Jetzt sind Sachsens Statistiker in Kamenz mal wieder zum Rechnen gekommen. In recht kurzer Folge haben sie die Einwohnerzahlen für August, September und nun auch Oktober 2014 vorgelegt. Die Nachricht sollte dann wohl doch noch irgendwie die Verhandlungen um den sächsischen Doppelhaushalt 2015/2016 erreichen. So eine kleine Mahnung aus statistischer Sicht: Sachsen ist ein wachsendes Land.

Wenn es allein nach den Herren Markus Ulbig (sächsischer Innenminister, CDU) und Thomas de Maizière (in Sachsen zum Bundestagsabgeordneten gewählt, Bundesinnenminister, CDU) ginge, dann dürfte Sachsen weiter schrumpfen. Dann würde man einfach das Personal für die Abschiebetruppe verstärken und postwendend alles wieder über die Grenze schicken, was die deutschen Einwanderungs-Bürokraten nicht da haben wollen – unbesehen von Geschlecht, Alter, Bedrohung, Qualifikation. Es ginge auch ums Geld bei schnellen Abschiebungen, dröhnte de Maiziére am Freitag, 17. April. Die Bundesländer forderte er auf, die abgelehnten Asylbewerber (noch) schneller abzuschieben. Bekanntlich ist sein Wahl-Heimatland darin mittlerweile Klassenbester. Und schiebt ab, wo die eigene Wirtschaft händeringend nach Facharbeitskräften ruft.

Doch statt die Integrations- und Qualifikationsprogramme zu stärken und den Kommunen das Geld zu geben, die Asylsuchenden gut unterzubringen, schüren Herren in Nadelstreifen wie Ulbig und de Maizière die Ressentiments. Chancen haben diese beiden Männer in der wieder zunehmenden Zuwanderung noch nie gesehen. In ihrer Welt werden Zuwanderer niemals zu Facharbeitern, Steuerzahlern und Konsumenten.

Dabei ist Deutschland dringend auf diesen Zuzug angewiesen. Sachsen genauso.

Die Kapazitäten der Kommunen  sind nicht deshalb überlastet, weil derzeit mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sondern weil die Bundesregierung ihre Finanzierungsaufgabe nicht ernst nimmt. 20 Jahre lang hat man die Unterbringungskapazitäten abgebaut und zurückgeschrumpft. Als könne man die Welt einfach draußen halten. Ein Umdenken zumindest bei den genannten Herren ist nicht zu erwarten.

Dabei ändert sich auch die Landschaft zwangsläufig.

Die Situation in Sachsen

In Sachsen hat es den jahrelangen Bevölkerungsschwund gestoppt und wieder in ein Wachstum verwandelt.

Von Dezember 2013 bis Oktober 2014 wuchs die sächsische Bevölkerung nun um 7.459 Einwohner, von 4.046.385 auf 4.053.844.

Eine vernüftige Regierung würde den Zeitenwechsel begrüßen.

Hat Sachsen eine vernünftige Regierung?

Oder bleibt sie auch in der Formation CDU/SPD der alten Schrumpf-Ideologie verhaftet? Und verweigert sich den neuen Weichenstellungen?

Natürlich wird Sachsens Zukunft bunter. Es kann gar nicht anders sein, auch wenn es die Spaziergänger in Dresden einfach nicht glauben wollen. Ein Land, in dem die Frauen nur ein Kind bekommen, in Ausnahmefällen mal zwei, das schrumpft sich tatsächlich irgendwann weg. Das erlebt das, was die sächsische Wirtschaft ab 2010 erlebt hat: halbierte Ausbildungsjahrgänge, ein Fechten um jeden ausbildbaren Kopf. Und trotzdem wächst der Mangel an Nachwuchs gerade dort, wo in Sachsens Unternehmen die Exportüberschüsse erwirtschaftet werden, die Kaufkraft und die Steuereinnahmen. Jeder kluge Kopf, der zuwandert, wird gebraucht.

In der sächsischen Provinz wollen auch die Zuwanderer in der Regel nicht bleiben. Auch sie zieht es in die Großstädte, wo das Arbeitsangebot größer ist und damit auch die Chance, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Sie schließen sich im Grunde den selben Wanderungsströmen an, die in Sachsen nun seit Jahren die junge Landbevölkerung in die Großstädte ziehen. Das Modell des modernen Lebens ist eindeutig die kompakte, infrastrukturell noch gut bestückte Großstadt.

Alternativentwürfe zum ländlichen Raum gibt es ja von der aktuellen Regierung nicht. Im Gegenteil. Die nächsten Schulschließungen stehen auf dem Programm.

Und in Leipzig?

Insbesondere Leipzig steht nun auch im fünften Jahr in Folge ganz oben auf der Liste der Lieblingsziele der jungen Sachsen.

Jetzt ganz offiziell: Von Dezember 2013 bis Oktober 2014 wuchs die Leipziger Einwohnerzahl von 531.562 auf 541.947. Ganz amtlich (die Zahl im Einwohnermelderegister ist längst über 550.000 gestiegen). Dresden bleibt sichtlich zurück, wuchs noch von 530.754 auf 535.866. Was natürlich trotzdem in beiden Städten heißt: Es braucht nicht nur Wohnraum für alle Zuzügler, auch der Bedarf an Kindertagesstätten und Schulen wächst. An Lehrern sowieso. Aber noch immer steckt Sachsen im Sparmodus, versucht sich auch das Kultusministerium mit Minimalbesetzung durchs Schuljahr zu schaukeln. So schafft man keine Zukunft. Für niemanden. Aber so schafft man genau die sozialen Konflikte, über die man sich dann so trefflich streiten kann.

Integration fängt nun einmal mit auskömmlicher Versorgung und ausreichender Betreuung an. Wer Bevölkerungen nur verwaltet und in nützliche und unnütze Bürger scheidet, der schafft sehenden Auges die Konfliktfelder der Zukunft.

Und jetzt kann man gespannt sein, wie lange diese neu gewählte Regierung die Entwicklung zu ignorieren gedenkt. Oder ob sie den Mumm aufbringt, ihre Politik zu wechseln. Man könnte ja damit beginnen, den Hardlinern unter den Innenministern die Verantwortung für die Zuwanderungspolitik endlich zu entziehen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Wenn man dem einen Vollchristen die Verantwortung entzieht, springt der nächste schwarze Unchrist auf den selben Zug und fährt stolz weiter.

Schreiben Sie einen Kommentar