnungsbau zu stärken. Diese gab es bereits bei der letzten großen Zuwanderungswelle in den 1990er Jahren.
„Wenn private Investoren bezahlbare Wohnungen bauen sollen, dann wird das ohne steuerliche Anreize nicht funktionieren“, so Günther.
Aber das alles ist die ferne Außensicht aus Hannover, wo man offenbar felsenfest davon ausgeht, im eher einkommensschwachen Sachsen würde es auch so etwas wie sozialen Wohnungsbau geben.
Die vom Bund jetzt bereitgestellten 500 Millionen Euro, die die Länder bis 2020 jährlich für den sozialen Wohnungsbau bekommen sollen, findet das Pestel-Institut natürlich zu mager. Die Summe reicht in keiner deutschen Metropolregion tatsächlich aus, um den wachsenden Wohnungsbedarf in den Großstädten zu decken.
„Das wird hinten und vorne nicht reichen. Bundesweit werden dadurch bestenfalls zwischen 10.000 und 12.000 Wohnungen neu entstehen. Das ist eine Kapazität, die eine Großstadt nur so wegschluckt. Leipzig wird davon nicht wirklich spürbar profitieren“, sagt Matthias Günther.
Tatsache ist: Leipzig hat davon überhaupt nichts.
Denn der Bund reicht die Förderung nicht an die Kommunen aus, sondern an die Bundesländer. Und Sachsen reicht das Geld nicht für sozialen Wohnungsbau weiter. Der größte Batzen geht für einen Bereich drauf, bei dem sich der sächsische Normalverdiener nicht mal hinten anstellen kann: Eigentumsförderung bei Wohnraum.
Ergebnis: null Euro für sozialen Wohnungsbau in Leipzig, null sozialer Wohnungsbau in Leipzig.
Die Stadt kommt noch viel schneller in die Wohnungsmarktmisere, als es sich Stadträte, Verwaltung und Pestel-Institut ausmalen können.
Was natürlich nicht heißt, dass der Bund nicht gut daran täte, die Gesamtsumme für sozialen Wohnungsbau deutlich zu erhöhen, denn die Alarmsignale aus den zuwanderungsstärksten Großstädten sind ja längst unüberhörbar.
Matthias Günther an die Adresse der heimischen Bundestagsabgeordneten: „Es muss dringend etwas passieren. Andernfalls droht eine Wohnungskrise, die das Potenzial hat, an vielen Orten zu erheblichen sozialen Spannungen zu führen.“
Politisch müsse der Neubau und das Sanieren von Wohnungen als Konjunkturmotor neu entdeckt werden. „Denn, was als Anreiz vom Staat investiert wird, fließt beim Wohnungsbau zu einem Großteil über Steuereinnahmen und Sozialabgaben in öffentliche Kassen zurück“, macht Institutschef Günther klar.
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Nun wird mit dieser Asylpolitik Kohle verdient. Überall leuchten schon die Euro-Noten in den Augen. Auch bei solchen Institute nicht, die sonst kaum einer kennt, und wie hier, nun knallhart die finanziellen Interessen der Bauwirtschaft vertreten. Von der Gewerkschaft ganz zu schweigen. Bisher haben die scheinbar geschlafen, denn Jahrzehnte wurde der soziale Wohnungsbau in der BRD sowie im wieder vereinten Deutschland vernachlässigt. Er hat nicht statt gefunden. Trotz vieler Wohnungsprobleme für die nicht so begüterten unserer Gesellschaft, was nicht wenige sind.
Ich würde mich sehr wundern, wenn deshalb die Bauwirtschaft ausländische Arbeitskräfte im erheblichen Umfang einstellt. Das ist auch nicht nötig, denn auch auf diesem Gebiet gibt es genug Arbeitslose.
Hier höre ich lieber auf.