Und weil's heute so schön war mit den ganzen Zahlen zu den Schulinvestitionen in Leipzig bis 2019, gibt es jetzt noch die Stellungnahme des Stadtelternrates Leipzig und des Stadtschülerrates Leipzig als Dreingabe. Pier Meier, Vorsitzender des SER Leipzig, und Luka Meloian, Vorsitzender des SSR Leipzig, haben gerechnet. Denn wissen wollen sie schon gern, wieviel Geld Leipzig in den nächsten Jahren in seine Schulen investieren muss.
Doch sie haben leider nicht die realen Geburtenzahlen zur Grundlage ihrer Rechnung genommen, sondern das, was CDU-Stadtrat Karsten Albrecht in der LVZ am 22. Mai als Zahl in den Raum geworfen hat. Wobei nicht recht klar ist, wer da eigentlich gerechnet hat – CDU-Stadtrat Karsten Albrecht oder der LVZ-Redakteur.
“Der jährliche Geburtenzuwachs liege an der Pleiße bei 6,5 Prozent”, heißt es da. Und da flackern ja schon beim Lesen die Augen. “Jedes Jahr kämen in Leipzig 400 bis 600 Kinder mehr als im Vorjahr zur Welt.”
Und Karsten Albrecht wird dann mit den Worten zitiert: „600 Kinder heißt aber: Wir brauchen drei Kitas und zwei Schulen.“ Pro Jahr.
Wir haben die beiden Sprecher von Stadtelternrat und Stadtschülerrat gebeten, die Zahlen selbst noch einmal zu überprüfen. Denn die gigantischen Investitionssummen, auf die sie kommen, wenn sie die hier genannten Zahlen zugrunde legen, schrumpfen natürlich deutlich, wenn man andere, nicht ganz so große Zuwächse für die Berechnung nutzt.
“Bis 2020 brauchen wir in Leipzig voraussichtlich 15 neue Grundschulen, acht Oberschulen und sieben Gymnasien”, zitieren sie Karsten Albrecht aus dem selben LVZ-Artikel. Und rechnen dann die Kosten aus, die auf Grundlage dieses Zahlenspiels entstehen würden:
15 mal 5 Millionen Euro für Grundschulen ergibt 75 Millionen.
8 mal 15 – 20 Millionen Euro für Oberschulen ergibt 140 Millionen.
7 mal 25 Millionen Euro für Gymnasien ergibt 175 Millionen.
“Daraus ergibt sich eine Summe von 390 Millionen Euro. Der davon berechnete Länderanteil (40% der förderfähigen Summe) beträgt 156 Mio., nur für Neubauten, plus bis 10 Mio. (Förderanteil ) jährlich für Schulerhaltung, Sanierung, Brandschutz. Das ergäbe bis zum Jahr 2020 einen Bedarf aus dem Landeshaushalt von über 200 Millionen Euro Fördermittel nur für Leipzig”, stellen sie fest und fordern das Land auf, auch die entsprechenden Fördergelder bereitzustellen. Womit sie recht haben.
Nur die Zahlen stimmen nicht ganz. Jene Zahlen, mit denen laut LVZ “die ersten Politiker Alarm” schlagen. Wenn es danach ginge, wäre in der LVZ jeden Tag Alarm.
Aber die Diskussion wird ganz schräg, wenn Leipzig jetzt anfängt, mit falschen Zahlen zu jonglieren.
Und die Zahlen, die Karsten Albrecht hier genannt hat, sind falsch. Man kann nicht wirklich einfach den Sprung in der Geburtenzahl, die Leipzig 2014 erlebt hat, in die Zukunft fortschreiben und so tun, als ginge das jedes Jahr so. 2014 gab’s einen Sprung von 5.860 auf 6.241 Geburten – ein Plus von 381. Daraus dann “400 bis 600 Kinder mehr” pro Jahr zu machen, das ist nicht nur gewagt, das ist unseriös.
Einen ähnlichen Sprung gab es übrigens zuletzt 2010. Da erhöhte sich die Geburtenzahl binnen eines Jahres um 396. Dafür waren es im Folgejahr nur 76 Geburten mehr, im nächsten Jahr 137 und 2013 dann 233.
Das ist weit von den beschworenen “400 bis 600” entfernt.
Und woher hat die LVZ ihre Steigerungsrate von 6,5 Prozent?
Man hat einfach den Geburtensprung von 2014 in Prozent umgerechnet und das nun für das Maß der Dinge genommen.
Kein Mensch weiß, wie hoch die Geburtenzahl 2015 sein wird, aber die erste Zahl aus dem 1. Quartal – 1.596 – deutet eher darauf hin, dass es eine leichte Steigerung gegenüber 2014 wird, da gab’s im ersten Quartal 1.575 Geburten.
Eine Geburtenrate aber rechnet man nicht anhand eines einzigen Jahres aus. Man nimmt mehrere Jahre zur Grundlage. Zum Beispiel die letzten fünf Jahre, als sich die Geburtenzahl in Leipzig von 5.414 auf 6.241 erhöhte. Macht pro Jahr im Schnitt 165 Kinder mehr – was ja deutlich weniger ist als die von Karsten Albrecht genannten “400 bis 600”. Das entspricht übrigens einer Steigerung der Geburtenzahl um 3,05 Prozent.
Etwas mehr wird es, wenn man die vergangenen zehn Jahre nimmt, in denen sich die Geburtenzahl von 4.321 (2005) auf 6.241 (2014) erhöhte. Machte einen durchschnittlichen Zuwachs pro Jahr von 192 oder 4,5 Prozent.
Solche Zahlen hat die Leipziger Stadtverwaltung ihrer Schulplanung auch zugrunde gelegt. Was dann den bis 2019 veranschlagten 168 Millionen Euro entspricht, 260 Millionen, wenn man den ganzen Investitionsstapel addiert. Wobei diese Summe knapp bemessen ist. Das stimmt. Aber wenn man mit rund 200 Kindern mehr im Jahr rechnet, kommt man nicht auf 3, sondern auf 2 Grundschulen pro Jahr und auf etwa 4 Oberschulen und 4 Gymnasien bis 2020. Wobei der Versuch, Grundschulen mit 5 Millionen Euro zu rechnen, sehr gewagt ist. Auch Grundschulen kosten heute im zweistelligen Millionenbereich.
Man kommt dann auf rund 250 Millionen Euro, die Leipzig bis 2020 einsetzen müsste, pro Jahr also über 40 Millionen Euro. Bislang aber rechnet die Stadt mit 33 Millionen Euro Investitionssumme. Die Differenz ist schon wesentlich. Und sportlich, muss man hinzufügen. Und Stadtschülerrat und Stadtelternrat haben natürlich recht, wenn sie feststellen: “Da aber nur 40 Millionen für ganz Sachsen im Landeshaushalt stehen und Dresden mindestens die gleichen Bedürfnisse beim Schulbau hat, reicht die Summe hinten und vorne nicht. Es wurde zu lange geglaubt und vermittelt, dass Sachsen ausstirbt und erst zu spät realisiert, dass die beiden Städte über jedes Maß hinauswachsen, insbesondere Leipzig. – Erschwerend kommt hinzu, dass die Summe für den Erhalt und die Sanierung von Schulen in Leipzig viele Jahre weit unter den benötigten Summen gelegen und die Stadt ihre Schulen quasi auf Verschleiß gefahren hat, was ihr jetzt regelmäßig mit erhöhtem Aufwand bei Sanierung und Reparatur vor die Füße fällt.”
Und verschärft wird das Leipziger Wachstumsproblem durch das Wachstum der Stadt selbst – das lässt nämlich die Baupreise heftig steigen, wie die beiden Sprecher feststellen: “Die Stadt Leipzig ist nur ein Bauauftraggeber von Vielen, die die Preise zurzeit steigen lassen. Außerdem stehen Städte und Gemeinden im Ruf, gute, aber sehr langsame Zahler zu sein, was für eine florierende Bauwirtschaft nicht eben eine Einladung zur Zusammenarbeit ist. Welcher Unternehmer stellt sich schon europäischem Wettbewerb, wenn ihm seine Produkte an anderer Stelle aus den Händen gerissen werden. Die Baukonjunktur lässt mit jedem Tag die Preise weiter steigen. Deshalb muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Bauämter personell aufgestockt sind und auch die Verwendung der Mittel entfristet wird.”
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