Leipzigs Bevölkerung wächst, die Geburtenzahlen steigen sanft. Das verändert die Stadt. Sie wird jünger, lebendiger. Aber wer Kinder hat, weiß, dass es eine Gratwanderung bleibt zwischen Familienplanung, Ausbildung, oft genug noch immer prekären Jobs und Lebenskosten. Aber wie ist das nun mit der Wirtschaftsentwicklung?
Hier hängt die Berichterstattung im Quartalsbericht der Stadt immer ein wenig hinterher. Die Zahlen zum Arbeiten gibt’s immer von der Bundesagentur für Arbeit. Und da auch nicht alle, nur für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Aber schon das ist eindrucksvoll. Binnen eines Jahres – von Dezember 2013 bis Dezember 2014 – stieg die Zahl der sv-pflichtig Beschäftigten in Leipzig von 237.591 auf 246.647. Was ja im Klartext heißt: Die Beschäftigung stieg regelrecht parallel zur Bevölkerungsentwicklung an. Die Stadt schafft mehr Jobs, als sie für sich selbst brauchen würde. Und befeuert damit ebenfalls die Zuwanderung.
Oder ist es andersherum? Erzeugen die Zugewanderten sozusagen die neue Beschäftigung? Eine Frage, die noch niemand wirklich untersucht hat. Aber die mögliche Antwort lautet: Beide Prozesse sind wie siamesische Zwillinge, sie befeuern sich gegenseitig. Denn das Wachstum im Metropolkern Leipzig ist für Investoren und Gründer attraktiv. Hier finden sie Personal, Geschäftspartner und kreativen Input. Und weil die Unternehmen ihre Produkte absetzen können (nicht nur Autos), können sie wieder mehr Leute einstellen, die Geld verdienen, das sie ausgeben können.
Und das sind dann immer häufiger Vollzeitjobs. Immerhin ein Thema, das Leipzig lange begleitet hat: Hier war die Hochburg der prekären Beschäftigung. Um den drakonischen Sanktionen des Jobcenters zu entfliehen, übernahmen die Leipziger jede Arbeit, die irgendwie zu haben war. Auch das war ein gewisses Beschäftigungswachstum, machte sich aber über Jahre weder bei der Einkommenssteuer bemerkbar noch beim Einkommensniveau noch bei der teuer finanzierten Bedürftigkeit. Tausende Leipziger jobbten als Aufstocker.
Doch seit 2014 wird sichtbar, dass auf der anderen Seite der Arbeitsmarkt regelrecht leer gefegt ist. Die Ausbildungsjahrgänge haben sich halbiert und die Unternehmen suchen dringend nach Fachkräften. Das hat einerseits dazu geführt, dass hunderte Selbstständige ihr Gewerbe abgemeldet und lieber eine Anstellung angenommen haben.
Und im Quartalsbericht wird die zweite große Gruppe sichtbar, die den Unternehmen nun hilft, die Löcher zu stopfen: Die Zahl der geringfügig Entlohnten ist in Leipzig, nachdem sie über Jahre gestiegen war, binnen eines Jahres kräftig gesunken.
Und das war noch immer das Jahr vor Einführung des Mindestlohns am 1. Januar 2015.
Von Dezember 2013 bis 2014 sank die Zahl der geringfügig Entlohnten von 46.060 auf 37.973. Der Sprung im vierten Quartal 2014 ist unübersehbar. Und besonders heftig ist der Sprung bei denjenigen, die zuvor ausschließlich von einem solchen Mini- oder Midi-Job leben mussten. Die Zahl sank deutlich von 35.313 auf 28.663.
Und man muss vielleicht kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das so weitergehen wird, dass der viel beschworene Arbeitsmarkt zuerst all jene absorbieren wird, die sich in den letzten Jahren eh schon geplagt haben, um irgendwie auf ihr Geld zu kommen.
Dafür sinken die Zahlen der Menschen, die auf “Hartz IV” angewiesen sind, nur langsam. Sie sinkt trotzdem, freut sich Peter Dütthorn, der zusammen mit der Leiterin des Amtes für Statistik und Wahlen, Dr. Ruth Schmidt, am Montag, 7. September, den neuen Quartalsbericht vorstellte.
Aber die Zahlen zeigen eben auch deutlich, dass all jene Menschen, die als “erwerbsfähige Leistungsberechtigte” im Jobcenter festhängen, erst ganz am Ende der Reihe auftauchen, wenn es um die guten Jobs in Leipzig geht. Hinter den Berufseinsteigern. Hinter den Selbstständigen. Hinter den Mini-Jobbern. Und sie stehen so weit hinten, dass sie eher mit einer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand rechnen können als mit einem Vollzeit-Arbeitsangebot. Es sind vor allem Altersgründe, die ihre Zahl übers Jahr leicht sinken ließ – von 53.901 im März 2014 auf 52.427 im März 2015.
Ähnlich schwer hatten es bislang auch Ausländer, den Schritt ins Erwerbsleben zu schaffen. Aber das scheint sich jetzt mit der großen Aufgabe, die Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens zu integrieren, deutlich zu ändern. Die Forderungen aus der Wirtschaft sind unüberhörbar.
Also beschäftigen wir uns im nächsten Teil tatsächlich etwas ausführlicher mit Ausländern und Migranten.
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