Ja, hat denn Leipzig nun Zufluchtsorte, an die sich die Hitzegeplagten flüchten können? Augenscheinlich ja. Und es überrascht nicht, dass es fast alles Orte im Freien sind, dass Stadtvegetation eine wesentliche Rolle spielt und Leipzig wohl in den nächsten Jahren immer stärker das Flair einer mediterranen Stadt bekommen wird. Das Stichwort heißt auch: Piazza.

Aber damit ist kein Einkaufstempel gemeint, sondern ein Stadtraum mit schattenspendenden Bäumen, an dem es gut tut, sich aufzuhalten, wenn über den Häusern drückende Hitze lastet. Und genauso sehen es zwischen 7 und 15 Prozent der Leipziger heute schon: Sie suchen sich einen beschatteten Stadtplatz, wo man einfach mal verschnaufen kann und einem ein lindes Lüftchen um die Nase weht. 15 Prozent heißt aber auch: So viele beschattete Stadtplätze gibt es in Leipzig augenscheinlich noch nicht.

Da fühlt man sich schnell an die Worte von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal erinnert, wie schwer es seine Stadtgärtner haben, überhaupt ein paar Bäume auf städtische Plätze stellen zu können. Oder zu dürfen. Denn dahinter steckt – wie so oft – ein dicker Klops deutscher Bürokratie: Stadtplätze sind öffentlich gewidmete Verkehrsflächen. Und auf Verkehrsflächen stehen in Deutschland keine Bäume.

“Wenn wir da was machen wollen, müssen wir eigentlich erreichen, dass die entsprechenden Teilflächen entwidmet werden”, sagt Rosenthal.

Aber welche Wahl hat Leipzig, wenn sich die Zahl der Hitzetage von Jahr zu Jahr spürbar erhöht? Es braucht solche Plätze. Und es kann eine Ecke mehr Piazza-Gefühl gut gebrauchen. Die Leipziger werden es danken. Insbesondere die aus den Dachgeschosswohnungen, wo die Hitze regelrecht Treibhaustemperaturen erzeugt. Deren Bewohner gehen jetzt schon, wo es möglich ist, zum Abkühlen auf einen Stadtplatz.

In die Natur

Zwischen 16 und 29 Prozent der Leipziger gehen gleich in den Wald, wenn’s zu warm ist. “In die Natur”, wie das so schön heißt. Auch das steht auf der Agenda des Umweltdezernats: Waldmehrung. “Das haben wir in den nächsten Jahren ganz sicher eingeplant”, sagt der Bürgermeister. Und kühler ist es im Wald nun mal. Manchmal keckert auch ein Vogel. Zwischen 18 und 31 Prozent der Leipziger flüchten bei Hitzegraden in den nächsten Park oder die nächste Grünanlage. Aber richtig Abkühlung gibt’s natürlich, wenn man ins kühle Nass springen kann.

Zwar nicht ins Elsterbecken, das empfiehlt sich auch heute noch nicht. Aber 27 bis 33 Prozent der Leipziger gehen bei Hitzegraden ins Freibad oder Schwimmbad. Junge Leute natürlich noch häufiger als ältere. Die haben sich ein ganz anderes Rezept ausgedacht, um sich gegen die Sommerhitze zu wappnen – und das ist nicht nur das Fensterschließen und Markisenaufziehen. Die Älteren machen sich im Sommer auf in ihren Kleingarten. 41 Prozent sind das bei den 55- bis 74-Jährigen. Bei den über 75-Jährigen sind es auch noch 30 Prozent.

Und die Kleingärtner sterben nicht aus. Auch bei den Jüngeren haben augenscheinlich 14 bis 25 Prozent die Möglichkeit, sich in die Idylle eines Kleingartens zurückziehen zu können. Man könnte fast Wetten darauf abschließen, dass Kleingärten mit gutem Baumbewuchs einmal richtig wertvolle Erbstücke werden.

Dass Wohnlagen heute schon nach der schnellen Möglichkeit, in Wald und Flussnähe zu kommen, ausgesucht werden, hat sich ja herumgesprochen. Die Südvorstädter machen sich bei Hitzegraden zu 42 Prozent auf in den Auenwald. Das ist doppelt so viel wie der Stadtdurchschnitt. Was uns natürlich auch sagt: Dieser Auenwald ist unbezahlbar.

Schlussfolgerungen für Immobilien

Was die Frage immer noch nicht löst: Wie bekommt man denn nun die Wohnhäuser gekühlt? So, wie es derzeit ist, wird es für viele Leipziger künftig nicht mehr aushaltbar sein. Einiges haben wir ja in vorhergehenden Beiträgen schon benannt: mehr Straßenbäume, mehr Bäume und/oder Gärten in den Innenhöfen, Entsiegelung, Fassadendämmung. Die wirkt ja nicht nur, um Wärmeverlust im Winter zu mindern. Wenn sie richtig angebracht ist, hält sie im Sommer die Hitze auch draußen.

Und viele Leipziger Häuser müssen in den nächsten Jahren an die Wärmeentwicklung angepasst werden.

Die To-do-Liste für Hausbesitzer:

  • 85 Prozent der Leipziger wünschen sich das Anbringen von Sonnenschutzvorrichtungen
  • 84 Prozent die Dämmung von Haus und Dach
  • 81 Prozent wollen grünere Innenhöfe
  • 68 Prozent wünschen Entsiegelung
  • 46 Prozent erhoffen von Dachbegrünung positive Effekte
  • 31 Prozent setzen auf Fassadenbegrünung

Den Einbau einer Klimaanlage wünschen nur 25 Prozent. In besonders aufgeheizten Wohnungen sind es freilich 33 Prozent. Aber die Statistiker, die die Umfrage ausgewertet haben, verweisen extra auf die Tatsache, dass der Wunsch nach Sonnenschutzvorrichtungen deutlich größer ist. Die Bewohner stark überhitzter Wohnräume wünschen sich solche Sonnenschutzvorrichtungen zu 91 Prozent.

Was auch heißt: Die Hausbesitzer haben das Thema in den vergangenen Jahren fast überall beim Sanieren und Modernisieren verschlafen. Sonst stünden da keine 91 Prozent. Das wäre also ein Projekt, das baldigst angepackt werden könnte und sollte. Vielleicht wird Leipzig ja tatsächlich mal eine Stadt der Sonnensegel.

Im Ergebnis stehen die zwei simpelsten Maßnahmen ganz oben in der Gunst der Leipziger:

  • 88 Prozent wollen mehr Bäume auf Straßen und Plätzen
  • 85 Prozent wollen mehr Sonnenschutzvorrichtungen an den Häusern.

Ein so schön klares Ergebnis in einer Umfrage hat auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal selten.

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