Da haben einige Medien schon mächtig gegrübelt und gerechnet, wie der Mindestlohn denn nun wirke. Oft genug dieselben Medien, die im Herbst gewarnt haben, der Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze. Das tut er ja nun wirklich nicht. Im Gegenteil, auch in Sachsen ist die Zahl der Erwerbstätigen im 1. Quartal 2015 weiter gestiegen. Etwas langsamer als im Vorjahr. Das hat tatsächlich mit dem Mindestlohn zu tun.
Um 0,1 Prozent bzw. knapp 2.000 Personen stieg die Zahl der Erwerbstätigen im ersten Quartal des Jahres 2015 gegenĂĽber dem Vorjahresquartal an, meldet das Sächsische Landesamt fĂĽr Statistik. Und betont: “Dabei stand einem deutlichen Anstieg der Arbeitnehmer ohne marginal Beschäftigte ein starker RĂĽckgang der marginal Beschäftigten gegenĂĽber.”
HeiĂźt im Klartext nicht unbedingt das, was die diversen Medien aus der Statistik der Arbeitsagentur herausgelesen hatten, dass den Leuten nun “aus Hartz IV herausgeholfen” sei. Das verraten diese Zahlen sowieso nicht. Auch wenn sie eine Vermutung stĂĽtzen: Der Bedarf an Arbeitskräften in allen wichtigen Branchen in Sachsen ist so hoch, dass viele Menschen ihre marginalen Beschäftigungsverhältnisse gegen ein Festanstellungsverhältnis tauschen können.
Das wird auch sichtbar, wenn man sich die Branchen im Einzelnen anschaut. Das Landesamt fĂĽr Statistik: “Die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl in den einzelnen Branchen verlief recht unterschiedlich. Das Produzierende Gewerbe trug mit dem höchsten relativen Zuwachs von 0,7 Prozent maĂźgeblich zur aktuellen Entwicklung der Erwerbstätigkeit bei. Hier erhöhte sich das Verarbeitende Gewerbe um 2,2 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen im Baugewerbe ging dagegen um 1,8 Prozent zurĂĽck. Ebenfalls rĂĽckläufig war die Zahl der Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (-0,5 Prozent) und im Dienstleistungsbereich  (- 0,1 Prozent).”
Wobei der Blick auf den Dienstleistungsbereich zeigt, was da eigentlich passiert. Die Landesstatistiker dazu: “Innerhalb des Dienstleistungssektors wies  der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation einen Zuwachs an Arbeitsplätzen um 0,3 Prozent auf. Dagegen verzeichnete der  Bereich  GrundstĂĽcks- und  Wohnungswesen,  Finanz- und Unternehmensdienstleister einen  RĂĽckgang und im Bereich  Öffentliche  und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit blieb die Erwerbstätigenzahl nahezu unverändert.”
Nur zur Erinnerung: Gerade im Hotel- und Gastgewerbe waren die Klagen ĂĽber den Mindestlohn besonders groĂź. Trotzdem ist die Beschäftigtenzahl gestiegen, denn die Branche brummt und kann es sich auch leisten, bisherige marginale Beschäftigungen in besser bezahlte umzuwandeln. Handel und Verkehr stecken hier ebenso mit drin – auch das Branchen, die sich heftigst ĂĽber die EinfĂĽhrung des Mindestlohnes beschwert haben. In gewisser Weise setzt der Mindestlohn nach ĂĽber 20 Jahren des Lohnverfalls ĂĽber einen ganzen StrauĂź von “flexiblen Beschäftigungsmodellen” erstmals eine Zäsur und verschafft den Beschäftigten eine kleine Stabilisierung ihrer Lage.
Aber interessant ist auch der Blick auf den Bereich GrundstĂĽcks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister. Immerhin scheint es hier zu einem BeschäftigungsrĂĽckgang um 0,8 Prozent gekommen zu sein. Aber in den “Unternehmensdienstleistern” stecken nun einmal auch sämtliche Zeitarbeitsfirmen und die Vermutung ist so abwegig nicht, dass einige Firmen in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels die Chance ergreifen, jetzt tatsächlich umzusetzen, was viele Zeitarbeitsfirmen immer versprochen haben: Die Leiharbeit wird zum Sprungbrett in eine feste Beschäftigung.
Denn sichern kann man sich die Leute eigentlich nur, wenn man sie in eine Festanstellung ĂĽbernimmt. Und das passiert natĂĽrlich vor allem im produzierenden Bereich.
Fazit: Augenscheinlich ĂĽberlagern sich in Sachsen zwei Tendenzen. Das eine ist die weiterhin hohe Fachkräftenachfrage, die vielen Beschäftigten aus marginalen oder flexiblen Arbeitsmodellen den Sprung in eine feste Anstellung ermöglicht. Und zum anderen werden wohl auch marginale Beschäftigungen zunehmend in festere Arbeitsverhältnisse verwandelt – und das gerade in den fĂĽr Sachsen und Leipzig besonders prägenden Branchen Hotel, Gastronomie, Verkehr und Handel.
Naja – und in der Folge wird der Kuchenanteil, den die Leiharbeit bisher hatte, etwas kleiner. Immerhin war Sachsen bisher das Bundesland, in dem die Möglichkeiten der Leiharbeit am weitesten ausgereizt worden sind. Die Zeiten könnten jetzt vorbei sein.
Zumindest, wenn die Maschinen weiter so hochtourig laufen wie in den vergangenen drei Jahren. Auch deutschlandweit, wo die Erwerbstätigenzahl in den ersten drei Monaten ebenfalls weiter stieg: “Deutschlandweit wuchs die Erwerbstätigenzahl im ersten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozent. Dabei erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen in den alten Ländern ohne Berlin um 0,7 Prozent und verringerte sich in den neuen Ländern ohne Berlin um 0,1 Prozent”, stellen die Statistiker dazu fest. Was mal wieder der ĂĽbliche Quatsch ist. Berlin gehört zum Osten, hat hier seine wirtschaftlichen Verflechtungen und ist neben Sachsen der Motor der ostdeutschen Wirtschaftsentwicklung. Und in Berlin geht genauso wie derzeit in Sachsen ein wenig die Post ab. Ăśbrigens ein eindeutiger Metropoleneffekt, der sich auch in Sachsen auf die drei GroĂźstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz konzentriert.
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