Das Institut fรผr Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle ist in den vergangen Jahren nicht unbedingt mit griechenlandfreundlichen Kommentaren aufgefallen. Aber wenn es um Geld geht, dann sind die dortigen Forscher in ihrem Metier. Dann rechnen sie auch dem verbiesterten deutschen Finanzminister vor, dass Deutschland an der Griechenlandkrise seit fรผnf Jahren richtig viel Geld verdient hat.
Denn die Macht hat im modernen Europa der, der das Geld hat. Und die so gern kritisierte europรคische Fiskalunion hat โ anders als von allerlei blitzgescheiten Straรenrednern behauptet โ immer zwei Seiten: eine Verliererseite und eine Gewinnerseite. Und die Griechen stehen seit 2010 auf der Verliererseite. Sie arbeiten (wenn sie denn noch Arbeit haben) nur noch fรผr jene Narrengemeinschaft, die sich mal Troika, mal Glรคubiger, mal Quadriga nennt. Eine Truppe, der es schon lange nicht mehr darum geht, dass Griechenland seine Schulden zurรผckzahlen kann. Warum auch? Ein (fรผr Griechenland) gigantischer Schuldenberg ist doch die reinste Geldmaschine: Er zwingt die Griechen dazu, alles, aber auch alles, was sie aus ihrem Land an Geld herauspressen kรถnnen, als Zinsen oder โ etwas unverschรคmter formuliert โ Schuldendienst, an die Glรคubiger abzufรผhren.
Und das eigentlich Fatale daran:
Die Bundesrepublik Deutschland ist bei dem Deal aus ihren eigenen roten Zahlen herausgekommen, kriegt aber bis heute keinen eigenen Schuldenabbau hin. Der verantwortliche Finanzminister scheint immer noch zu glauben, man kรถnne Griechenland noch auf Jahre ausquetschen und damit den deutschen Staatshaushalt stabilisieren.
Oder, nicht ganz so drastisch formuliert, mit den Worten der Forscher um Professor Reint E. Gropp: โDer ausgeglichene Haushalt in Deutschland ist zu einem groรen Teil auf Zinseinsparungen aufgrund der Schuldenkrise zurรผckzufรผhren.โ Das haben die Berechnungen des Leibniz-Instituts fรผr Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nun gezeigt. Und zwar sehr รผberzeugend: Aus der Krise zwischen 2010 und heute ergaben sich Einsparungen fรผr den deutschen Haushalt von rund 100 Milliarden Euro (mehr als 3% des deutschen Bruttoinlandsprodukts, BIP), die sich zumindest zum Teil direkt auf die Griechenlandkrise zurรผckfรผhren lassen.
Das IWH: โDiese Einsparungen รผbertreffen die Kosten der Krise โ selbst dann, wenn Griechenland seine Schulden komplett nicht bedienen wรผrde. Deutschland hat also in jedem Fall von der Griechenlandkrise profitiert.โ Die Erklรคrung ist simpel und hat mit all den Quatsch-Meldungen von โDie Anleger werden nervรถsโ bis โDie Bรถrse stรผrzt abโ zu tun. So nervรถs sind die Anlieger gar nicht โ aber sie lieben ausgelatschte Wege und folgen den wilden Meldungen der Medien so blindlings, wie es Schafe tun.
Oder mit der sehr nรผchternen Formulierung des IWH: โWenn Investoren sich mit einer Krise konfrontiert sehen, versuchen sie, ihr Geld mรถglichst sicher anzulegen (flight to safety). Wรคhrend der europรคischen Schuldenkrise hat Deutschland รผberproportional von diesem Effekt profitiert: Jedes Mal, wenn es fรผr die Finanzmรคrkte in den letzten Jahren negative Neuigkeiten zum Thema Griechenland gab, fielen die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen, und jedes Mal, wenn es gute Neuigkeiten gab, stiegen sie.โ
Und fรผr die Blitzgescheiten unter uns:
Wer sorgt eigentlich dafรผr, welche Art Nachrichten รผber Griechenland in die Medien lanciert werden? Woher kommen alle diese Meldungen รผber einen unzufriedenen, unwirschen, gnadenlosen deutschen Finanzminister, der โden Griechen nicht glaubtโ, ihre Vorschlรคge โfรผr nicht belastbarโ hรคlt, โkeine Lรถsungen erwartetโ, dessen Kollegen aber alle paar Tage deutlich machen, dass die letzte Mรถglichkeit zur Einigung am Montag ist? Oder am Dienstag? Jedenfalls immer wieder die allerletzte? โ Die Frage lassen wir einfach stehen.
Das Ergebnis jedenfalls sieht jedes Mal, wenn die ganze genarrte Republik in Wehgeschrei รผber die unmรถglichen Griechen ausbricht, genauso aus. Selbst beim IWH staunt man, wie offen diese Beziehungen zu Tage liegen โ wenn man nur gewillt ist, hinzugucken: โZum Beispiel fielen die Zinsen auf Bundesanleihen um rund 30 Basispunkte an einem Tag, als im Januar dieses Jahres ein Sieg von Syriza immer wahrscheinlicher wurde oder als die neue Regierung alle weiteren Verhandlungen mit der Troika (Europรคische Union โ EU, Europรคische Zentralbank โ EZB und Internationaler Wรคhrungsfonds โ IWF) ablehnte. Auch im Juni, als sich die griechische Regierung dafรผr entschied, eine Volksabstimmung รผber die Reformmaรnahmen durchzufรผhren und als das (negative) Ergebnis feststand, fielen die Zinsen deutscher Bundesanleihen, und sie stiegen, als sich die griechische Regierung direkt anschlieรend dann doch verhandlungsbereit zeigte.โ
Und selbst die Wirtschaftsforscher staunen, wie seltsam es aussieht, wenn die Bรถrsenberichterstattung der Medien dazu fรผhrt, dass jeder Versuch der Griechen, mit eigenen Ideen aus dem Schlamassel herauszukommen, mit Punktabzรผgen fรผr deutsche Staatsanleihen bestraft wird: Nicht die Griechen wurden damit konditioniert, sondern die deutschen Austeritรคtsverfechter.
โKumulativ hรคtten die positiven Neuigkeiten รผber Griechenland zwischen Ende 2014 und Mitte 2015 zu einem Zinsanstieg auf deutsche Staatsanleihen von 1,6 % gefรผhrt. Auch die Anleihen anderer Lรคnder haben profitiert (z.B. die USA, Frankreich oder die Niederlande), aber in einem deutlich kleineren Ausmaร. Obwohl diese Zahlen eindeutig belegen, dass Deutschland von der Griechenlandkrise finanziell profitiert hat, bleibt es schwierig, die Ersparnisse auf Heller und Pfennig auszurechnenโ, meint das IWH.
Man hat es trotzdem versucht und mit Hilfe einer einfachen Entscheidungsregel (Taylor rule) eine unabhรคngige deutsche Geldpolitik simuliert und daraus hypothetische deutsche Zinsen auf Staatsanleihen abgeleitet. โDie Annahme einer unabhรคngigen deutschen Geldpolitik bildet ein Szenario ab, in dem Deutschland von einer Krise in Griechenland weder positiv noch negativ beeinflusst wรคre. Die Annahme ist, dass die Geldpolitik der EZB sehr dicht bei der fรผr Deutschland individuell optimalen Politik gewesen wรคre, wenn im Zuge der europรคischen Staatsschuldenkrise keine groรen Ungleichgewichte in der Eurozone entstanden wรคren.โ
Auch so eine Politik hรคtte es geben kรถnnen โ dann wรคre die Griechenlandkrise wesentlich glimpflicher abgelaufen.
Es gab sie aber nicht. Und der Grund kรถnnte durchaus das sein, was derzeit in der EU regiert: Gier und Machtgelรผste. Das austarierende Modell ist also eine Art fiskalisches Gegenmodell zur aktuellen Politik des gnadenlosen Austeritรคtsdenkens, eine Art Maรstab-Europa, fรผr das derzeit nicht mal die Sozialdemokraten kรคmpfen. In einem solchen auf Ausgleich bedachten Europa wรคren die Zinsen auf deutsche Anleihen um 3 % hรถher gewesen.
โDamit ist ein solches Verfahren geeignet, um den Effekt der Staatsschuldenkrise auf die Zinspolitik der Zentralbank und die Zinsen auf Staatsanleihen zu isolieren. Mit diesem Ansatz kommt man auf simulierte Zinsen auf deutsche Staatsanleihen, die zwischen 2010 und heute durchschnittlich rund 3 % hรถher sind als in der Realitรคt beobachtet. Wenn man die tatsรคchliche Fรคlligkeitsstruktur der deutschen รถffentlichen Schulden berรผcksichtigt, belaufen sich die Einsparungen fรผr den deutschen Steuerzahler auf mindestens 100 Milliarden Euro in den letzten viereinhalb Jahrenโ, schreibt das IWH.
โDiese realisierten Einsparungen รผbertreffen selbst die potenziellen Kosten, die auf Deutschland zukรคmen, wenn Griechenland seine Schulden รผberhaupt nicht zurรผckbezahlt. Schรคtzungen zufolge ist der deutsche Anteil an den Rettungspaketen fรผr Griechenland (รผber den Europรคischen Stabilitรคtsmechanismus โ ESM, die EZB und den IWF) auf rund 90 Milliarden Euro zu beziffern. Das gegenwรคrtig zu verhandelnde Paket ist dabei schon mitberรผcksichtigt. Selbst wenn Griechenland keinen Cent zurรผckbezahlt, hรคtte die deutsche รถffentliche Hand also finanziell von der Krise profitiert.โ
Zumindest finanziell, was den Staatshaushalt betrifft. Man hat sich sozusagen in der Krise schรถngetrunken, die eigenen Schieflagen im Haushalt aber nicht beseitigt, nur mit einiger Unverschรคmtheit den 100-Milliarden-Bonus eingesteckt.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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โProfitieren von der Schwรคche der anderenโ
Letztlich ist Griechenland nur ein weiteres Beispiel fรผr die Brutalitรคt, Gefรผhllosigkeit, Grobheit, Kรคlte, Rohheit, Rรผcksichtslosigkeit, Unbarmherzigkeit, Unerbittlichkeit โ eben all dem was in den Augen Schรคubles zu lesen war und des Wesen des Systems ausmacht in dem wir leben.
Reich braucht Arm, das ist bekannt doch wie rรผcksichtslos Deutschland, in Person Schรคuble, dieses Mittels sich bedient und gierig die Situation mehr und mehr verschรคrfend forciert, unerbittlich zunehmendes menschliches Leid in Kauf nimmt um selbst Gewinn daraus zu ziehen, ist widerwรคrtig.