Es ist ein brandheißes Thema: die Mietkosten in Leipzig. Seit 2007 steigen sie sanft, aber kontinuierlich. 2014 etwas stärker als in den Vorjahren. Manch einer sieht die Entwicklung als bedrohlich, andere finden, es sollte nicht so aufgebauscht werden. Aber ein Durchschnittswert sagt nichts über die konkreten Empfindungen der Leipziger. Was einer mit links wegsteckt, kann den anderen in finanzielle Nöte bringen.
Das wird auch aus den ersten Zahlen der “Bürgerumfrage 2014”, die jetzt in einem Schnellbericht veröffentlicht wurden, sichtbar. Da wurden die Leipziger wieder – wie in den Vorjahren, nach ihrer Zufriedenheit mit städtischen Entwicklungen, zu Problemen und möglichen Sparanstrengungen befragt.
Und das Thema Wohnen kommt auch drin vor. Es ist noch nicht das drängendste Problem der Leipziger. Das scheint – auf den ersten Blick – das Thema Kriminalität und Sicherheit zu sein. Dieses Thema dominiert ja nun bekanntlich die Berichterstattung in einigen Medien seit Jahren. Und wer ein bisschen in die jüngere Geschichte schaut, der weiß, dass es in einigen Jahren regelrecht aufgeblasen wurde. 2010 rangierte es nur auf Rang 4 der Leipziger Sorgenkinder. Da waren für die befragten Bürger eindeutig die Verschuldung der Stadt, Arbeits- und Ausbildungsplätze und Straßenzustand die wichtigsten Themen.
Schon wenn man sich diese Begriffe vergegenwärtigt, merkt man, welche Veränderungen in der Leipziger Atmosphäre in den vergangenen vier Jahren passiert sind.
Das Thema Arbeits- und Ausbildungsplätze ist von Rang 1 auf Rang 11 der Leipziger Probleme abgerutscht! Die Häufigkeit der Nennungen sank von 35 auf 18 Prozent. Deutlicher kann man diesen kompletten Windwechsel gar nicht fassen, der 2010 mit der völligen Kehrtwende am Arbeitsmarkt einsetzte.
Genauso verschwand das Thema “Verschuldung der Stadt” aus der Problemsicht der Leipziger. Von 35 Prozent der Nennungen rutschte es auf 26 Prozent ab – Rang 8. Die Leipziger machten sich im Jahr 2014 also eindeutig weniger Sorgen um ihre eigene finanzielle Situation und die der Stadt. Geändert hat sich aber nichts an der Erfahrung, dass viele (vor allem Neben-)Straßen kaputt sind. Das nannten 2010 immerhin 35 Prozent der Befragten als Problem, 2014 waren es sogar 46 Prozent. Was trotzdem nur Rang 2 bedeutete. Denn – siehe oben – die Kriminalität ist augenscheinlich zum Problemthema Nr. 1 geworden, ist von 29 Prozent der Nennungen auf 56 Prozent hochgefloppt. Vielleicht auch deshalb, weil mehr Leipziger nun etwas zu verlieren haben.
Aber es gibt auch aus Leipziger Erhebungen genug Studien, die belegen, dass Kriminalitätserfahrung nicht immer mit der Problemsicht auf Kriminalität zu tun hat. Dafür eine Menge mit dem Gefühl des eigenen Bedrohtseins. Das wird sichtbar, wenn man die Sicht der über 55-Jährigen auf das Thema sieht, von denen 73 Prozent die Kriminalität als wichtigstes Problem benennen. Bei jungen Familien taucht das Problem erst an dritter Stelle auf – hinter dem aus ihrer Perspektive viel brennenderen Thema der (fehlenden) Schulen und der (fehlenden) Kindertagesstätten.
Bei jungen Erwachsenen, die in der Regel mit Auto oder Fahrrad (diese Wagemutigen) zu Ausbildung und Beruf unterwegs sind, rangiert der desolate Straßenzustand an erster Stelle. Für alle drei Altersgruppen hat das Amt für Statitik und Wahlen die Problemsichten extra herausgearbeitet. Und man darf dabei durchaus das Gefühl bekommen, dass sie die Stadt aus drei völlig verschiedenen Blickwinkeln sehen.
Aber es ist nicht nur das von den Senioren besonders bedachte Thema Kriminalität, das in den letzten vier Jahren die Leipziger Problemsicht verändert hat. Auch die jungen Themen haben das Themenfeld deutlich verändert.
2010 nannten nur 13 Prozent das Thema (fehlende) Kindertagesstätten als Problem. Die jungen Eltern drangen damals mit ihren Sorgen fast gar nicht durch. Der Wind hat sich aber deutlich gedreht. 2014 nannten 34 Prozent der Befragten die Kindertagesstätten als Problemfeld. Aus einem abgeschlagenen Rang 7 wurde ein mahnender Rang 3. Schulen landeten 2010 mit 8 Prozent der Nennungen auf Rang 14. 2014 tauchen sie mit 26 Prozent der Nennungen auf Rang 7 auf.
Das Amt für Statistik und Wahlen hat zwar gewarnt, dass die 2014er Befragung mit der von 2010 nicht vergleichbar ist. Man hat die Methodik geändert. Damals durften nur drei Problemfelder überhaupt angekreuzt werden. 2014 wurde das Verfahren geöffnet – die Befragten durften alle Problemfelder ankreuzen, die ihnen wichtig waren. Im Schnitt kreuzten sie 4,5 Felder an. Was im Einzelnen eine Erhöhung der Prozentzahlen bedeutet – aber auch eine realistischere Prozentzahl. Denn der normale Leipziger nimmt ja nun einmal mehr als nur drei Problemfelder war. Senioren interessieren sich eben nicht nur für Sicherheit, nur tauchen Kindertagesstätten und Schulen bei ihnen erst weiter hinten auf in der Prioritätenliste.
Und wie sieht es nun mit den Wohnkosten aus?
2010 landeten sie im Sorgenbad der Leipziger eher unter “ferner liefen” mit 12 Prozent der Nennungen auf Rang 9. Der Wohnungsleerstand juckte mit 5 Prozent der Nennungen praktisch kaum jemanden.
Aber auch das hat sich deutlich geändert. Möglicherweise auch nur durch die Möglichkeit der Mehrfachnennungen 2014. Der Wohnungsleerstand macht nun immerhin 9 Prozent der Befragten Sorgen. Das ist noch nicht so, dass eine Mehrheit der Stadtgesellschaft bereit scheint, in die Diskussion um den schwindenden Leerstandspuffer einzusteigen. Was nicht heißt, dass das Thema nicht auf die politische Agenda gehört. Denn der ÖPNV landet mit 11 Prozent der Nennungen ebenso weit hinten im Problemstapel wie die Umweltbelastung mit 8 Prozent.
Deutlich weiter vorn landet das Thema Wohnkosten mit 18 Prozent der Nennungen (2010: 12 Prozent). Aber auch damit reiht es sich erst einmal ein hinter andere Themen, die eindeutig auf die mediale Themensetzung der vergangenen Jahre zurückgehen. Denn das “Zusammenleben mit Ausländern” wird im Jahr von Pegida- und Legida auf einmal von 24 Prozent der Befragten als problematisch gesehen, 2010 waren es nur 10 Prozent, 2011 sogar nur 5 Prozent.
Was eigentlich auch zeigt, wie stark die Problemsicht der befragten Leipziger von der Problematisierung in den Medien abhängt. Anders ist der Rückgang dieser Problemwertung auf 5 Prozent im Jahr 2011 nicht zu sehen. Wenn aber Abend für Abend in teilweise wilder Dramatisierung über Flüchtlinge berichtet wird, schnellt nicht nur die Aufmerksamkeit für das Thema hoch, sondern auch das Gefühl, hier könnte ein Problem stecken.
Ist natürlich die Frage: Beeinflusst das dann die Lebenszufriedenheit der Leipziger? Schlägt das durch und die grimmigen Mienen auf der Straßen könnten berechtigt sein?
Damit beschäftigen wir uns morgen an dieser Stelle.
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