Was machen die Leipziger bei brütender Hitze? Das war eine zentrale Frage aus der Befragung der Leipziger zum Klimawandel, deren Ergebnisse Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal in der vergangenen Woche vorgestellt hat. Denn unter Tagen mit hoher Hitzebelastung leiden sie ja schon heute. Im vergangenen Jahrhundert hat sich deren durchschnittliche Zahl schon von 5 auf 11 pro Jahr erhöht. Bis zum Jahrhundertende wird es Jahre geben, da erreicht die Zahl der Hitzetage 27.

Also 27 Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius – das wird den meisten Leipzigern richtig zu schaffen machen. Viele leiden schon heute unter solchen Tagen. 39 Prozent sagten in der Befragung aus, dass sie ihre Arbeit nicht wie gewohnt ausführen können. 35 Prozent fühlen sich körperlich beeinträchtigt. Besonders ältere Leipziger leiden unter Kreislauf- und Schlafstörungen. Verblüffendes – aber auch bedenkliches Ergebnis: Jüngere Leipziger zwischen 18 und 34 Jahren leiden besonders unter Erschöpfungszuständen (75 Prozent gegenüber dem Durchschnitt von 72 Prozent) und Kopfschmerzen (76 Prozent, Stadtdurchschnitt: 65 Prozent).

Hitze ist also nicht nur ein Phänomen, das ältere Leute belastet und das Gesundheitswesen vor neue Herausforderungen stellt. Es trifft auch die jungen Leipziger. Und am belastendsten finden die Leipziger die Hitze am Arbeits- und Ausbildungsplatz. Leipzigs Statistiker, die die Befragung ausgewertet haben, verweisen zwar darauf, dass vor allem die Wohnsituation dazu beiträgt, dass junge Leute bei Hitze Belastungen verspüren. Aber gerade der hohe Wert von 53 Prozent von Belastungs-Empfinden an Ausbildungs- und Arbeitsplatz zeigt, dass diese Dinge alle miteinander zusammenhängen und nicht nur Leipzigs Unternehmen künftig Arbeitsbereiche klimatisieren müssen. Wobei hier die Kopplung mit einer anderen Frage wichtig ist: Die Innenstadt wird von den jungen Leuten, die hier eben auch oft noch studieren oder arbeiten, als besonders hitzebelastet empfunden.

Das ist dann mit Klimaanlagen in den Büros allein nicht zu ändern. Die Innenstadt selbst muss unter klimatischen Gesichtspunkten umgestaltet werden. Was eben – wie in einem der vorangehenden Beiträge angemerkt – auch mehr Grün in der Innenstadt bedeutet. Deutlich mehr Grün. Solche kahlen Plätze wie am Bayerischen Bahnhof oder an der Petersstraße kann sich Leipzig klimatisch eigentlich nicht mehr leisten. Heute schon nicht mehr. Denn der Blick auf die Karte zu den Klimafolgen, die das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erstellt hat, zeigt, dass Leipzig schon heute eine Wärmeinsel ist, wie sie sonst nur das Rheingebiet darstellt. Leipzig ist die Wärmeinsel im Osten schlechthin.

Und es ist dafür nicht gerüstet.

39 Prozent der Befragten finden es tagsüber in ihren Wohnungen belastend, 38 Prozent auch nachts, weil die Bude nicht auskühlt. 50 Prozent bemängeln die Hitzestauung in der Innenstadt.

Das klingt nach einer Stadt mit Durchlüftungsproblemen. Und nach einer Stadt, in der auch die Arbeitsplätze nicht so gebaut sind, dass die Berufstätigen geschont werden. Verblüffendes Ergebnis: Gerade die Berufstätigen mit hohen Einkommen über 2.000 Euro stöhnen unter der Hitzebelastung am Arbeitsplatz (60 Prozent), was wohl auch damit zu tun hat, dass sie meistens in Büros arbeiten.

Eigentlich, so meint Bürgermeister Heiko Rosenthal, müssten Leipzigs Büros und Wohnungen also alle mit Klimaanlagen ausgerüstet werden. Und fügt hinzu: “Vor dem Hintergrund der CO2-Bilanz wäre das geradezu kontraproduktiv.”

Vielleicht – der Gedanke drängt sich eigentlich auf – müssten Leipzigs Architekten, Planer und Sanierer jetzt zu Schulungskursen in tropische Länder geschickt werden. Oder wenigstens nach Griechenland, Italien oder Spanien. Wie machen die Baumeister das dort? Immerhin sind das Länder, die deutlich höhere Temperaturen und Sonneneinstrahlungen kennen. Im Grunde brauchen Leipziger Gebäude nicht nur einen Energiepass, sie brauchen auch einen Klima-Anpassungs-Pass. Die meisten wurden in einer Zeit gebaut, als es deutlich kühler war. Aber man sieht bei einigen unsanierten Gebäuden heute noch, dass die damaligen Baumeister noch wussten, wie man Häuser kühlt: Die Häuser hatten Fensterläden und Außenjalousien, denn die sind es, die im Sommer die Sonneneinstrahlung abhalten. Gardinen und Jalousien im Inneren haben keine Wirkung gegen den Glashauseffekt.

Starke Mauern tragen zusätzlich zur Kühlung bei, schattende Bäume auf den Straßen ebenfalls.

Aber der Mensch ist ja bekannt dafür, dass er das Rad immer wieder neu erfindet. Das späte 20. Jahrhundert hat eine wahre Orgie in Glashäusern und Glasfassaden gefeiert. Und die Dachgeschosswohnungen wurden mit riesigen Fenstern ausgestattet, die die 5. Etagen regelrecht zum Treibhaus machen. Logische Folge: Die Bewohner der oberen Etagen melden den höchsten Leidensdruck, was die Hitze betrifft. Und da junge Leute gern unterm Dach wohnen, melden sie die höchste Belastung.

Da hilft auch das Schließen von Gardinen und Jalousien nichts, wenn sie falsch angebracht sind. Auch wenn 74 Prozent der Befragten so reagieren. 79 Prozent lassen tagsüber lieber die Fenster zu, 90 Prozent reißen sie nachts auf – was in tropischen Nächsten, wenn sich die Stadt gar nicht abkühlt, auch nichts nutzt.

37 Prozent finden tatsächlich noch kühle Räume in ihrer Wohnung, 37 Prozent duschen kalt. 27 Prozent retten sich in ihren Kleingarten. Immerhin: 23 Prozent haben auch noch die Möglichkeit, Markise oder Sonnensegel aufzuspannen. Wird Leipzig eine Stadt der Sonnensegel?

Kann passieren.

Aber hat denn die Stadt Zufluchtsorte, an die sich die Hitzegeplagten flüchten können?

Mehr dazu im nächsten Teil.

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