Es ist ein wenig versteckt im Bericht zur Befragung der Leipziger zum Klimawandel: Die Bewohner innerstädtischer Quartiere wie des Kolonnadenviertels empfinden die Hitzebelastung durchaus stärker als der Durchschnitt der Leipziger. 49 Prozent von ihnen gaben an, die Sommerhitze als sehr belastend zu empfinden. Der Stadtdurchschnitt lag bei 39 Prozent.

Wobei sich das Problem nicht aufs Kolonnadenviertel beschränkt: Der Wert für die gesamte Innenstadt liegt bei 50 Prozent und damit deutlich über dem Stadtdurchschnitt. Die kompakte Stadt wird zum Problem. Und Stadtplaner und Architekten bekommen neue Aufgaben. Denn eines kann nicht wirklich die Zukunft sein, wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal erklärt: Dass nun überall an die Häuser Klimaanlagen gehängt werden, so wie man das von asiatischen Hochhausstädten kennt.

Gefragt hatte das Umweltdezernat trotzdem. Doch zur Klimaanlage würden die meisten Leipziger erst ganz zum Schluss greifen. Unter allen angebotenen Möglichkeiten, die Hitzebelastung in der Stadt zu mindern, rangieren sie ganz am Ende. Deutlich hinter Entsiegelung, Dach- und Fassadenbegrünung. Ganz zu schweigen von Straßenbäumen, Sonnenschutz, Fassadendämmung und Innenhofbegrünung, die allesamt Zustimmungswerte über 80 Prozent bekamen. Was auch aus Sicht der Leipziger ein eindeutiger Appell an die Stadtverwaltung ist: Macht erst mal all das, was ihr versprochen habt, dann sehen wir weiter.

Nur 25 Prozent der Leipziger würden sich bei Hitzebelastung eine Klimaanlage wünschen.

Das ist aber auch ein wenig von der Bauweise der Häuser abhängig. Im Kolonnadenviertel, wo der größte Teil der Bausubstanz in der DDR-Zeit errichtet wurde, könnten sich 28 Prozent der Bewohner eine Klimaanlage vorstellen. In der von Gründerzeit geprägten Südvorstadt sind es nur 13 Prozent.

Bekanntlich sind ja die Bewohner in den beiden extra untersuchten Leipziger Quartieren keine Stubenhocker. Und sie machten mit ihren Aussagen zur Klimawandelumfrage sehr deutlich, dass die Lösung für Hitzebelastung in der Stadt nicht sein kann, dass jetzt alle ihre Fenster und Jalousien verrammeln und sich dahinter im Schatten verstecken. Gar noch mit raunender Klimaanlage.

Die Bewohner aus Südvorstadt und Kolonnadenviertel schnappen schon jetzt bei sommerlichen Temperaturen Kind, Kegel und Liegedecke und schwärmen in  die Parks, Grünanlagen und den Auenwald. Die Südvorstädter haben die kürzeren Wege in den Auenwald, also gehen sie doppelt so oft wie der Stadtdurchschnitt hin (42 zu 21 Prozent). Den Weg in die Parks finden Südvorstädter und Kolonnadenviertelbewohner zu 40 Prozent (Stadt: 23 Prozent). Die Bewohner beider Quartiere gehen auch häufiger auf beschattete Stadtplätze. Und man kann wohl annehmen, dass es in anderen Innenstadtquartieren ähnlich ist.

Und auch, dass es die Bewohner schon länger ärgert, dass die Quartiere für Hitzestress nicht ausgelegt und nicht ausgestattet sind.

Denn dem Klimawandel schieben sie die Belastung erst mal nicht in die Schuhe. Im Grunde ist das Bild über das ganze Stadtgebiet recht ähnlich: Ein Viertel der Befragten sagt “Ja”, wenn nach der Auswirkung des Klimawandels aufs Wohnviertel gefragt wird, ein Viertel sagt “Nein”, die Hälfte reagiert mit “weiß nicht”. Die Statistiker, die die Umfrage ausgewertet haben, werten die Aussagen so, dass bei diesen Aussagen vor allem Meinungen und Einstellungen zum Tragen kamen, weniger persönliche Betroffenheit. Was auch bei der Befragung nach Alter sichtbar wird: Jüngere Befragte sehen die Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Wohnviertel zu 34 Prozent, Senioren eher nur zu 15 bis 20 Prozent.

Als Senior hat man ja schon einige Wettertumulte miterlebt, da relativiert sich auch ein warmer Sommer wie 2014. Ob sich ein Tropensommer wie 2015 auch noch relativiert, müssten dann andere Befragungen zeigen. Aber was die künftige Gefährdung ihrer Quartiere durch Extremwettereignisse betrifft, ist der Anteil der Ratlosen etwas geringer, auch wenn er im Kolonnadenviertel mit 46 Prozent immer noch erstaunlich hoch ist. Aber in beiden Quartieren wissen 29 Prozent, dass ihr Wohnviertel natürlich durch Extremereignisse gefährdet ist. Leipzigs Statistiker erwähnen beim Kolonnadenviertel explizit ein Hochwasser der Stärke HQ 150, das durchaus mal in dieses Stadtquartier hineinschwappen könnte. Denn es ist nun einmal auf altem Schwemmland der Pleiße gebaut.

Alle tiefer gelegenen Teile der Südvorstadt (ab der August-Bebel-Straße) übrigens auch. Wer dort wohnt, sollte zumindest wissen, dass einige Straßenzüge im offiziellen Hochwassergefährdungsgebiet der Stadt Leipzig liegen. Aber Starkregen, Hagel und Hitze können natürlich auch überall sonst zuschlagen. Aber ganz so lautete die Frage ja nicht. Es ging um die zukünftige Gefährdung des Viertels. Aber diese Frage verneinten zumindest 39 Prozent der Südvorstädter.

Eher scheint hinter den im ganzen Bericht verstreuten Aussagen rund um die beiden besonders herausgehobenen Quartiere auch die Erkenntnis zu lauern, dass Architekten und Planer hier schon in der Vergangenheit nicht unbedingt vernünftig gebaut haben. Wenn im noch gar nicht so extremen Spätsommer 2014 immerhin 49 Prozent der Befragten im Kolonnadenviertel von einer hohen Hitzebelastung sprachen, dann beschreibt das ein schlecht gebautes Quartier noch unter recht gemäßigten Bedingungen. Die freigelegten Teile des Pleißemühlgrabens kommen der Wohnbevölkerung noch gar nicht zugute. Die Abschnitte verlaufen vor allem zwischen Bürobauten und einer riesigen Quartiersgarage, während die Front des Viertels zur Käthe-Kollwitz-Straße eher einer Baukatastrophe ähnelt: praktisch ohne jede Verschattung mit einem aufgerissenen Straßenquerschnitt, auf dem die Sonne so richtig brüten kann.

So gesehen steckt in der Umfrage auch ein Fingerzeig auf solche verunglückten Teile der Stadt, die zeitnah nachgebessert werden müssten. Ähnliches gilt für die Friedrich-Ebert-Straße und den Westplatz.

Da kann man jetzt gespannt sein, welche Botschaften Leipzigs Ämter aus dieser Umfrage destillieren. Und welche lieber nicht.

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