Fragen soll man ernst nehmen. Wenn der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Mitteldeutschland verkündet, die Zahl der Neubaugenehmigungen für Wohnungen in Sachsen sei im 1. Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um 130 zurückgegangen, dann muss man auch mal schauen, wo die Zahlen her sind. Leser fragen, wir suchen.

Erste Anzeichen würden aus Sicht von Frank Müller, Vorsitzender des BFW Mitteldeutschland, auf einen schwächelnden Wohnungsneubaumarkt in den drei Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hindeuten. “So genehmigte Sachsen im ersten Halbjahr 2015 laut statistischem Landesamt 130 neue Wohnungen weniger als im Vorjahr”, wusste der BFW zu berichten. “In Sachsen-Anhalt gab es ein leichtes Minus von 29 Wohnungen. Und auch wenn Thüringen im ersten Halbjahr insgesamt etwas mehr Wohnungsneubauten als im Vorjahr genehmigte (plus 4 Prozent), verringerte sich deren Zahl in den dringend benötigten Mehrfamilienhäusern um 6 Prozent (Minus 43 Wohnungen).”

Da er die Quelle nannte, haben wir bei der Quelle nachgeschaut, beim Statistischen Landesamt des Freistaats Sachsen. Das veröffentlicht regelmäßig auch Faltblätter zur Bautätigkeit und zu Baugenehmigungen in Sachsen. Als Medieninformation ging dazu 2015 bislang keine Meldung raus.

Und dann waren wir ratlos.

Denn die Zahl 130 kommt da nicht vor.

Was steht also tatsächlich in der Statistik?

Wenn man die Zahlen für das 1. Quartal nimmt, würde es eigentlich sogar noch schlimmer aussehen: Wurden im 1. Quartal 2014 noch 2.407 Wohnungen in 2.080 Gebäuden in Sachsen genehmigt, waren es im 1. Quartal 2015 nur 2.179 Wohnungen in 2.144 Gebäuden. Macht nach Adam Ries: 228 Wohnungen weniger.

Mittlerweile ist ja auch der Bericht fürs 2. Quartal da. Die Zahl der Genehmigungen ist deutlich gestiegen: 2.778 genehmigte Wohnungen gab’s im 2. Quartal 2015, das waren sogar mehr als die 2.647, die im 2. Quartal des Vorjahres genehmigt worden waren. Die Differenz hat sich also deutlich verringert. Nämlich auf 97: 5.054 genehmigten Wohnungen im 1. Halbjahr 2014 standen 4.957 genehmigte Wohnungen im 1. Halbjahr 2015 gegenüber.

Quartalszahlen sind also in keiner Weise aussagekräftig, wenn man einen Trend am Wohnungsmarkt ausmachen will. Sie hängen viel zu sehr von Genehmigungsverfahren ab oder von der Dauer, bis Grundstückserwerbe endlich in trockenen Tüchern sind. Letzteres wird ja – so hat es ja auch der BFW festgestellt – immer komplizierter, gerade wenn man dort bauen will, wo die Wohnungen tatsächlich gebraucht werden: in den Großstädten. Es ist eher verblüffend, dass noch immer der Eigenheimbau (ein Haus = eine Wohnung) derart dominiert.

Aber woher stammen dann die 130 Wohnungen?

Eine Lösung des Rätsels könnte sein: Frank Müller hat nur die neu genehmigten Wohnungen in Wohngebäuden gezählt. Und da wird es spannend. Denn da stehen fürs 1. Halbjahr 2014 4.083 Wohnungen genau 3.954 Wohnungen fürs erste Halbjahr 2015 gegenüber. Macht eine Differenz von 129 Wohnungen.

Er hat also nur eine Teilsumme herausgegriffen. Und der Leser der Statistik lernt: Es gibt nicht nur in Wohngebäuden Wohnungen. Es gibt auch nicht nur in Nichtwohngebäuden noch zusätzliche Wohnungen (215 genehmigte im 1. Halbjahr 2014 und bislang 36 im ersten Halbjahr 2015.)

Es bleibt noch ein Rest, den das Statistische Landesamt weder unter Wohngebäude zählt noch unter Nichtwohngebäude.

Dieser Rest betrug im ersten Halbjahr 2014 immerhin 888 Wohnungen und im ersten Halbjahr 2015 dann schon 1.006 Wohnungen. Am Jahresende lag die Differenz zwischen der Gesamtzahl der Wohnungen und den einzeln ausgewiesenen sogar bei 1.672. Was zumindest die Vermutung nahe legt, dass man es hier tatsächlich mit Wohnungen in den zunehmend öfter entstehenden Mehrfamilienhäusern zu tun hat, die in der Regel auch eine Mischnutzung aufweisen (Läden, Büros).

Welche Schlussfolgerungen lassen sich ableiten?

Was freilich nicht ausschließt, dass es hier 2015/2016 trotzdem einen Dämpfer gibt. Das kann man aus den Zahlen des ersten Halbjahres einfach noch nicht herauslesen. Auch die vergangenen Jahre verzeichneten Schwankungen. Bis 2005 ging der Wohnungsbau in Sachsen aus bekannten Gründen Jahr für Jahr zurück – von 16.182 genehmigten Wohnungen im Jahr 2000 auf 5.974 im Jahr 2005. 2006 gab’s wieder einen Ausreißer nach oben, 2007 ging’s wieder runter.

Erst seit 2011 gingen die Neubaugenehmigungen wieder deutlich nach oben. Wenn man die Jahreskurve betrachtet, ist Sachsen also gerade wieder auf dem Weg nach oben und die Zahl der neu genehmigten Wohnungen könnte auch im Lauf des Jahres 2015 wieder über 10.000 gehen. Aber man versteht die Sorge des BFW, wenn er einen Rückfall in die kargen Zeiten, wie sie davor herrschten, befürchtet. Denn gerade in Dresden und Leipzig kann man sich eine Bremsung im Wohnungsbau eigentlich nicht leisten.

Deutlich wird aber auch, dass sich die Anträge zum Neubau schon deutlich hin zu Mehrfamilienhäusern verschoben haben, nachdem über Jahre nur der Einfamilienhausbau die Landschaft dominierte. Ob die kommenden Verteuerungen im Bau durch die rigiden Auflagen des Bundes das Baugeschehen bremsen, bleibt abzuwarten. Aber ganz unberechtigt ist die Befürchtung nicht.

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Es gibt 2 Kommentare

Man entschuldige bitte meinen Tippfehler.
-sonbeisen den Letzten die Hude. – muss natürlich -so beisen den Letzten die Hude.- heißen.

Möglich, dass ich in meiner Aufregung um die windigen Lügen der deutschen Bauwirtschaft, noch mehrfach neben die Tasten gerutscht bin.

Danke und … ahnte ich doch, dass da was nicht stimmt.
Wenn sich nur auf Teilwahrheiten berufen wird, kann das Bild nicht vollständig werden und dient so nur der eigenen Rechtfertigung.

– „Der Staat wälzt alles zulasten der Branche ab“, kritisierte Frank Müller” –
Ach ja – und die Bauwirtschaft alles auf den Käufer und der auf den Mieter und sonbeisen den Letzten die Hude.

Lieber Staat, liebe Bauwirtschaft, lieber “Vermieter” – jetzt bitte genau lesen und ab an die Arbeit.

Sozialer Wohnungsbau
4,78 Euro pro Quadratmeter

In Deutschland gilt sozialer Wohnungsbau als zu teuer. Ein Modell aus Österreich zeigt, dass es geht: nachhaltig niedrige Mieten, ohne Banken, mit Balkon.

Das Neubauviertel in Salzburg liegt nur einen Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt. Bild: gswb

BERLIN taz | Das neue Quartier steht mitten in Salzburg. Im Erdgeschoss des architektonisch anspruchsvollen und nach neusten Kriterien für Energieeffizienz errichteten Viertels ist Platz für „Kunst, Kultur und Soziales“. Der Clou aber ist, dass hier in den oberen Stockwerken keine Luxuswohnungen für Gutverdiener, sondern 292 Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau errichtet wurden.

„Die Nettokaltmiete für eine 77-Quadratmeter-Wohnung beträgt 368,24 Euro“, rechnet Alexander Tempelmayr, Sprecher der gemeinnützigen Salzburger Wohnbaugesellschaft (gswb), vor. Das ergibt eine Quadratmetermiete von nur 4,78 Euro.

In Deutschland wäre das ein unglaublich niedriger Preis. Auch hierzulande würden dringend Wohnungen gebraucht. Erst im August hatte das Pestel-Institut im Auftrag des Deutschen Mieterbundes festgestellt, dass derzeit „mindestens vier Millionen Wohnungen“ fehlen. Doch Neubau gilt nicht als Lösung für Niedrigverdiener. Städtische Wohnungsbaugesellschaften rechnen bei Neubauten mit einer Nettokaltmiete von kaum unter 8 Euro pro Quadratmeter.

Der Bau von Sozialwohnungen gilt in Deutschland als gescheitert. Zu teuer. Ohne lang anhaltenden Effekt. Die Sozialbindung der mit Milliarden geförderten Wohnungen läuft meist nach 30 Jahren aus. Bundesweit fallen so pro Jahr rund 100.000 günstige Wohnungen weg.
Sozialbau für die Abschreibung

Besonders absurd ist die Situation in Berlin. In den 60er und 70er Jahren wurden dort viele Sozialbauten errichtet. Aber sie waren vor allem Steuerabschreibungsmodelle für betuchte Westdeutsche. Wer mehr als 150.000 Mark im Jahr verdiente, konnte seine Einlage innerhalb von fünf Jahren über Steuerersparnisse wieder zurückholen.

Gleichzeitig konnten die Baukosten nicht hoch genug sein, denn nach diesen richtete sich die sogenannte „Kostenmiete“, die in einigen Häusern 14 Euro pro Quadratmeter erreichte. Die Differenz zu den niedrigen Sozialmieten zahlte jahrelang die Berliner Landesregierung. Mittlerweile hat der Berliner Senat diese Dauersubvention gestoppt. Damit entfällt aber auch die Sozialbindung. Künftige Eigentümer dürfen ihre Mieten an den fiktiven „Kosten“ ausrichten.

Allein seit 1990 wurden in Berlin rund 21 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt. Die befinden sich heute in den Taschen der Eigentümer und Banken. Die Mieten aber steigen. Das Gegenmodell aus Österreich heißt „Salzburger Wohnbaufonds“. Er beruht im Kern auf drei Säulen: staatliche Förderung; gemeinnützige Bauträger; und vollständiger Verzicht auf Bankkredite.

Üblicherweise werden Neubauten von Banken vorfinanziert; der Eigentümer zahlt den Kredit über 25 bis 30 Jahre zurück. Die Geldgeber wollen dafür eine entsprechende Rendite. Das kann im Laufe der Jahrzehnte die Gesamtkosten fast verdoppeln. Ein Effekt, der auch in Österreich nicht unbekannt ist.
Keine Finanzierung über private Banken

„Im Jahr 2005 stand das Land Salzburg mit 1,5 Milliarden Euro Schulden in der Wohnbauförderung da“, erklärt Walter Blachfellner, der im Bundesland Salzburg der für die Wohnbauförderung zuständige sozialdemokratische Landrat. „Deshalb haben wir uns seit 2006 komplett von der Finanzierung über private Banken verabschiedet.“

Die Kredite kommen nun aus dem eigens gegründeten Salzburger Fonds. Auch der nimmt Zinsen. Aber er berechnet je nach Förderart für Mietwohnungen oder selbst genutzte Eigenheime nur 1 bis 2,5 Prozent – festgelegt auf die gesamte, im Schnitt 30-jährige Laufzeit.

So konnten in Salzburg bei einer typischen Beispielwohnung die Bruttokosten von knapp 1.000 Euro auf knapp 600 Euro gesenkt werden. „Was bisher die Banken verdient haben, fließt nun in billigere Mieten und mehr Bauvolumen“, sagt der Landrat.

Das Geld zum Aufbau des Fonds stammt unter anderem aus zweckgebundenen Zuschüssen des Bundes von jährlich 113 Millionen Euro und aus Mitteln der EU für umweltrelevante Investitionen. Vor allem aber kann der Wohnbaufonds „als staatlicher Fonds mit gemeinnütziger Zielsetzung Gelder von der Bundesbank für zur Zeit niedrigste Zinssätze zu bekommen“, so Blachfellner.
Der unerschöpfliche Topf

Langfristig aber wird keine Förderung mehr gebraucht. „In spätestens 15 Jahren kommen wir ohne einen Cent Steuergelder aus“, sagt Blachfellner mit hörbarem Stolz in der Stimme. Denn das Geld zahlen die Bauherren nicht an die Banken, sondern an den Fonds zurück.

So kann es zur Finanzierung weiterer Projekte genutzt werden: ein „revolvierender“ Fonds, der sich nicht erschöpft. Auch der Effekt auf die Mieten ist nachhaltig. Die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften in Österreich sind nicht gewinnorientiert. Daher soll selbst nach voller Rückzahlung aller Darlehen die Nettokaltmiete nahezu stabil bleiben.

Inzwischen hat der Salzburger Wohnbaufonds höhere Weihen bekommen. Rund 20 ExpertInnen des European Housing Forum der Europäischen Union kürten ihn vor Kurzem zum „Best-Practice-Beispiel für EU-Regionen“. Sie lobten das „hervorragende Modell, das nachhaltige Investitionen in den Neubau und die Sanierung von Wohnraum mit dem klaren Ziel der Senkung der Wohnkosten für die Bewohner verbindet“.

Barbara Steenbergen, Leiterin des Verbindungsbüros der International Union of Tenants (Internationale Mieterunion) zur EU in Brüssel, war mit in Salzburg. „Wo gibt es das noch in Europa, dass bezahlbare Neubauwohnungen, überwiegend zur Miete und sogar schön, in der Innenstadt von der öffentlichen Hand angeboten werden?“ Dabei sei doch allgemein bekannt, „was für ein Standortnachteil es etwa für Paris ist, dass alle dort arbeiten wollen, aber keiner eine Wohnung zu moderaten Preisen findet“.

Landrat Blachfellner ist sich sicher, etwas Nachhaltiges geschaffen zu haben: „Mit unserem Modell überlassen wir der nächsten Generation nicht Schulden, sondern stellen ihnen Geld zur Verfügung.“

Ãœbernomm,en aus: http://www.taz.de/!5079802/

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