Leipzig und seine Selbstständigen - ein uraltes Thema. Gern in zartem Schatten verborgen. Gefeiert, wenn mal wieder jemand "Hypezig" vermarkten will. Bei Fördermitteln meist veralbert, nicht nur von Banken, die erst mal nach dem Goldschatz in der Familie fragen, bevor sie auch nur über Investitionskredite nachdenken. Aber jammert da jemand?

Ja. Zuletzt wieder in einem Beitrag der DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Aber wirklich Wegweisendes hat er nicht vorgeschlagen, außer dass er den Bürokratieabbau, den der Bund plant, begrüßt. Natürlich ist Bürokratie eine echte Leidensgeschichte für Gründer. Aber es ist nicht das wichtigste Thema, wenn es ums Gründen geht. Es geht auch nicht um Zahlen oder ein Loblied auf die leidige “Ich-AG”, die eher einTrojanisches Pferd war als eine echte Gründerunterstützung, denn all die Ich-AGler von 2004 ff. kehren dieser Tage zurück in eine Vollanstellung – die Unternehmen, die sie vor zehn Jahren freigesetzt haben, nehmen sie jetzt mit Kusshand zurück. Wenn es die Unternehmen noch gibt.

Denn darum geht es. Nicht um Gründungen an sich. Sondern um tragfähige und zukunftsfähige Gründungen. Die FAZ hat ihren Beitrag zum Thema mit einem Foto zum “Deutschen Gründerpreises 2015” bebildert. Auch das eher eine Farce. Oder ein Trugbild. Denn die meisten jungen und (wie man sieht) auch älteren Gründer, schaffen es auf dieses Siegertreppchen erst, nachdem sie mehrfache finanzielle Unterstützung und Förderung bekommen haben. Andere schaffen es nie, weil die Förergeldgeber nicht mal die Idee verstehen.

Deswegen gibt es durchaus Gründungen in Deutschland, die schnell und Aufsehen erregend wachsen. Nur sind das selten Unternehmen mit einer wirklich neuen Idee. Eher fallen sie für die oft fest angestellten und beamteten Geldgeber unter das, was ihnen täglich im Fernsehen als “smart, clever, easy” begegnet – gern auch online, gern mit fein ausgetüftelten Ideen, wie man mit den Produkten anderer Leute durch das ausgefuchste Weiterverkaufen schnell viel Geld umsetzt. Da finden sich oft genug auch schnelle Geldgeber, weil man ihnen die Idee nicht groß erklären muss.

Aber der Unterschied zu den so oft zum Vergleich herangezogenen USA ist: In Deutschland fehlt es an einer Kultur des echten Investments, an der nötigen Menge von Risikokapitalgebern sowieso. Das ist nicht nur ein Loch, das ist eine riesige grüne Wiese mit nichts darauf, die die Gründungswilligen vorfinden, wenn sie mal anklopfen. Bei der SAB zum Beispiel, der Sächsischen Aufbaubank. Deswegen auch das schöne Bild mit der grünen Wiese: Auf der abgebildeten Grünen Wiese will die SAB für ein paar Millionen Euro (die Gründungswillige sowieso nicht bekommen hätten), eine neue Zentrale bauen.

In der Regel haben Selbstständige nicht mehr als ihre Idee, ihr Knowhow und eine Menge Lust aufs Umsetzen. Aber damit bleiben sie in der Regel allein und müssen sehen, wie sie ihr Unternehmen quasi im Alleingang finanzieren. Oder – um mal dieses Lieblingswort der Finanzierungsberater zu benutzen – per Crowdfunding. Das Ergebnis ist das, was auch die sächsische Politik beklagt, als hätte man überhaupt verstanden, worum es geht und warum 90 Prozent der sächsischen Unternehmen solche Klein- und Kleinstunternehmen sind, die man unbedingt fusionieren will, damit sie größer werden.

Aber sie sind so winzig, weil sie nie das nötige Kapital bekommen haben, um die nötigen Wachstumsschritte zu gehen. Sie haben ihre Technik aus dem laufenden  Galopp gekauft, haben den Markt selbst bearbeitet und Kunden gesucht, bis es endlich genug waren, um die Umsätze zu generieren, die man wenigstens zur Stabilisierung des Geschäfts braucht. Dann war in der Regel auch die Zeit und die Leistungs- und Leidensfähigkeit der Gründer erschöpft, müssten eigentlich Leute eingestellt werden, damit der Umsatz wächst und endlich wieder Geld zum Reinvestieren reinkommt. Aber an der Schwelle scheitern fast alle.

Das Ergebnis ist: Gründer und Selbstständige gehören auch in Leipzig nur in Ausnahmefällen zu den Gutverdienern. Sie haben in den letzten Jahren alle eine echte Schüttelstrecke hinter sich gebracht – unter der Finanzkrise haben viele regelrecht gelitten, denn wo Angestellte immer noch ihr Festgehalt bekommen, heißt es für Selbstständige, dass die Aufträge ausbleiben. Und damit geht das Einkommen in den Keller. So in den Jahren 2010 und 2011 auch in den Leipziger Bürgerumfragen sichtbar: Während für Angestellte die Löhne langsam zu steigen begannen, ging’s für Selbstständige in den Keller. So stark, dass Leipzigs Statistiker seitdem etwas mehr Augenmerk auf diesen Posten haben: Sie sprechen von der “höchsten Dynamik” aller Einkommensgruppen.

Nur ist damit kein rasantes Hinauf gemeint, sondern ein kleines Hinauf bis 2009, ein Absturz bis 2011, ein Hinauf 2012 und seitdem wieder Absturz. Mit 1.275 Euro Monatseinkommen rangieren Leipzigs Selbstständige hinter einfachen Angestellten, die immerhin 1.303 Euro im Monat bekamen, was das Jahr 2014 betrifft. Selbst Vor- und Facharbeiter lebten mit 1.300 Euro wesentlich ruhiger. Von mittleren oder leitenden Angestellten braucht man da gar nicht zu sprechen. Außer man denkt so nebenbei daran, dass es mittlere und leitende Angestellte sind, die in Sachsen über Fördergelder entscheiden. Leute, die gelernt haben, nur gesicherte Schritte zu tun und Unsicherheiten zu vermeiden.

Was dazu führt, dass alte, ausgelatschte Geschäftsideen gefördert und gepuscht werden, den wirklich neuen, wagemutigen Neugründungen aber in der Regel ein schweres Leben bevorsteht.

Natürlich sind auch richtig wagemutige Selbstständige dabei, die lieber eine Kneipe oder eine vegane Küche gründen, als sich in die Abhängigkeit eines Angestelltendaseins zu begeben. Der Pool der Selbstständigen ist noch viel heterogener als der der Angestellten. Und es gibt auch erstaunliche Effekte. Wenn man nur die generellen Angaben zur Arbeitszeit betrachtet, wie sie in  der “Bürgerumfrage 2014” zu finden sind, dann fallen die Selbstständigen mit 42 Wochenarbeitsstunden nicht allzu sehr auf. Jeder zehnte Selbstständige arbeitet sogar weniger als 25 Stunden in der Woche.

Dafür arbeiten 40 Prozent der Selbstständigen länger als 43 Stunden in der Woche. Möglicherweise ersetzen sie die fehlende finanzielle Anerkennung durch Begeisterung oder auch durch das Gefühl, nicht mehr Teil einer großen Maschine zu sein, in der sie nicht mehr bestimmen könnten, was sie tun wollen. Aber Fakt ist eben auch: Dieser Teil der Leipziger Arbeitswelt ist das, was man so gern mit abgefahrenen Begriffen wie “Hypezig” beschreibt: Das sind die unangepassten Leute, die in Leipzig Dinge ausprobieren, die in wohl geordneten Städten und Verhältnissen nicht mehr möglich sind.

Die Diskussion über Freiräume ist in Leipzig im Grunde eine Kulturfrage, bei der das Sicherheitsdenken fest angestellter Bedenkenträger auf die Lust (und die Forderung) selbstständiger Menschen und Unternehmer trifft, Dinge tun zu können, ohne von Bürokratie oder schwerem Kapital verdrängt zu werden. Eine höchst aktuelle Frage in einer Stadt, in der man verlässliche Institutionen, die Gründer tatsächlich fördern und unterstützen, mit der Lupe suchen muss.

Und die Gruppe dieser Selbstständigen ist gar nicht so klein: Fast 13 Prozent der Befragten ordnete sich dieser Gruppe zu. Das ist der Kuchen, der Leipzig lebendig macht.

Noch etwas weniger wissen wir über die Ausländer und Migranten, die neben uns leben.

Zu diesem Thema kommen wir morgen an dieser Stelle.

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Das Ergebnis ist: Gründer und Selbstständige gehören auch in Leipzig nur in Ausnahmefällen zu den Gutverdienern.

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