Sachsen hat ja bekanntlich fünf Jahre politisches Gejammer über schwindende Bevölkerung und sinkende Haushaltseinnahmen hinter sich. Seit der Regierungsbildung von CDU und SPD ist das Gejammer deutlich leiser geworden. Nur beim Sächsischen Rechnungshof verstummt der Ruf nicht: "Sparen, Leute! Ihr müsst mehr sparen!"

Dem Ruf zugrunde liegt ein Staatsmodell, das ein Land wie Sachsen wie ein hochtechnisiertes Privatunternehmen betrachtet. Da muss Rendite erwirtschaftet werden, müssen Rücklagen gebildet werden, müssen auch die Versorgungsleistungen der Bediensteten in Fonds gesichert sein und der Betrieb selbst muss verschlankt werden.

So ein Quatsch, dachte sich nicht nur die SPD, als sie 2014 in die Regierung eintrat. Das denkt auch ein gut Teil der CDU und des sächsischen Staatsapparates. Denn wenn man Polizisten, Lehrer, Richter, Finanzbeamte usw. einfach einspart, bleibt die Arbeit schlichtweg ungetan: Ganoven werden nicht eingefangen oder ihre Prozesse platzen, tausende Schüler schaffen ihren Schulabschluss nicht, Steuervergehen bleiben unaufgeklärt – der Dienstleister Staat wird zu einer Schießbudenfigur.

Deswegen steht nicht nur die Personalkonzeption der Staatsregierung aktuell auf dem Prüfstand, auch die Bevölkerungsprognose muss erneuert werden, denn die Zahlen, die 2009 für alle “Reformen” zugrunde gelegt wurden, sind Makulatur. Und damit auch alles, was der Rechnungshof nun im neuen “Rechnungshofbericht 2015”, Band 1, bekrittelt.

“Die steigenden Steuereinnahmen täuschen über die Notwendigkeit der Ausgabenrückführung hinweg. Das ifo Institut ermittelt in seiner jährlichen Projektion der Einnahmen für den Freistaat Sachsen einen Rückgang der Einnahmen von rd. 2 Mrd. € (preisbereinigt) bis 2025 aufgrund sinkender Osttransfermittel und den Auswirkungen der demografischen Entwicklung”, ist da zu lesen. Die Prognose ist in der “Mittelfristigen Finanzplanung 2014 – 2018” des Sächsischen Finanzministers nachzulesen. Dort aber wird sie schon deutlich eingegrenzt, denn eine “aussagekräftige Bevölkerungsprognose liegt derzeitig nicht vor”. Heißt im Klartext: Die von 2009 ist Schlick der Vergangenheit.

Deswegen kann man über die Steuerzuweisungen aufgrund der Bevölkerungszahl auch nichts sagen. Die wahrscheinlichste Variante ist: Sie bleiben bis 2025 etwa gleich.

Zurück gehen freilich die berühmten Sonderbedarfszuweisungen (SoBez) an die ostdeutschen Länder. Sachsen bekommt dadurch künftig rund 1,8 Milliarden Euro weniger vom Bund. Die Steuerprognosen, die Finanzminister Georg Unland aber in seiner “Mittelfristigen Finanzplanung” angibt, zeigen einen weiteren Anstieg der Steuereinnahmen des Landes um rund 1,6 Milliarden Euro bis 2016. Und wer Georg Unland kennt, weiß, dass der Mann immer konservativ rechnet. Was ja auch in seiner Bilanz der letzten Jahre nachlesbar ist: Obwohl er fast jedes Jahr für kurzfristige Investitionen auch auf die Rücklagen zurückgreift, erwirtschaftet er jedes Jahr dreistellige Millionenüberschüsse.

Den Rückgriff auf die Rücklagen kreidet ihm der Rechnungshof übrigens an – als wenn der Freistaat damit seine Substanz verzehrt. Was er nicht tut. Im Gegenteil: In milliardenschweren Fonds sichert der Freistaat auch schon Kosten der Zukunft ab. Typisch dafür ist der Generationenfonds, den der aktuelle Rechnungshofbericht bemäkelt, als hätte sich der Finanzminister damit einfach keine Mühe gegeben. Denn von rund 11 Milliarden Euro, die die schon absehbaren Pensionen der heutigen sächsischen Staatsbediensteten (fiktiv) ausmachen, waren im letzten Jahr erst 4 Milliarden im Generationenfonds aufgespeichert.

Die Mäkelei des Rechnungshofes: “Bei Gegenüberstellung der Pensionsverpflichtungen und der Ansparungen für Pensionsverpflichtungen ergibt sich eine Deckungslücke von rd. 7,1 Mrd. €, die sich erneut gegenüber dem Vorjahr erhöht hat. Die Ansparungen für Pensionsverpflichtungen reichen nicht aus, um die künftigen Pensionsverpflichtungen zu decken. Die Angemessenheit der Höhe der Zuführungen sollte überprüft werden.”

Das ist natürlich reineweg Quatsch.

Jährlich überweist der Finanzminister aus dem laufenden Haushalt rund eine halbe Milliarde Euro in diesen Fonds. Nach der letzten Abfrage der L-IZ hatte der Fonds eine Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro. Die Auszahlungen an die aktuellen Pensionäre aber betrugen 2014 erst 150 Millionen Euro. Für die Zukunft rechnet auch der Rechnungshof nur mit einer Verdoppelung auf 300 Millionen. Das heißt: Selbst bei steigenden Pensionsansprüchen wächst der Fonds weiter. Und: Die Pensionsansprüche werden gedeckt. Da ist keine “Lücke”.

Und was nicht im Bericht steht: Es gibt nur wenige Bundesländer, die überhaupt die finanzielle Kraft haben, so eine Zukunftsvorsorge zu treffen. Die meisten haben überhaupt kein Geld frei, mit dem sie diese Finanzverpflichtung der Zukunft im aktuellen Haushalt schon absichern können.

Wahrscheinlich hat Finanzminister Georg Unland nur die Augen verdreht, als er diesen Satz im Bericht las: “Zu den Schulden des Freistaates gehören nicht nur die o. g. Schulden, sondern auch die sog. impliziten Schulden, zu denen u. a. die Pensionsverpflichtungen zählen. Die impliziten Schulden werden auch als verdeckte Schulden bezeichnet, da sie nicht aus dem Haushaltsplan oder der HR ersichtlich sind. Die impliziten Schulden übersteigen die Kreditschulden um das Zweieinhalbfache und sind damit steigend. Mit rd. 57,4 % machen die Zahlungsverpflichtungen der Altersversorgung (20,1 Mrd. €) den größten Anteil an den in der Vermögensrechnung ausgewiesenen Schulden aus.”

(Die “o. g. Schulden” ist die reine Haushaltsverschuldung von rund 11 Milliarden Euro – womit Sachsen deutschlandweit die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer hat, d. Red.)

Oder den hier: “Der StHpl. 2015/2016 und die Mittelfristige Finanzplanung des Freistaates Sachsen 2014 bis 2018 lassen die erforderliche Ausgabendisziplin vermissen. Zudem verliert der Stellenabbau mit jedem neuen Doppelhaushalt deutlich an Dynamik, obwohl die Personalausgaben – als zweitgrößter Ausgabenblock – stetig steigen. Der SRH sieht diese Entwicklung mit Sorge, da notwendige Ausgabenkürzungen erfahrungsgemäß zulasten der Investitionen erfolgen.”

Aber das hatten wir ja schon im vorhergehenden Beitrag: Irgendwie kann man im Sächsischen Rechnungshof nicht akzeptieren, dass die Zeit der unbegründeten Personalkürzungen vorbei ist. Also kritisiert man einfach die steigenden Personalkosten und nennt es fehlende Ausgabendisziplin.

Und obwohl die “Mittelfristige Finanzplanung” recht deutlich zeigt, dass über künftige Einnahmen des Freistaats noch so gut wie nichts gesagt werden kann (auch nicht über die Entwicklung des Länderfinanzausgleichs), versucht nun ausgerechnet der Sächsische Rechnungshof den Sparmeister zu geben: “Die gute Entwicklung der Steuereinnahmen täuscht über die Notwendigkeit der Anpassung der Ausgaben an eine rückläufige Einnahmenentwicklung hinweg. Durch die Steuermehreinnahmen sind die aktuellen Rückgänge bei den Solidarpaktmitteln ausgeglichen”, kann man also im Rechnungshofbericht lesen. Aber: “Ungewiss bleibt auch der Ausgang der Neuverhandlungen des Bund-Länder-Finanzausgleichs mit möglichen Auswirkungen auf die Einnahmen des Freistaates Sachsen.”

Und dann schreibt man dem Finanzminister ins Hausaufgabenheft: “Bis 2020 muss der Haushalt des Freistaates Sachsen langfristig tragfähig sein. Hierfür vermisst der SRH weiterhin eine Konsolidierungsstrategie, wie die Ausgaben den rückläufigen Einnahmen angepasst werden sollen. Insbesondere für den Personalbereich einschließlich der ausgegliederten Bereiche fehlt es an einer langfristig angelegten Strategie.”

Man hängt immer noch an den Verkündigungen von 70.000 Landesbediensteten. Und man hängt einer Betriebswirtschaftsphilosophie an, die mit den realen Staatsaufgaben nicht das geringste zu tun hat: “Wenn Sachsen sich bis 2020 nicht dem niedrigeren Investitionsniveau der Altbundesländer annähern möchte, müssen die konsumtiven Ausgaben zurückgeführt werden, da die Investitionen ab 2020 aus eigenen Mitteln zu finanzieren sind.”

Konsumtiv heißt in diesem Fall immer: Personal kürzen.

Der sinnvollste Vorschlag wäre wohl, den Rechnungshof einzusparen. Mit seinem Bericht für 2015 hat er eigentlich recht deutlich gezeigt, dass er weder eine sinnvolle Kontrollfunktion hat, noch den Landtagsabgeordneten irgendeine Art Arbeitsmaterial an die Hand gibt, staatliches Handeln besser einschätzen zu können.

Stattdessen fordert der Bericht Dinge, die sich in den letzten Jahren als völlig unsinnig herausgestellt haben.

So heißt es zur Prognose-Tätigkeit des Dresdner ifo-Institutes (das wir an dieser Stelle schon mehrfach kritisiert haben und auf dessen Zahlen wieder die Prognosen des Finanzministers aufbauen): “Im Auftrag des SMF hat das ifo Institut Dresden die ‘Aktualisierung der Langfristprojektion für die Einnahmenentwicklung des sächsischen Landeshaushaltes’ im Januar 2015 vorgelegt. – Während die seit 2008 erfolgten Langzeitprognosen für den Freistaat Sachsen ursprünglich einen Zeitraum von 17 Jahren umfassten, beträgt der Zeitraum nunmehr nur noch 11 Jahre (bis 2025). Der SRH fordert, die Prognose über das Jahr 2025 fortzuentwickeln und eine konstante Zeitspanne zu betrachten sowie die Projektion um eine Ausgabenseite zu ergänzen.”

Sämtliche Prognosen, die länger als fünf Jahre in die Zukunft reichen, haben sich in den letzten Jahren als falsch erwiesen – zur Bevölkerungsentwicklung genauso wie zur Entwicklung der Steuereinnahmen oder der Studierendenzahlen. Und der Rechnungshof will trotzdem noch mehr davon?

Das artet nur in Zahlenspielereien aus, hat aber mit der Realität nicht viel zu tun. Weiter als vier, fünf Jahre wird keine vernünftige Regierung in die Zukunft planen können. Und der Versuch, es trotzdem zu tun, ist mit den “Reformen” von 2009 bis 2011 gründlich schiefgegangen. Ob der Ministerpräsident und sein Finanzminister nun das Gefühl haben, dass dieser Rechnungshofbericht irgendwie hilfreich ist, darf wohl bezweifelt werden.

Die Mittelfristige Finanzplanung des Sächsischen Finanzministers 2014 – 2018.

Der 1. Band des Rechnungshofberichts 2015.

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Es gibt 10 Kommentare

“Die Ergebnisse der methodisch korrekten Auswertung (Stichprobenmittel, Varianzen, Korrelationskoeffizienten etc pp) sind auch nur für Experten verständlich.”

Falsch. Eine Aussage, die Unsinn ist.

Das Problem bei den statistischen Studien ist oft ihre Lesbarkeit. Diese Studien sind ja oft mehrere hundert Seiten dick, weil ein ganz großer Teil nur Datenmaterial darstellt. Die Ergebnisse der methodisch korrekten Auswertung (Stichprobenmittel, Varianzen, Korrelationskoeffizienten etc pp) sind auch nur für Experten verständlich. Ich denke, man kann auch hier noch von einer wissenschaftlichen Gewissenhaftigkeit ausgehen; obwohl es schon bei der ersten Auswertung gewisse Manipulationsmöglichkeiten gibt (z.B. bei der Klassierung der Rohdaten… seeehr beliebt, hier etwas zu “drehen”)

Politisch wird es erst, wenn diese Ergebnisse interpretiert werden. Meistens gibt es eine Lang- und eine Kurzfassung. Und spätestens in der Kurzfassung wird mit rhetorischen Mitteln ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger gelogen, je nachdem, was der Auftraggeber halt vielleicht wollen möchte….

Unschwer zu vermuten, dass der Politiker vor dem Essen mit den Lobbyisten nur die Kurzfassung nur kurz überfliegt…

Es gilt zwar immer noch: Traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast!

Jedoch können, wenn Statistiken unvoreingenommen und wissenschaftlich fundiert erstellt wurden ein wichtiges Hilfsmittel sein.

Nicht umsonst haben Statistiken für Wirtschafts-unternehmen einen wichtigen Stellenwert für die betriebliche Entwicklung.

Da unsere “politische Elite” jedoch diese nur nach machtpolititischen Gesichtspunkten auswertet, haben diese für das Wahlvolk regelmäßig nur einen zweifel-haften bis negativen Nutzen aus den daraus ent- standenen Entscheidungen.

Da kann man nicht nur den Rechnungshof einsparen, sondern auch gleich das IFO-Institut! Wenn ich diesen Herrn un-Sinn reden höre, so geht mir das Messer in der Tasche auf, mal ganz simpel gesagt. Aus dessen Mund kommt nichts, was wirklich reell zu verwenden wäre. Da könnte eine Menge Steuergeld gespart werden, wenn diese Institute nicht mehr bezahlt werden müssten. Was soll das mit den ganzen Statistiken, da könne die auch zur Wahrsagerin gehen!

Hallo Klaus,
etwas weniger von der Ihnen eigenen Selbstherrlichkeit und Ihrer klebrigen Selbstdarstellung, täte sicherlich Ihnen als auch allen Lesern wahrlich gut.

Guter Beitrag, olala.

Ich freue mich sehr, dass sich die Qualität der Beiträge / Diskussionen / Kommentare über die Themen Finanzen / Finanzpolitik / Kontrolle der Steuergelder überwiegend einem beachtlichen Niveau nähert. Ein sehr gutes Zeichen für die L-IZ sowie deren Nutzer.

Es könnte sogar zu einem Alleinstellungsmerkmal, zumindest für die Zeit meiner Serie (also bis in das Jahr 2017), werden. Nicht nur in Sachsen, sondern in der gesamten BRD!!!

Ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass dieses Niveau beibehalten bzw. weiter verbessert wird. Besonders würde es mich freuen, wenn wesentlich mehr Leserinnen und Leser zu diesen Themen Kommentare verfassen.

Clever!

Baue Gebäude für die Zukunft und sorge dafür dass diese weder betrieben werden können, noch darin gelehrt werden kann, da das Personal eingespart wird.

Spare Polizisten, Richter und Justizpersonal in den Gefängnissen und lasse die Kosten der Verbrechen in Wirtschaft und Gewaltkriminialität den Bürger bezahlen!

Spare bei den Lehrer/innen und ruiniere die Grundlage unseres Wohlstandes!

Lasse die Verkehrswege verkommen weil das Personal für die Reparatur eingespart wird.

Was ist daran falsch?

Es ist sehr erfreulich, dass man über das Finanzwesen auch mal einen sachlichen Artikel lesen kann.

Was allerdings in diesem Artikel fehlt, ist, den Standpunkt des Sächsischen Rechnungshofs darzustellen. Mehr als dass er eine naive Auffassung von Prognosen habe, erkenne ich nicht.

Der SRH scheint sogar einen noch härteren Stellenabbau zu fordern, als der, den die Staatsregierung ohnehin schon betreibt.
Indirekt erschließe ich noch, dass für den SRH die Investitionen höhere Priorität zu haben scheinen als diese “konsumptiven” Ausgaben, die als Personalausgaben gedeutet werden. Investitionen gelten ganz gerne mal als “nützlicher” für die Zukunft als Personalaufgaben. Eine neu gebaute Universität nützt noch weiteren zwei-drei Generationen, während das Universitätspersonal nur ihrer eigenen Generation nützt. Diese Vorstellung ist zwar nicht besonders schön, aber was eigentlich soll/könnte denn daran falsch sein?

“Der sinnvollste Vorschlag wäre wohl, den Rechnungshof einzusparen. Mit seinem Bericht für 2015 hat er eigentlich recht deutlich gezeigt, dass er weder eine sinnvolle Kontrollfunktion hat, noch den Landtagsabgeordneten irgendeine Art Arbeitsmaterial an die Hand gibt, staatliches Handeln besser einschätzen zu können.”

So ist es. Hervorragend formuliert Herr Julke. Besser kann ich es auch nicht.

Ich werde in meiner Folge über den Sächsischen Rechnungshof (SRH), die im Dezember fertig sein soll, gnadenlos, aber trotzdem sachlich und fair, daran anknüpfen. Ihre beiden ausgezeichneten Beiträge kann man mit guten Gewissen als “Vorwort” dazu einstufen. Die Ãœberschrift meiner Folge über den SRH wird sein
“Der SRH – ein Marionettentheater”.

Bleiben sie also alle schön neugierig. Egal was sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser der L-IZ bis dahin machen, auf alle Fälle machen sie es gut.

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