So besonders dick ist er nicht: 70 Seiten. Lesefutter für einen Abend. Lesefutter für Leipziger, die gern wissen wollen, wie es gerade steht um ihre Stadt. Rein statistisch betrachtet. Das findet man aller Vierteljahre im "Statistischen Quartalsbericht". Der neue ist jetzt da: Nr. I / 2015. Im Quartalsbericht stecken immer die aktuellsten Zahlen, die so zum angelaufenen letzten Quartal zu haben waren: Bevölkerung, Geburten, Sterbefälle, Steuereinnahmen, Touristen usw.
“Sind wir nicht fleißig?”, fragt Dr. Ruth Schmidt, Leiterin des Amtes für Statistik und Wahlen der Stadt. Neben dem “Jahrbuch” der Stadt, dem “Ortsteilkatalog”, den “Bürgerumfragen” und ab und zu solchen Spezialbefragungen wie zum Neuseenland wird eben auch dieses Heft in ihrem Amt produziert. Mit den aktuellen Werten.
554.334 Leipziger gab es Ende März. Zumindest steht es so im Melderegister. Da stehen seit dem bis heute nicht so richtig verdauten “Zensus 2011” rund 8.000 Leipziger mehr als in der amtlichen Zählung des Statistischen Landesamtes. Das ist mit seiner Berechnung der Leipziger Einwohnerzahl erst mal im November 2014 angekommen. Da waren es 543.244 Leipziger. Rum wie num also: Leipzig überschreitet die 550.000 und nimmt so langsam die 560.000 ins Visier.
Auch im Frühjahr geht der Bevölkerungszuwachs weiter. Allein in den ersten drei Monaten betrug der Wanderungssaldo 2.696. Das sind sogar mehr als in den ersten drei Monaten 2014 – da waren es 2.091. Und das sind normalerweise eher wanderungsschwache Monate. Richtig Rambazamba bei den Fort- und Zuzügen in Leipzig ist immer zum Semesterwechsel im Frühjahr und im Herbst.
Im Sommer übrigens wollen Leipzigs Statistiker in Klausur gehen. Sie wollen die neue Bevölkerungsprognose ausrechnen. Denn die alte stimmt ja nicht mehr. Selbst die optimistischsten Erwartungen wurden übertroffen. Und das, obwohl die Leipziger Prognosen – etwa verglichen mit denen des Statistischen Landesamtes – geradezu tollkühn wirkten. Die sahen eine Wachstum auf 560.000 voraus, als die sächsischen Statistiker in Kamenz für Leipzig lieber eine stabile 500.000 voraussagten. Von anderen Prognosen ganz zu schweigen.
Aber mittlerweile haben Leipzigs Statistiker auch den OBM auf die schöne Idee gebracht, dass die 600.000 kein Traum bleiben muss, sondern durchaus erreichbar sein könnte.
Die Frage ist nur: Wie?
Denn wenn man sich schon mit der alten Prognose so vertan hat, muss ja doch irgendwo noch ein Fehler stecken. Oder man hat einen Trend nicht berücksichtigt.
Denn der Hauptgrund zur Zuwanderung nach Leipzig war nun über zehn Jahre lang immer die starke Abwanderung aus den ländlichen Räumen des Ostens – aus kleinen Städten unter 20.000 Einwohnern, aus Dörfern und Gemeinden. Wer jung war und Lust hatte auf ein interessantes Leben, zog und zieht in die Großstädte. Nach Leipzig noch viel lieber als nach Dresden. Die Dresdner Zuwachsrate ist nicht halb so hoch wie die Leipziger – und das trotz eines Geburtenüberschusses von über 1.000 Babys.
Leipzig hat es 2014 zum ersten Mal wirklich geschafft, auch bei Geburten und Sterbefällen ein Plus zu erreichen – es wurden 352 Kinder mehr geboren als Leipziger starben. Insgesamt 6.241 Geburten – auch das war ein neuer Rekord seit dem gewaltigen Geburteneinbruch 1992. Und so viele Kinder werden wohl auch 2015 geboren. Bis März wurden schon 1.596 Geburten gezählt, 21 mehr als in den ersten drei Monaten 2014.
Deswegen ist ja diese komische Bevölkerungsprognose so wichtig: Der OBM, aber auch alle seine Bürgermeister, brauchen Zahlen, mit denen sie wenigstens einigermaßen planen können. Die letzten zehn Jahre haben ja gezeigt, was passiert, wenn die Prognosen zu niedrig sind. Man kommt in den Rückstand beim Bau von Kindertagesstätten und Schulen. Und holt das auch nicht wieder auf, es sei denn, die Staatsregierung zeigt sich mal wirklich spendabel. Aber danach sieht es nicht aus.
Leipzig muss den Zuwachs in großen Teilen eben doch aus eigener Kraft erwirtschaften.
Deswegen stehen auch die Steuereinnahmen im Quartalsbericht: 497 Millionen Euro waren es 2014. Davon allein 271 Millionen Euro Gewerbesteuer. Was eine ganze Ecke mehr ist als 2013: Da waren es 218 Millionen. 400 Millionen will OBM Burkhard Jung erreichen, dann könne man die abschmelzenden Zuweisungen aus dem Solidarpakt abfedern, sagt er.
Das ist ein heftiges Stück Arbeit. Und wohl auch der Grund, warum er wie wild um die Anteile der Verbundnetz Gas (VNG) kämpft – die ist einer der größten Steuerzahler in Leipzig.
Andererseits wächst auch die Leipziger Wirtschaft. Um fast 10.000 stieg die Zahl der sozialpflichtig Beschäftigten 2014. Die Stadt schafft also für den Bevölkerungszuwachs auch den adäquaten Ausbau der Beschäftigung. Was auch zu mehr Lohnempfängern und zu höheren Lohnsteuereinnahmen führt. Erst so entstehen die finanziellen Freiräume, um überhaupt die wichtigsten Investitionen anzuschieben.
So entstehen aber auch die zunehmenden Engpässe auf den Straßen, wenn das ÖPNV-Netz hinterher hinkt: Parkplatzprobleme, Stau, Pendlerverhalten. Mit letzterem haben sich Leipzigs Statistiker diesmal sehr intensiv beschäftigt. Denn wer einen Job hat, der pendelt auch, wenn die Rahmendaten stimmen. Aber auch das hängt am Geld.
Mehr dazu morgen an dieser Stelle.
Man bekommt den Quartalsbericht in gedruckter Form für 7 Euro im Amt für Statistik und Wahlen.
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