"Bitte nicht mit den Werten von 2008 vergleichen", bat Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, als er den Journalisten den Umsetzungsbericht für den "European Energy Award" (EEA) für 2011 bis 2013 in die Hand drückte. Darin stehen nämlich auch die Zahlen zur Leipziger CO2-Bilanz. Zumindest die für 2011, obwohl Rosenthal versprochen hat, dass es jetzt für jedes Jahr eine Auswertung geben soll.

Denn wenn man das Aufkommen von Kohlendioxid aus der fossilen Verbrennung steuern will, braucht man aktuelle Zahlen über den Energieverbrauch in Haushalten, Wirtschaft und Verkehr.

Und dass das CO2-Aufkommen 2011 in Leipzig so heftig stieg – von 5,53 Tonnen pro Jahr und Einwohner auf 6,61 Tonnen und damit sogar den Wert von 2005 übertraf- hat nicht nur mit dem Zensus 2011 zu tun, sondern auch mit einer geänderten Erfassungsmethode vor allem für den Energieverbrauch des Verkehrs. Vorher hatte Leipzig immer nur die Verkehrsflüsse innerhalb des Stadtgebietes erfasst. Das hatte quasi den Faktor Verkehr geschönt. Aber 2011 hat man die Berechnungsmethode des Klima-Bündnis e.V. übernommen, in dem Leipzig auch Mitglied ist. Damit hat man endlich auch vergleichbare Zahlen, denn nach der Methode erheben über 1.000 Kommunen ihre CO2-Bilanz. Die Bilanz für den Verkehr wird jetzt verursacherabhängig errechnet – es wird also nicht mehr der Verkehr nur im Stadtgebiet erfasst, sondern der Verkehr der Leipziger insgesamt, auch wenn er außerhalb der Stadt passiert.

Im Ergebnis stieg das erfasste CO2-Aufkommen in der Verkehrsbilanz deutlich – von 1,48 Tonnen pro Einwohner im Jahr 2008 auf 2,26 Tonnen. Aber damit wird erstmals auch sichtbarer, dass Mobilität nun einmal nicht an Stadtgrenzen aufhört, sondern darüber hinaus Wirkungen hat. Zum Beispiel sind jetzt eben auch die Flugreisen der Leipziger mit erfasst.

Gestiegen ist aber auch das CO2-Aufkomme in der Wirtschaft – von 2,24 auf 2,43 Tonnen pro Einwohner, was natürlich mit der wachsenden Wirtschaft in Leipzig direkt zu tun hat. Mehr Unternehmen, mehr Arbeitsplätze – höherer Energieverbrauch.

Das hätte so nicht sein müssen, wenn der Zuwachs direkt aus erneuerbaren Energien gespeist worden wäre.

Aber die Leipziger Energiegewinnung basiert nach wie vor zum größten Teil auf fossilen Brennstoffen. Fast die Hälfte der verbrauchten 10.918 Gigawattstunden im Jahr 2011 wurden mit Erdgas erzeugt (4.710 GWh). Zweitgrößter Energieträger war Erdöl in verarbeiteter Form von Diesel, Benzin und Kerosin. Allein der Verkehr hatte einen Energieverbrauch von 3.844 GWh. 212 GWh wurden auch noch als Heizöl verbrannt.

Wer die viel diskutierte Kohle sucht, findet sie in mehreren Posten versteckt. Zum Beispiel in den 559 GWh Fernwärme, die Leipzig aus dem (Kohle-)Kraftwerk Lippendorf bezogen hat. Oder im Strom, der zu 45 Prozent aus Kohlekraftwerken stammt, was dann noch einmal rund 1.000 GWH direkt der Kohle als Energieträger zuweist. Im EEA-Umsetzungsbericht der Stadt scheint die Kohle regelrecht zu verschwinden, weil sie aus den wesentlichen Energiearten Fernwärme und Strom nicht gesondert herausgerechnet wurde. Aber durch den hohen Kohleanteil trägt nun einmal Strom mit 1,17 Millionen Tonnen CO2 erheblich zur Leipziger CO-Bilanz bei – nämlich fast zu einem Drittel.

Die Erneuerbaren Energien leisteten 2011 (wenn man Biogas und Deponiegas mitrechnet) 55,5 GWH Beitrag zur Leipziger Energiebilanz – sehr wenig, wenn man bedenkt, was allein an Solarenergie in Leipzig möglich ist. Wenig auch, wenn man bedenkt, dass Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum nach wie vor vor allem den Verbrauch aus fossilen Energien befeuern.

Ergebnis: 3,737 Millionen Tonnen CO2 schlugen 2011 für Leipzig zu Buche, was dann die 6,61 Tonne pro Kopf ergab.

Aber im Rahmen der Mitgliedschaft im Klima-Bündnis e.V. haben sich auch alle Mitgliedskommunen verpflichtet, ihre CO2-Emissionen alle fünf Jahre um 10 Prozent zu reduzieren und bis spätestens 2030 (Basisjahr 1990) die Pro-Kopf-Emissionen zu halbieren. 10 Prozent Minimierung würde heißen, dass Leipzig 2016 wieder auf 6 Tonnen CO2 pro Einwohner herunter kommt. Die Halbierung des noch in DDR-Smog gebadeten Wertes von 11,32 Tonnen von 1990 ist eher ein Kinderspiel, deswegen hat Rosenthal eher die 2,5 Tonnen bis zur Jahrhundertmitte als Zielmarke ausgegeben.

Aber die Zahl verrät auch, dass das nur mit ehrlichen Paradigmenwechseln gelingen kann – zuallererst einem Verzicht auf Kohle im Energiemix, gefolgt von einem drastischen Abbau des spritverbrennenden Fahrzeugparks (was nur gelingt, wenn der ÖPNV wirklich attraktiver, besser und leistungsfähiger wird) und auch eines kompletten Umbaus in der Beheizung der Stadt – auch das Erdgaszeitalter muss zu Ende gehen, genauso wie die Produktion von Fernwärme aus Kohle.

Das ist alles noch nicht angedacht. Und so lange das so ist, wird Leipzig bei seinen 6 Tonnen CO2 pro Einwohner erst einmal hängen bleiben. Und auch Schwierigkeiten haben, bis 2020 auf 5,4 Tonnen runterzukommen.

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